Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 549,34 (darin enthalten EUR 91,56 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Antrag, dem Rekurs aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrte nach einem Verkehrsunfall den Ersatz seines zuletzt mit EUR 54.653,89 bezifferten Schadens sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle aus dem Unfall resultierenden künftigen Schäden. Zusätzlich begehrte er als „Nebenforderung gemäß § 54 Abs 2 JN" die Kosten außergerichtlicher Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen des Klagevertreters im Betrage von EUR 5.838,03, die im Einheitssatz keine Deckung fänden. Die beklagten Parteien wandten gegen die Nebenforderung ein, die vorprozessualen Leistungen des Klagevertreters seien im Einheitssatz gedeckt. Es liege nicht in ihrem Verschulden, dass es zu keiner vergleichsweisen Regelung gekommen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Teilbetrages von EUR 332,18 s. A. statt und sprach auch die geltend gemachte Nebenforderung zur Gänze zu.
Das von den beklagten Parteien nur hinsichtlich des Zuspruches der Nebenforderung angerufene Berufungsgericht gab der Berufung Folge, hob das Ersturteil im angefochtenen Umfang sowie das diesbezüglich vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies das auf die Zahlung eines Nebengebührenbetrages von EUR 5.838,03 gerichtete Klagebegehren zurück. Rechtlich erörterte es, § 1333 Abs 3 ABGB in der Fassung des Zinsenrechts-Änderungsgesetzes, BGBl I 2002/118 (ZinsRÄG), schaffe nach seiner Entstehungsgeschichte und der aus den Gesetzesmaterialien hervorgehenden Absicht des Gesetzgebers keine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Kosten vorprozessualer anwaltlicher Tätigkeit. Solche Kosten seien weiterhin als vorprozessuale Kosten zu qualifizieren und nach den allgemeinen Regeln über den Prozesskostenersatz zu beurteilen. Sie seien somit - bei sonstiger Zurückweisung - im Kostenverzeichnis geltend zu machen. Das Berufungsgericht folge damit unter anderem der Entscheidung 2 Ob 261/04p = EvBl 2005/143, worin die Kosten außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen als vorprozessuale Kosten behandelt worden seien. Dem als Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs 2 JN begehrten Betrag stehe daher das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegen, welches die beklagten Parteien in ihrer Berufung - wenngleich unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung - zutreffend geltend gemacht hätten. Gegen diesen Beschluss des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs des Klägers, der (sinngemäß) die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles im Umfang der Nebenforderung anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt überdies, „das Rechtsmittelgericht" möge dem Rekurs hemmende Wirkung zuerkennen. Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ungeachtet des Wertes des Entscheidungsgegenstandes zweiter Instanz und des Vorliegens erheblicher Rechtsfragen zulässig (RIS-Justiz RS0043882; Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 519 ZPO Rz 12 mwN). Die in der Rekursbeantwortung gegen die Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vorgetragene Rechtsansicht der beklagten Parteien, das Gericht zweiter Instanz habe funktionell als Rekursgericht entschieden, weshalb die Zulässigkeit des „(Revisions-)Rekurses" nach § 528 Abs 1 ZPO zu beurteilen sei, trifft nicht zu. Die beklagten Parteien haben in erster Instanz dem die Nebenforderung betreffenden Teil des Klagebegehrens nicht etwa die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegengesetzt, sondern die materielle Berechtigung dieses Teilbegehrens bestritten. Eine in die Entscheidungsgründe des Ersturteiles eingeflossene Verwerfung einer Prozesseinrede liegt daher nicht vor. Insofern unterscheidet sich der gegenständliche Fall von der bei Zechner aaO Rz 14 zitierten Entscheidung 1 Ob 63/02z = EvBl 2002/161, auf die sich die beklagten Parteien zur Stütze ihrer Rechtsansicht erkennbar berufen (vgl auch 1 Ob 3/95 = JBl 1996, 58; 2 Ob 185/02y). Nimmt aber das Berufungsgericht erstmals - aufgrund einer Nichtigkeitsrüge oder von Amts wegen - den Zurückweisungsgrund wahr, steht dagegen der „Vollrekurs" nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zu (4 Ob 512/96 = AnwBl 1996/6232; 4 Ob 287/04s = EvBl 2005/161; 6 Ob 150/05k; RIS-Justiz RS0116348).
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Der Rekurswerber verweist auf die seit dem ZinsRÄG durch das Inkrafttreten des § 1333 Abs 3 ABGB geänderte Rechtslage, wonach außergerichtliche Betreibungskosten nunmehr als Schadenersatzansprüche zu behandeln seien. Die angestrebte gerichtliche Durchsetzung solcher Kosten als Nebenforderung im Sinne des § 54 Abs 2 JN könne daher nicht zur Zurückweisung der Klage führen. Soweit in den Materialien zum ZinsRÄG darauf hingewiesen werde, dass am bestehenden anwaltlichen Tarifgefüge nichts geändert werden solle, setze dies die Deckung der anwaltlichen Kosten durch den Einheitssatz voraus. Diese Voraussetzung sei aber hier nicht gegeben, weil die Leistungen des Klagevertreters einen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe verursacht hätten.
Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.
Die im Rekurs angesprochenen Rechtsfragen wurden vom Obersten Gerichtshof mittlerweile mehrfach im Sinne der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes gelöst.
Es trifft zwar zu, dass die in § 1333 Abs 3 ABGB genannten Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen als Schadenersatzansprüche behandelt werden sollen und dass diese Regelung, anders als die bisherige Rechtsprechung, von einem materiell-rechtlichen und nicht von einem prozessualen Ansatz ausgeht (RIS-Justiz RS0117503). In der Entscheidung 1 Ob 46/03a = EvBl 2004/150 = JBl 2004, 581, hat der Oberste Gerichtshof in einem Fall, in dem die klagende Partei ein Inkassounternehmen war, daher auch ausgeführt, dass durch die erwähnte, mit dem am 1. 8. 2002 in Kraft getretenen ZinsRÄG geschaffene Bestimmung insofern eine entscheidende Wende eingetreten sei, als der bis dahin von einem Großteil der Judikatur vertretenen Rechtsprechungslinie, Kosten für Mahnschreiben udgl seien „vorprozessuale" Kosten, die als Prozesskosten im Sinne des § 41 ZPO anzusehen seien und für deren Durchsetzung der Rechtsweg nicht offenstehe (RIS-Justiz RS0035770), der Boden entzogen worden sei. Offen blieb jedoch die Frage, ob bzw inwieweit dies auch für anwaltliche Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen vor Einleitung eines Prozesses gilt.
Während der erkennende Senat - allerdings ohne eingehendere Begründung - bereits in der Entscheidung 2 Ob 261/04b = EvBl 2005/143 an der Rechtsprechung festgehalten hat, wonach die anwaltlichen Kosten außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen als vorprozessuale Kosten zu behandeln sind (SZ 50/135), hat sich der dritte Senat des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung 3 Ob 127/05f erstmals ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, auf welche Weise die Kosten außergerichtlicher, auf rechtsanwaltlicher Tätigkeit beruhender Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen vor Prozessbeginn vor dem Hintergrund des § 1333 Abs 3 ABGB geltend zu machen sind. Er gelangte dabei nach Darstellung von Rechtsprechung und Lehre zur früheren und der im Schrifttum vertretenen Lehrmeinungen zur aktuellen Rechtslage sowie unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § 1333 Abs 3 ABGB und der Gesetzesmaterialien zum ZinsRÄG zu der Ansicht, es ergebe sich die Notwendigkeit, den materiell-rechtlichen Charakter des § 1333 Abs 3 ABGB aufgrund der spezielleren Norm des § 23 RATG teleologisch dahin zu reduzieren, dass sich die erstgenannte Vorschrift nicht auf anwaltliche Leistungen im Zusammenhang mit außergerichtlichen Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen beziehe. Zusammenfassend wurde folgender, mittlerweile in RIS-Justiz RS0120431 veröffentlichter Rechtssatz formuliert:
„§ 23 RATG gilt auch nach der Einfügung des § 1333 Abs 3 ABGB als speziellere Norm für rechtsanwaltliche Leistungen. Mit letzterer Bestimmung wurde daher keine selbständige Anspruchsgrundlage betreffend den Ersatz anwaltlicher Kosten für außergerichtliche Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen geschaffen. Solange solche Kosten in Akzessorietät zum Hauptanspruch stehen, sind sie durch Rechtsanwälte weiterhin als vorprozessuale Kosten im Kostenverzeichnis geltend zu machen, sodass ihrer klageweisen Geltendmachung die Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegensteht. Eine Wahlmöglichkeit für deren Geltendmachung besteht nicht, weil insoweit die öffentlich-rechtlichen prozessualen Kostenersatzregeln vorrangig sind."
Dieser Rechtsansicht haben sich in der Folge der 6. Senat in den Entscheidungen 6 Ob 131/05s und 6 Ob 294/05m sowie jüngst der 7. Senat in der Entscheidung 7 Ob 297/05k angeschlossen. Auch der erkennende Senat hält die Erwägungen der Entscheidung 3 Ob 127/05f für zutreffend und tritt ihnen bei. Der Kläger zeigt in seinem Rechtsmittel keine Gesichtspunkte auf, die in der zitierten Vorjudikatur des Obersten Gerichtshofes noch nicht berücksichtigt worden wären und Anlass dafür bieten könnten, die ihr zugrundeliegenden Überlegungen in Frage zu stellen. Demnach bedarf es aber auch keiner Prüfung, ob die im konkreten Fall erbrachten Leistungen des Klagevertreters im Einheitssatz Deckung finden, oder ob sie - wegen erheblichen Aufwands an Zeit und Mühe - nach der für jede einzelne Leistung geltenden Tarifpost zu entlohnen sind (§ 23 Abs 4 RATG).
Dem Rekurs war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der ausdrücklich an „das Rechtsmittelgericht" gerichtete Antrag, dem Rechtsmittel hemmende Wirkung zuzuerkennen, war zurückzuweisen, weil die Gewährung aufschiebender Wirkung stets beim hiefür funktionell zuständigen Gericht erster Instanz zu beantragen ist (vgl Zechner aaO § 524 ZPO Rz 12).
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