European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00026.17P.1214.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin stürzte am 16. 2. 2015 auf dem Parkplatz eines Fachmarktzentrums und verletzte sich. Die Gebäudeverwalterin des Fachmarktzentrums, in dem auch die Arbeitgeberin der Klägerin situiert ist, hatte mit der Beklagten einen Winterdienstvertrag geschlossen, der die Beklagte ua zur zuverlässigen Räumung und Streuung der Parkflächen verpflichtet.
Die Vorinstanzen gaben dem Begehren der Klägerin auf Ersatz von Schmerzengeld im Wesentlichen und dem Feststellungsbegehren über die Haftung für zukünftige Schäden zur Gänze statt.
Der Klagestattgebung hält die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision entgegen, die Klägerin habe sich nie ausdrücklich auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter gestützt. Das Berufungsgericht sei von den Feststellungen des Erstgerichts abgegangen. Die Vertragsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber der Klägerin einerseits und dem Fachmarktzentrum und der Beklagten andererseits seien nicht festgestellt. Der Klägerin stehe ein deckungsgleicher Anspruch gegen ihren Dienstgeber zu. Auch sei ein fahrlässiges Verhalten des den Winterdienst durchführenden Betreuers zu Unrecht angenommen worden.
Rechtliche Beurteilung
Damit wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:
1. Im Sinne des herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs wird der Entscheidungsgegenstand durch den Entscheidungsantrag (Sachantrag) und die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen (Sachverhalt), bestimmt (RIS‑Justiz RS0037522; RS0039255), nicht dagegen durch die vom Kläger vorgenommene rechtliche Beurteilung (RIS‑Justiz RS0058336; RS0037551).
Die Klägerin hat in erster Instanz vorgebracht, dass die Verwalterin des Gebäudes, zu dem der Parkplatz gehört, auf dem sie infolge mangelhafter Betreuung stürzte, der Beklagten den Winterdienst übertragen habe und diese damit für die fachgerechte Betreuung verantwortlich gewesen sei, sowie, dass sie selbst Angestellte eines an dieser Adresse situierten Unternehmens sei.
Damit hat sie entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung ein ausreichendes Tatsachensubstrat für die Prüfung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als Anspruchsgrundlage (vgl dazu RIS‑Justiz RS0017195) vorgetragen.
2. Inwiefern die Klägerin einen deckungsgleichen vertraglichen Schadenersatzanspruch gegen ihre Arbeitgeberin haben könnte – der wegen der Subsidiarität des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter den hier geltend gemachten Anspruch ausschlösse (RIS‑Justiz RS0022814; RS0129705 = 8 Ob 53/14y) – zeigt die Revision nicht auf: Es steht fest, dass nicht die Arbeitgeberin der Klägerin, die in dem Fachmarktzentrum untergebracht ist, sondern die für die gefahrlose Benützung der Parkflächen verantwortliche Gebäudeverwalterin dieses Fachmarktzentrums den Winterdienstvertrag mit der Beklagten schloss. Die gerügten Feststellungsmängel liegen daher nicht vor. Davon abgesehen käme der Arbeitgeberin der Klägerin, selbst wenn man davon ausginge, dass auch sie selbst eine Streupflicht traf, jedenfalls die Haftungsbefreiung des § 333 Abs 1 ASVG bei Verletzung dieser Streupflicht zugute, die zu einem Arbeitsunfall ihrer Arbeitnehmerin führte (2 Ob 340/99k; 2 Ob 196/07y und RIS‑Justiz RS0122877). Die Subsidiarität des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter steht der Klagsstattgebung somit nicht entgegen.
3. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass „das Übersehen des Streuens einer solchen bekanntermaßen gefährlichen Stelle“ zumindest als leicht fahrlässig zu qualifizieren sei. Damit hat es keine Feststellung getroffen, sondern eine rechtliche Beurteilung vorgenommen, die sich auf die Feststellung des Erstgerichts stützt, dass dem am Unfallstag den Winterdienst Durchführenden Unebenheiten im Bereich der Parkflächen bzw Eisbildungen nicht auffielen, dass ihm aber Unebenheiten zwischen den Parkkojen nahe dem Trennstreifen (also der Sturzstelle der Klägerin) bekannt waren (Ersturteil S 2 und 5). Ein aufzugreifendes Abgehen von den erstinstanzlichen Feststellungen wird damit nicht dargetan.
4. Wenn das Berufungsgericht letztlich das konkrete Verhalten des den Winterdienst am Unfallstag verrichtenden Betreuers unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Erstgerichts, dass ihm die Unebenheiten zwischen den Parkkojen nahe dem Trennstreifen, wo die Klägerin stürzte, bekannt waren und ihm am fraglichen Tag dort keine Eisglätte auffiel, als leicht fahrlässig wertete, ist dies unter Bedachtnahme auf die Einzellfallbezogenheit dieser Frage (RIS‑Justiz RS0087606) nicht zu beanstanden.
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