OGH 2Ob212/12h

OGH2Ob212/12h29.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Isabella Pellech, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien vertreten durch Dr. Matthias Bacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Juli 2012, GZ 12 R 60/12z-28, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Jänner 2012, GZ 9 Cg 21/11s-24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Am 5. 9. 2010 kollidierte auf einer Eisenbahnkreuzung in Eisenstadt ein Zug mit einem slowakischen PKW, dessen Lenker und Halter, der beim Unfall ums Leben kam, das Alleinverschulden am Unfall trifft.

Die Klägerin begehrt Schadenersatz in Zusammenhang mit den durch den Unfall beschädigten Lichtsignalanlagen und stellt weiters ein Feststellungsbegehren über die Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden der Klägerin aus diesem Verkehrsunfall begrenzt mit den Haftungshöchstbeträgen des EKHG.

Das rechtliche Interesse an der Feststellung bestehe darin, dass die Klägerin befürchten müsse, dass Versicherungen des tödlich Verunglückten an sie herantreten und ihr gegenüber Ansprüche geltend machen könnten. Sie müsse weiter befürchten, dass von dritten Unternehmen Rechnungen im Zusammenhang mit der Schadensbehebung gelegt würden, insbesondere in Form von Nachverrechnungen. Es komme immer wieder vor, dass insbesondere Unfallversicherungen oder auch Sozialversicherungen, Ansprüche, insbesondere Renten, etwa Witwen- und Waisenrenten, erst in den letzten Tagen der Verjährungsfrist geltend machten. Da gemäß § 332 ASVG in Zusammenhang mit § 1489 ABGB die Verjährungsfrist nach der Judikatur erst zu laufen beginne, wenn die Versicherung Kenntnis von Schaden und Schädiger erlange, ende diese Verjährungsfrist regelmäßig später als jene zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens, sodass der Klägerin dann die Stellung eines Leistungsbegehrens nicht mehr möglich sei.

Der beklagte Verband erkannte das Leistungsbegehren an, nicht aber das Feststellungsbegehren.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es verwarf die Beweisrüge und kam in rechtlicher Hinsicht unter ausführlicher Darstellung der Rechtsprechung zum Feststellungsinteresse in Zusammenhang mit Schadenersatzansprüchen zu dem Ergebnis, dass hier das Alleinverschulden der Beklagtenseite unbestritten sei und die Frage, ob und warum die Klägerin zur Haftung herangezogen werden könne, ebenso hypothetisch und spekulativ bleibe wie die allenfalls daraus resultierenden „Schadensfolgen“. Insoweit sei die Klägerin ihrer Behauptungs- und Beweislast nicht nachgekommen.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil eine Fallkonstellation wie die vorliegende nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Abänderungsantrag dem Klagebegehren stattzugeben, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei beantragt die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:

1. Das Bestehen eines rechtlichen Interesses iSd § 228 ZPO richtet sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls, dem - von grober Fehlbeurteilung abgesehen - keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0039177 [T1]).

2. Die Revision verweist in ihrer Argumentation vor allem auf § 332 ASVG und die hiezu ergangene Rechtsprechung zum Beginn der Verjährungsfrist ab Kenntnisnahme von Schaden und Schädiger durch den Sozialversicherungsträger. Dadurch entstehe im Vergleich zur allgemeinen Verjährungsfrist eine Zeitdifferenz, während derer die klagende Partei Gefahr laufe, von einem Sozialversicherungsträger erfolgreich in Anspruch genommen zu werden, während ihre eigene Regressforderung gegenüber der beklagten Partei verjährt sei. Weiters verweist sie auf die Judikaturwende, wonach nunmehr ein Feststellungsbegehren auch dann zulässig ist, wenn noch kein feststellbarer Schaden eingetreten ist, sondern nur die Möglichkeit besteht, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt ermöglichen kann. Ein Feststellungsbegehren sei nicht zu entkräften, solange künftige Schäden nicht mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnten.

3. Tatsächlich ist nach der ständigen Judikatur dann, wenn die Möglichkeit offen bleibt, dass ein schuldhaftes rechtswidriges Verhalten für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (RIS-Justiz RS0038865; RS0039018).

All diese Judikatur betrifft aber Fälle, in denen beim Geschädigten der Eintritt weiterer zukünftiger Schäden nicht ausgeschlossen werden konnte.

4. Hier dagegen macht die klagenden Partei zur Begründung des rechtlichen Interesses ihres Feststellungsbegehrens Umstände geltend, die darauf beruhen, dass sie von Dritten als Schädiger bzw Haftpflichtiger aus diesem Verkehrsunfall in Anspruch genommen werden könnte.

Abgesehen davon, dass - wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat - die klagende Partei selbst keine über abstrakte Möglichkeiten hinausgehende künftige Inanspruchnahme dartun und mögliche Anspruchsteller nicht einmal andeutungsweise nennen kann und überdies das Alleinverschulden der beklagten Seite im vorliegenden Verfahren unbestritten ist, würde die Klägerin in den in der Revision allgemein aufgezeigten Fällen als Schuldner in Anspruch genommen und könnte dann gegen den Beklagten als Mitschuldner nach § 896 ABGB mit den dafür geltenden Verjährungsfristen (vgl Gamerith in Rummel, ABGB³ § 896 Rz 1a, 2, 6 und 11) vorgehen.

5. Das von der Revision behauptete Rechtsproblem besteht daher nicht.

Auf Fälle der „Nachverrechnung“ kommt das Rechtsmittel nicht mehr zurück.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, dient sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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