OGH 2Ob192/11s

OGH2Ob192/11s19.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache der Erlegerin W***** G*****, gegen die Erlagsgegner 1.) Dr. Irene Z*****, und 2.) Ä*****, letztere vertreten durch Mag. Bernd Trappmaier, Mag. Georg R. Foidl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlags nach § 1425 ABGB, über den Revisionsrekurs der Zweiterlagsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Juni 2011, GZ 44 R 208/11f, 339/11w, 209/11b-32, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Favoriten vom 26. Jänner und 16. Februar 2011, GZ 35 Nc 2/11b-3, 9 und 13 bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Erstantragsgegnerin ist Ärztin und bei der Antragstellerin angestellt, also in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis. Als Ärztin ist sie unbestritten ordentliches Kammermitglied der Zweitantragsgegnerin. Aufgrund dessen fordert die Zweitantragsgegnerin von der Erstantragsgegnerin Beitragszahlungen zu ihrem Wohlfahrtsfonds. Diese Beiträge sind als bestimmter Anteil vom Bruttoentgelt zu berechnen. Die Erlegerin hat diese Beiträge bei der Entgeltberechnung zu berücksichtigen und für die Erstantragsgegnerin an die Zweitantragsgegnerin abzuführen. Die Erstantragsgegnerin bestreitet jedoch zur Leistung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds der Zweitantragsgegnerin verpflichtet zu sein und fordert von der Erlegerin die Nichtabführung dieser Beträge und Auszahlung an sie selbst. Dieser Beitrag errechnet sich mit je 708,28 EUR für Jänner 2011 bzw Februar 2011.

Mit der Begründung, es sei der Erlegerin ohne unzumutbaren Aufwand nicht erkennbar, welchem der beiden Forderungsprätendenten der Betrag zuzufließen habe, beantragt sie die Annahme der Beiträge für Jänner bzw mit gesondertem Antrag für Februar 2011 als gerichtlichen Erlag.

Das Erstgericht nahm die Erläge zu Gericht an. Das von der Zweitantragsgegnerin angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass die Erläge über gemeinsamen schriftlichen Antrag der Erlagsgegnerinnen, aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs oder aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde ausgefolgt würden. Es verneinte die geltend gemachte Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs. § 112 ÄrzteG mache die Befreiung von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds vom Nachweis des Vorliegens gewisser Voraussetzungen abhängig. Der Bestimmung lasse sich nicht entnehmen, dass die Befreiung zwingend einen rechtskräftigen Befreiungsbescheid voraussetze. Ein entsprechendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs in dieser Richtung sei erst am 30. 1. 2011 ergangen und seit 1. 3. 2011 im RIS abrufbar, also der Erlegerin nicht zugänglich gewesen. Der Erlegerin könne weder die Kenntnis der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer noch ein zeitaufwendiges Studium von Judikatur und Literatur in dieser Richtung zugemutet werden. Vielmehr bilde die Unklarheit der Rechtslage einen rechtlichen Grund zum Gerichtserlag nach § 1425 ABGB.

Über Zulassungsvorstellung der Zweitantragsgegnerin ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob ein Gerichtserlag auch dann zulässig sei, wenn der abzuführende Betrag sowohl einen privatrechtlichen als auch einen öffentlich-rechtlichen Anspruch verkörpere. Im Hinblick auf weitere beim Rekursgericht anhängige Verfahren komme der Frage eine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zu.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit eines Gerichtserlags bei Zusammenfall von zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Ansprüchen nicht vorliegt, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Unzulässigkeit des Rechtswegs:

Die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten Mängel können auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint worden sind (RIS-Justiz RS0121265). Es ist daher auf die vom Erstgericht und vom Rekursgericht ausdrücklich bejahte Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs einzugehen.

Die Revisionsrekurswerberin bestreitet nicht, dass die Erstantragsgegnerin in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis gegenüber der Antragstellerin steht. Daraus folgt aber, dass auch ihre Ansprüche auf Zahlung des dafür geschuldeten Entgelts grundsätzlich privatrechtlicher Natur sind.

Ob die Entgeltzahlung der Antragstellerin an die Erstantragsgegnerin vollständig ist, hängt im hier interessierenden Zusammenhang von der Frage ab, ob die Erstantragsgegnerin als ordentliches Kammermitglied der Zweitantragsgegnerin zur Bezahlung von Beiträgen zum Wohlfahrtsfonds im Sinne des Ärztegesetzes verpflichtet ist oder nicht.

Die für jedes Bundesland eingerichteten Ärztekammern, denen die im jeweiligen Bundesland tätigen Ärzte als Pflichtmitglieder angehören, sind Körperschaften öffentlichen Rechts nach dem ÄrzteG (Resch/Wallner, Medizinrecht-Praxiskommentar Rz 411 ff). Eine der wichtigsten Aufgaben der Landesärztekammern besteht darin, den Wohlfahrtsfonds zur Versorgung und Unterstützung der Kammerangehörigen und ihrer Hinterbliebenen zu errichten und zu betreiben (aaO Rz 428; Wallner, Ärztliches Berufsrecht, 235). Nach § 109 Abs 1 ÄrzteG sind die Kammerangehörigen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Für die Festsetzung der Höhe dieser Beiträge normiert Abs 2 bestimmte Voraussetzungen und ordnet an, dass Näheres in der Beitragsordnung zu regeln ist. Bei der Festsetzung des Wohlfahrtsfondsbeitrags von Kammerangehörigen, die den ärztlichen Beruf in einem Dienstverhältnis ausüben, dient nach Abs 6 als Bemessungsgrundlage das monatliche Bruttogehalt. Laut Abs 7 der Bestimmung sind diese Beiträge vom Dienstgeber einzubehalten und an die zuständige Ärztekammer abzuführen.

Gemäß § 112 ÄrzteG ist ein ordentlicher Kammerangehöriger auf Antrag von der Verpflichtung nach § 109 ÄrzteG zu befreien, wenn er den Nachweis darüber erbringt, dass ihm ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe-(Versorgungs-)genuss aufgrund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft oder an einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft zusteht. Nach § 113 ÄrzteG ist die Verwaltung des Wohlfahrtsfonds von der Verwaltung des übrigen Kammervermögens getrennt zu führen und obliegt einem Verwaltungsausschuss, der seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit fasst. Gegen Beschlüsse des Verwaltungsausschusses steht dem Betroffenen das Recht der Beschwerde an den Beschwerdeausschuss zu. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsausschuss und dem Beschwerdeausschuss ist das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 anzuwenden. Daraus ist zu folgern - und ist auch unbestritten - dass das Verhältnis zwischen der Erstantragsgegnerin und der Zweitantragsgegnerin in Bezug auf den Wohlfahrtsfonds und die Pflicht zur Beitragsleistung öffentlich-rechtlicher Natur ist.

Judikatur zur Frage, ob ein Erlag nach § 1425 ABGB auch im Hinblick auf einen öffentlich-rechtlichen Anspruch zulässig ist, besteht insoweit, als der Oberste Gerichtshof in 6 Ob 744/88 im Zusammenhang mit einer Abgabenforderung ausgesprochen hat, dass dort, wo der Zweck der gerichtlichen Hinterlegung - die Schuldtilgung - nicht eintreten könne, die gerichtliche Hinterlegung wegen Zwecklosigkeit unzulässig sei (RIS-Justiz RS0033640). Abgabenforderungen würden nur durch ihre Entrichtung im Sinne der abgabengesetzlichen Vorschriften getilgt und nicht auch durch gerichtliche Hinterlegung eines der Abgabenschuld entsprechenden Geldbetrags, weshalb insoweit keine Erläge zu Gericht anzunehmen seien. Der Erlag auf eine Abgabenschuld sei kein Erlag „nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts“, wie das in der Zuständigkeitsregelung des Art XVIII EGJN formuliert werde, und nach den anzuwendenden Vorschriften der steiermärkischen Landesabgabenordnung keine gesetzlich vorgesehene Form der Tilgung einer Abgabenschuld.

Im vorliegenden Fall mag nun zwar die Frage der Beitragspflicht der Erstantragsgegnerin zum Wohlfahrtsfonds der Zweitantragsgegnerin eine öffentlich-rechtliche sein, und die Tilgung dieser allfälligen Beitragsschuld im Sinne der Bestimmungen des ÄrzteG grundsätzlich nur durch Abführung der Beiträge durch ihren Dienstgeber und nicht durch gerichtlichen Erlag zur Schuldtilgung führen; die Lösung dieser Rechtsfrage bildet aber ihrerseits wiederum die Vorfrage für die Beurteilung, ob die Erstantragsgegnerin von ihrer Dienstgeberin, der Antragstellerin, das gesamte ihr aus dem Dienstverhältnis zustehende Entgelt erhalten hat, ob also die Tilgung dieser privatrechtlichen Schuld eingetreten ist oder nicht.

Da hier im Gegensatz zu 6 Ob 744/88 eine schuldtilgende Wirkung des Erlags insoweit grundsätzlich möglich ist, wurde die Zulässigkeit des Rechtswegs von den Vorinstanzen zu Recht bejaht. Dass hinsichtlich aller Erlagsgegner ein privatrechtlicher Anspruch bestehen müsste, ergibt sich im Hinblick auf den Schuldtilgungszweck des § 1425 ABGB nicht.

2. In der Sache:

Ob ein Grund der Hinterlegung iSd § 1425 ABGB an sich taugt, ist im Verfahren außer Streitsachen zu prüfen; ob der angeführte Hinterlegungsgrund im Konkreten tatsächlich gegeben ist, der Erlag also rechtmäßig erfolgte, hat das Hinterlegungsgericht dagegen nicht zu prüfen. Dem Erlagsgericht obliegt daher bezüglich des Hinterlegungsgrundes nur eine Schlüssigkeitsprüfung (Reischauer in Rummel 3 § 1425 ABGB Rz 17). Auch im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens darf nur die Schlüssigkeit überprüft werden. Dies gilt auch für die Frage, ob die Einbeziehung bestimmter Personen in den Kreis der Erlagsgegner schlüssig ist (Reischauer aaO).

Wird ein Erlagsgesuch damit begründet, dass mehrere Forderungsprätendenten auf den Erlagsgegenstand Anspruch erheben und der oder die wahren Gläubiger nicht mit zumutbarem Aufwand zu ermitteln sind, ist dies nach der Judikatur ein tauglicher Erlagsgrund iSd § 1425 ABGB. Dann gehört zu der vom Außerstreitgericht durchzuführenden Schlüssigkeitsüberprüfung einerseits die Prüfung der Frage, ob die Angaben des Erlegers über die auf den Erlagsgegenstand geltend gemachten Ansprüche rechtlich plausibel sind und ob andererseits schlüssig dargelegt wurde, dass der Umstand der Ermittlung des richtigen Gläubigers Schwierigkeiten bereitet. Nennt der Erleger mehrere Forderungsprätendenten (Erlagsgegner), sind deren Ansprüche auf den Erlagsgegenstand und die Schwierigkeit ihrer rechtmäßigen Erfüllung plausibel zu machen (RIS-Justiz RS0113469).

Welcher der zwei Forderungsprätendenten hier tatsächlich Anspruch auf die erlegten Beträge hat, hängt von der Prüfung privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Fragen sowohl materieller als auch formeller Natur ab und war nicht einfach zu beantworten, weshalb auch nach Ansicht des erkennenden Senats die Voraussetzungen für eine Hinterlegung nach § 1425 ABGB ausreichend schlüssig hinsichtlich aller Erlagsgegner dargetan wurden.

Der Erlag wurde daher zu Recht zu Gericht angenommen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 3 AußStrG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte