European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00221.13H.0122.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen, mit denen Rechtsanwalt Dr. M***** L***** zum Verlassenschaftskurator bestellt wurde, werden ersatzlos aufgehoben.
Begründung:
Die Erblasserin hinterließ zwei Kinder, und zwar eine Tochter (die Revisionsrekurswerberin) und einen Sohn (für den ein Sachwalter sowie im Zuge eines Schuldenregulierungsverfahrens ein Insolvenzverwalter bestellt wurde). Ihr Nachlass (mit Aktiva von 12.878,79 EUR) wurde der Tochter gegen Bezahlung der Nachlasspassiva (bis zu dieser Höhe) gemäß §§ 154, 155 AußStrG an Zahlungs statt überlassen.
Mit der Eingabe vom 20. 3. 2013 behaupteten zwei Personen (ein Rechtsanwalt und sein Mandant ‑ in der Folge Einschreiter genannt), vollstreckbare Forderungen im Betrag von insgesamt über 70.000 EUR gegen den Sohn der Erblasserin zu haben; Nachforschungen hätten ergeben, dass jener Übergabsvertrag vom 13. 1. 1999, mit dem die Erblasserin eine Liegenschaft an die Familie der erbl. Tochter unentgeltlich übergeben hätte sollen, (form‑)ungültig sei; die Übergeberin habe sich im Vertrag ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht vorbehalten; dieses sei einer Übergabe im Rechtssinn entgegengestanden, sodass der Vertrag in Form eines Notariatsakts zu errichten gewesen wäre. Die Einschreiter regten an, das Verlassenschaftsgericht möge nunmehr von Amts wegen eine Nachtragsabhandlung durchführen und einen Verlassenschaftskurator bestellen; nur die Verlassenschaft sei zur Anfechtung des Schenkungsvertrags legitimiert.
Der mit der Verlassenschaftssache betraute Gerichtskommissär erklärte dazu, es sei kein aktenkundiger Nachlass vorhanden und Erbengläubiger hätten mangels Parteistellung keine Antragsbefugnis; ihre Ansprüche wären im streitigen Wege durchzusetzen.
Sowohl der Sohn als auch die Tochter der Erblasserin sprachen sich gegen die Bestellung eines Verlassenschaftskurators aus.
Das Erstgericht bestellte einen Rechtsanwalt zum Verlassenschaftskurator und begründete dies damit, dass der Nachlass mangels Erbantrittserklärung(en) unvertreten sei, und gestützt auf § 156 AußStrG zur Vertretung des Nachlasses und zur Abklärung, ob ein weiteres Nachlassvermögen vorhanden sei, ein Verlassenschaftskurator zu bestellen sei.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil keine Rechtsprechung dazu vorliege, ob auch von außenstehenden Dritten, die nicht Erbansprecher seien, behauptete (und bescheinigte) Anfechtungsansprüche die (amtswegige) Einleitung des Abhandlungsverfahrens sowie insbesondere die Bestellung eines Verlassenschaftskurators rechtfertigen könnten. Zur Anfechtung eines vom Erblasser abgeschlossenen Vertrags sei nach dessen Tod die Verlassenschaft legitimiert. Im Hinblick auf widerstreitende Interessen der Erbansprecher sei ein unbeteiligter Dritter als Kurator zu bestellen. Das Verlassenschaftsgericht sei jederzeit berufen, das zur Ordnung der Sache Erforderliche von Amts wegen vorzukehren. Würden ‑ wie hier ‑ Umstände bescheinigt, die das Bestehen einer Forderung wahrscheinlich machten, habe das Verlassenschaftsgericht von Amts wegen das Abhandlungsverfahren einzuleiten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Tochter der Erblasserin mit dem Antrag, den Beschluss, mit welchem der Verlassenschaftskurator bestellt wurde, ersatzlos aufzuheben. Die Einschreiter seien weder Erben, noch Gläubiger der Verlassenschaft. Ihnen stünde es daher nicht zu, einen Anfechtungsanspruch zu behaupten und zu bescheinigen, der dann ein Nachlassvermögen bilde. Wenn § 811 ABGB schon vorsehe, dass das Gericht für die Sicherstellung oder Befriedigung des Gläubigers des Erblassers nicht weiter zu sorgen habe, als die Gläubiger dies selbst verlangen, so könne dies umso weniger zugunsten von Gläubigern eines Erben erfolgen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist auch berechtigt.
1.1. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Verlassenschaftskurators sind § 157 Abs 4 AußStrG, § 173 Abs 1 AußStrG sowie § 811 ABGB zu entnehmen. § 811 ABGB räumt den Gläubigern des Erblassers zwecks Geltendmachung ihrer Forderungen ein Antragsrecht für den Fall einer mangelnden Vertretung des Nachlasses (durch Erben iSd § 810 ABGB) ein. Von Amts wegen ist nach § 173 Abs 1 Satz 1 AußStrG ein Verlassenschaftskurator in zwei Fällen zu bestellen: wenn sich mehrere Erbberechtigte, die eine Erbantrittserklärung abgegeben haben und denen nach Nachweis der Erbberechtigung nach § 810 Abs 1 Satz 2 ABGB gemeinsam ua das Recht zukommt, die Verlassenschaft zu vertreten, „über die Art der Vertretung oder einzelne Vertretungshandlungen“ nicht einigen; und wenn ein Verfahren über das Erbrecht einzuleiten ist, also schon die Erbberechtigung selbst strittig ist. § 157 Abs 4 AußStrG nennt als Begründung der Kuratorbestellung die Vorbereitung des Verfahrens nach § 184 AußStrG (Heimfallsrecht des Staates) bei erblosen Verlassenschaften (vgl Sailer in Gitschthaler/ Höllwerth , AußStrG § 156 Rz 5).
1.2. Der hier gegebene Fall der Bestellung eines Verlassenschaftskurators im Interesse von Gläubigern eines präsumtiven Erben ist im Gesetz somit nicht vorgesehen.
2.1. Nach 3 Ob 15/06m (= RIS‑Justiz RS0115929 [T1]) bildet ein von einem nach dem Gesetz zum Erben berufenen behaupteter Anfechtungsanspruch ein Nachlassvermögen. Das Verlassenschaftsgericht hat in einem solchen Fall für die Verlassenschaft einen Kurator zu bestellen, damit dieser den Anspruch geltend mache (so auch ua 4 Ob 194/08w; 7 Ob 135/08s).
2.2. Zufolge 4 Ob 589/83 (= RIS‑Justiz RS0013044) hat das Verlassenschaftsgericht nicht von Amts wegen für die Interessen der (Nachlass‑)Gläubiger, insbesondere deren Sicherstellung und Befriedigung, zu sorgen. Soweit nicht aufgrund besonderer Bestimmungen (wie nach § 812 ABGB) Gläubigerinteressen wahrzunehmen sind, hat das Verlassenschaftsgericht auch über Antrag für die Gläubiger nicht tätig zu werden und ihre Befriedigung nicht in die Wege zu leiten.
2.3. Die oben zitierte Rechtsprechung zur Bestellung von Verlassenschaftskuratoren betrifft jeweils Sachverhalte, die im Zusammenhang mit Vermögensinteressen von präsumtiven Erben oder Gläubigern der Verlassenschaft stehen. In diesen Fällen werden besondere gesetzliche Bestimmungen gefordert, welche die Wahrnehmung von Gläubigerinteressen wahrnehmen. Ein Tätigwerden des Verlassenschaftsgerichts im Interesse von Gläubigern der Erben wird von der Rechtsprechung hingegen nicht anerkannt.
3.1. Selbst wenn ein Einschreiten des Verlassenschaftsgerichts (Bestellung eines Verlassenschaftskurators) in einem solchen Fall geboten wäre, bedürfte es aber jedenfalls der Bescheinigung der Umstände, die ein Bestehen der Forderung der Verlassenschaft wahrscheinlich machen (7 Ob 135/08s; RIS‑Justiz RS0115929).
3.2. Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Zu der von den Einschreitern behaupteten fehlenden Übergabe der seinerzeit von der Erblasserin geschenkten Liegenschaft fehlt es an jeglicher Bescheinigung. Die bloße Einräumung eines Wohnrechts bescheinigt nicht die mangelnde Übergabe.
4.1. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass ein ‑ durch die „Anregung“ der Einschreiter (unter Androhung der Amtshaftung) veranlasstes ‑ amtswegiges Tätigwerden des Verlassenschaftsgerichts im Interesse von Erbengläubigern nicht geboten war (vgl Welser in Rummel³ § 811 Rz 2). Die Bestellung eines Verlassenschaftskurators erfolgte daher zu Unrecht.
4.2. Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben und die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben.
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