OGH 2Ob197/19p

OGH2Ob197/19p28.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des P* W*, verstorben am * 2019, zuletzt *, über den Revisionsrekurs des Antragstellers P* W*, vertreten durch Mag. Alexander Todor-Kostic, LL.M., und Mag. Silke Todor‑Kostic, Rechtsanwälte in Velden am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 9. Oktober 2019, GZ 1 R 143/19b‑48, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom 29. August 2019, GZ 2 P 38/16a‑45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126948

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist das einzige Kind des am * 2019 verstorbenen Betroffenen. Dieser hatte mit einem Testament aus dem Jahr 2016 eine Dritte als Erbin eingesetzt und den Antragsteller enterbt. Der Antragsteller beantragt unter Hinweis auf seine Stellung als „gesetzlicher Erbe“ Einsicht in den Pflegschaftsakt, insbesondere in das dort eingeholte Gutachten zur Gesundheit des Betroffenen, um im Verlassverfahren seine Interessen in Bezug auf eine mögliche Testierunfähigkeit des Betroffenen wahrnehmen zu können und „durch Testamentsanfechtung“ dem wahren Willen des Betroffenen zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag nach § 141 Abs 1 AußStrG ab, weil der Antragsteller noch keine Erbantrittserklärung abgegeben habe. Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung zum Recht auf Akteneinsicht eines gesetzlichen, aber nicht erbantrittserklärten Erben fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656), sodass über die Auslegung keine ernstlichen Zweifel bestehen können (RS0042656 [T8]).

2. Ein solcher Fall liegt hier vor:

2.1. Die Möglichkeit der Akteneinsicht für Erben und erbantrittserklärte Personen wurde mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz in § 141 Abs 1 AußStrG eingefügt. In Bezug auf die hier strittigen Informationen über den Gesundheitszustand beruht die Bestimmung nach den EB zur RV des 2. ErwSchG (1461 BlgNR 25. GP 76 f) auf der zu 2 Ob 194/14i ergangenen Entscheidung zum Recht erbantrittserklärter Erben auf Einsicht in den Pflegschaftsakt. Dort hatte der Senat ausgeführt, dass eine solche Einsicht zur Durchsetzung des wahren Willens des Erblassers möglich sei, wenn aufgrund widerstreitender Erklärungen ein Verfahren über das Erbrecht eingeleitet wurde. Eine Einsicht vor Abgabe einer Erbantrittserklärung war damit ausgeschlossen.

2.2. Dass in der Neufassung von § 141 Abs 1 ABGB neben erbantrittserklärten Personen auch Erben genannt wurden, beruht nach den Materialien (EB 76) allein darauf, dass Erben als Rechtsnachfolger des Betroffenen schon nach alter Rechtslage ein Recht auf Akteneinsicht in Bezug auf dessen Einkommens- und Vermögensangelegenheiten hatten (RS0125886). Auch hier soll es nun nach den Materialien genügen, dass der Einsichtswerber bereits eine Erbantrittserklärung abgegeben hat (EB 76). Aus diesen Ausführungen folgt zwingend, dass der Gesetzgeber den Begriff „Erbe“ im Sinn von „Rechtsnachfolger aufgrund Einantwortung“ verstanden hat.

2.3. Auch Schoditsch (EF‑Z 2019, 52 [53 f]; ders in Schneider/Verweijen, AußStrG § 141 Rz 12) versteht Erben und erbantrittserklärte Personen „als (potentielle) Gesamtrechtsnachfolger“, wobei er den Begriff „potentiell“– wie schon die Materialien (EB 76) – offenkundig auf die erbantrittserklärten Personen bezieht. „Erbe“ ist daher auch nach seiner Auffassung der nicht bloß potentielle, sondern tatsächliche Gesamtrechtsnachfolger des Betroffenen.

3. Auf dieser Grundlage kann eine Auslegung von § 141 Abs 1 AußStrG, die entgegen der Rechtsprechung zum alten Recht eine Akteneinsicht vor Abgabe einer Erbantrittserklärung ermöglichen soll, nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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