OGH 2Ob188/19i

OGH2Ob188/19i27.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** S*****, vertreten durch Dr. Lorenz Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei DI C***** S*****, vertreten durch Dr. Schilchegger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Anif, wegen Realteilung einer Liegenschaft (Streitwert 120.346,20 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 19. September 2019, GZ 1 R 109/19h‑18, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 15. Juli 2019, GZ 10 Cg 38/19z‑12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00188.19I.1127.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.445,28 EUR (darin enthalten 740,88 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Geschwister. Ihr im Jahr 2008 verstorbener Vater war im Grundbuch als Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** Salzburg mit einem dem darauf errichteten Mehrparteienwohnhaus eingetragen. Aufgrund des Einantwortungsbeschlusses des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom ***** 2009 erhielten die Klägerin, der Beklagte und ihre Mutter als Erben unter anderem jeweils einen Anteil von einem Drittel an dieser Liegenschaft. Im Juli 2015 verstarb auch die Mutter. Aufgrund des Einantwortungsbeschlusses des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom ***** 2016 erhielten sowohl die Klägerin als auch der Beklagte im Erbweg unter anderem jeweils einen weiteren Anteil von einem Sechstel an dieser Liegenschaft, sodass sie seitdem insgesamt jeweils mit der Hälfte der Anteile als Miteigentümer dieser Liegenschaft im Grundbuch eingetragen sind.

[2] Mit ihrer im April 2019 eingebrachten Teilungsklage begehrte die Klägerin die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft an dieser Liegenschaft durch richterliche Wohnungseigentumsbegründung, die ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich und tunlich sei. Die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts stützte die Klägerin aufgrund der Lage dieser Liegenschaft auf § 81 Abs 1 JN. Aufgrund des Werts der Liegenschaft sei das Erstgericht nach § 60 Abs 2 JN auch sachlich zuständig. Zwar würden ein Drittel der Anteile an der Liegenschaft der Verlassenschaft nach ihrer Mutter entspringen und zwei Drittel der Verlassenschaft nach ihrem Vater. § 77 Abs 2 JN sei jedoch nicht anzuwenden, weil es sich um keine Erbteilungsklage handle, sondern bloß um die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an der Liegenschaft. Es werde weder die Teilung eines Nachlassvermögens noch die Durchsetzung eines Erbteilungsübereinkommens begehrt. Der bloße Drittelanteil nach der Mutter könnte ohnehin nicht real geteilt werden und sei auch nicht Gegenstand der Klage, sondern die gesamte Liegenschaft. Einer Erbteilungsklage hinsichtlich der Verlassenschaft nach ihrem Vater stünde darüber hinaus die negative Prozessvoraussetzung der materiellen Rechtskraft entgegen, da der Beklagte bereits 2010 eine solche Erbteilungsklage eingebracht habe, die abgewiesen worden sei.

[3] Der Beklagte beantragte die Zurückweisung der Klage und erhob die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Gemäß § 77 Abs 2 JN gehörten Klagen auf Teilung der Erbschaft auch nach rechtskräftiger Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens vor das Gericht, bei dem die Verlassenschaftsabhandlung anhängig gewesen sei. § 81 JN werde bei Erbengemeinschaften von § 77 Abs 2 JN verdrängt. Sämtliche Erwerbstitel der Streitteile als Miteigentümer beruhten auf Einantwortungsbeschlüssen aus gemeinsamen Verlassenschaftsverfahren. Zwischen den Erbengemeinschaften nach der Mutter und nach dem Vater sei zu differenzieren. In beiden herrsche Uneinigkeit über die Erbteilung. Zur Klärung seien jene Gerichte zuständig, bei denen die jeweilige Verlassenschaftsabhandlung anhängig gewesen sei.

[4] Das Erstgericht sprach seine Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück. Die durch Einantwortung begründete Miteigentumsgemeinschaft bestehe seit den angeführten Verlassenschaftsverfahren unverändert. Der Klagegrund liege daher im Erbrecht, sodass gemäß § 77 Abs 2 JN von einer Zuständigkeit des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau auszugehen sei, welches die Verlassenschaftsabhandlung geführt habe.

[5] Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es die Unzuständigkeitseinrede verwarf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

[6] Begründend führte das Rekursgericht aus, die beiden Verlassenschaftsverfahren seien isoliert zu betrachten. Der Umstand, dass die Klägerin ihre rechtliche Position aus zwei verschiedenen Verlassenschaftsverfahren ableite, spreche gegen die Annahme einer Erbteilungsklage. Andernfalls könnten für eine derartige Klage bei verschiedenen Wohnsitzen der Verstorbenen mehrere Abhandlungsgerichte individuell zuständig sein. Die Klägerin begehre nicht nur die Aufteilung des von der Mutter hinterlassenen Miteigentumsanteils, sondern die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an der gesamten Liegenschaft, sodass § 77 Abs 2 JN auf die vorliegende Teilungsklage nicht anwendbar sei. Gemäß § 81 Abs 1 JN sei das Erstgericht daher örtlich und sachlich zuständig.

[7] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, der Oberste Gerichtshof sei noch nicht mit der Frage befasst gewesen, ob § 77 Abs 2 JN auch anzuwenden sei, wenn sich eine Eigentumsgemeinschaft, die aufgehoben werden solle, aus zwei Verlassenschaftsverfahren ableite.

[8] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

[9] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

[10] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist im Ergebnis auch berechtigt.

[11] Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend, gemäß § 77 Abs 2 JN sei nur das Verlassenschaftsgericht berufen, über die Teilung der Verlassenschaft zu entscheiden. Diese Bestimmung verdränge im vorliegenden Fall § 81 JN. Die Klage sei unzulässigerweise auf Teilung zweier Nachlassvermögen gerichtet, nämlich auf jenes nach dem Vater und auf jenes nach der Mutter der Streitteile. Diese Teilungen wären richtigerweise beim Verlassenschaftsgericht, hier dem Bezirksgericht St. Johann im Pongau, in zwei getrennt zu führenden Erbteilungsverfahren durchzuführen.

Rechtliche Beurteilung

[12] Hiezu wurde erwogen:

[13] 1. Die Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN kommt nicht zum Tragen:

[14] Gemäß § 77 Abs 2 JN in der hier noch anzuwendenden Fassung BGBl I 2003/112 gehören Klagen auf Teilung der Erbschaft vor das Gericht, bei dem die Verlassenschaftsabhandlung anhängig ist; dies gilt auch nach Rechtskraft der Einantwortung der Verlassenschaft. Bei § 77 Abs 2 JN handelt es sich um einen individuellen Gerichtsstand, mit dem durch die Verweisung der Rechtssache vor das Abhandlungsgericht sowohl die sachliche als auch die örtliche Zuständigkeit geregelt wird (2 Ob 123/07p; RS0046578). Bei Entscheidungen über das Vorliegen einer individuellen Zuständigkeit ist der Rechtsmittelausschluss nach § 45 JN nur anwendbar, wenn diese lediglich zu einer Zuständigkeitsverschiebung in sachlicher, nicht aber auch in örtlicher Hinsicht führen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil der Beklagte rechtzeitig die Einrede der (örtlichen und sachlichen) Unzuständigkeit des Erstgerichts erhoben hat und die Entscheidung darüber auch die von § 45 JN nicht erfasste örtliche Zuständigkeit betrifft (vgl 2 Ob 123/07p; 5 Ob 292/02f; 7 Ob 571/78; RS0046448 [T1]). Die Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN kommt somit nicht zum Tragen.

[15] 2. Wesen der Erbteilungsklage:

[16] 2.1 Die Individualzuständigkeit des § 77 Abs 2 JN ist eingeschränkt auf Erbteilungsklagen. Das sind Klagen, deren Rechtsgrund im Erbrecht liegt und die auf die Teilung des Nachlassvermögens gerichtet sind, gleichgültig, ob letztere mangels Einigung erst in einer bestimmten Richtung durchgesetzt werden soll oder ein Erbteilungsübereinkommen vorliegt, auf dessen Durchführung die Klage zielt (2 Ob 123/07p; vgl 2 Ob 236/02y; Stefula in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 77 JN Rz 15).

[17] 2.2 Mit dem Tod eines Erblassers, der mehrere Erben hinterlässt, entsteht zwischen diesen zunächst bis zur Einantwortung eine sich auf das Erbrecht beziehende schlichte Rechtsgemeinschaft gemäß den §§ 825 ff ABGB. Nach der Einantwortung werden die Erben, solange keine Erbteilung stattfindet, Miteigentümer der körperlichen Nachlasssachen nach dem Verhältnis ihrer Erbteile. Die Gemeinschaft wird durch Erbteilung aufgehoben, die von jedem Miterben vor oder nach der Einantwortung verlangt werden kann, aber erst mit dieser dinglich wirksam wird; sie erfolgt entweder durch Erbteilungsübereinkommen, für welches Vertragsfreiheit herrscht, oder – mangels Einigung – durch Erbteilungsklage (2 Ob 41/15s mwN; 2 Ob 41/11k; RS0012311).

[18] 2.3 Das Begehren der Erbteilungsklage ist auf Teilung unter Angabe des Wertverhältnisses der jedem Miterben zukommenden Portionen zu richten. Die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an körperlichen Nachlasssachen ist ein Fall der Teilungsklage nach § 830 ABGB und erfolgt entweder durch Real- oder durch Zivilteilung (2 Ob 41/11k; 2 Ob 123/07p; RS0012312). Auch wenn nicht die Teilung des gesamten Nachlasses, sondern nur einzelner Nachlasssachen begehrt wird, kann eine Erbteilungsklage vorliegen (2 Ob 123/07p JBl 2008, 251 [zust

Apathy]), weil nicht alle Nachlasssachen einer Teilung bedürfen und Uneinigkeit der Erben über die Teilung auch nur hinsichtlich einzelner Nachlasssachen bestehen kann (Apathy,JBl 2008, 253).

[19] 3. Es liegt eine Erbteilungsklage über eine Sache aus dem Nachlass des Vaters vor:

[20] 3.1 Zutreffend hat das Rekursgericht hervorgehoben, dass eine Teilung der (gesamten) Liegenschaft nicht mit einer Erbteilungsklage auf Aufhebung der Erbengemeinschaft nach der verstorbenen Mutter erreichbar und im Begehren der Klägerin daher keine Erbteilung der Verlassenschaft nach der Mutter zu erblicken ist. Denn im Nachlass der Mutter befand sich lediglich ein Miteigentumsanteil von einem Drittel an der streitgegenständlichen Liegenschaft. Auch eine Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft nur dieses Drittelanteils wäre nicht möglich, weil zwischen allen Teilhabern einer gemeinschaftlichen Sache bloß ein einziges Rechtsverhältnis existiert, das nur einheitlich aufgehoben werden kann (vgl 5 Ob 12/09i; RS0013245).

[21] Die gegenständliche Liegenschaft war jedoch zur Gänze Nachlassvermögen nach dem Vater. Eine Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft daran war durch Erbteilung zwischen den dortigen Erben, somit den Streitteilen und der Mutter, möglich (Punkt 2.3). Hinsichtlich des Anteils der nachverstorbenen Mutter am Nachlass des Vaters traten nun die Erben nach der Mutter als Gesamtrechtsnachfolger an deren Stelle. Daher kann auch ein (Mit‑)Erbe nach der Mutter die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an der Liegenschaft (nur) durch Erbteilung der Verlassenschaft nach dem Vater erreichen. Bei Aufhebung der Erbengemeinschaft nach dem Vater ist die auf die Mutter entfallene Portion ihren Erben im Verhältnis der ererbten Miteigentumsanteile zuzuteilen. Der Rechtsgrund der Klage liegt somit im vorliegenden Fall im Erbrecht nach dem verstorbenen Vater. Es liegt eine Erbteilungsklage über eine Sache aus dem Nachlass des Vaters vor, die unter § 77 Abs 2 JN fällt.

[22] 3.2 Bei einer solchen Klage ist grundsätzlich der Einwand zulässig, eine „Realteilung“ des ganzen Nachlasses (also etwa die Zuweisung verschiedener Sachen an verschiedene Miterben, allenfalls mit Ausgleichszahlung) sei möglich und habe Vorrang vor der Teilung einer einzelnen Nachlasssache (vgl 2 Ob 41/15s [ErwGr 4.3]). Über die Art der Teilung des Nachlasses zu entscheiden ist aber gemäß § 77 Abs 2 JN das Abhandlungsgericht berufen, weil es am besten über die Verhältnisse des Nachlasses Bescheid weiß ( Simotta in Fasching/Konecny ³ § 77 JN Rz 13 FN 35 unter Hinweis auf die Materialien). Auch aus diesem Grund ist es sinnvoll, dass für die vorliegende Klage das Abhandlungsgericht zuständig ist.

[23] 4. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die Abweisung der Teilungsklage eines Miteigentümers der Teilungsklage eines anderen Miteigentümers nicht entgegensteht. Denn Identität der Ansprüche liegt bei von mehreren Miteigentümern erhobenen Teilungsklagen nicht vor, weil jeder Miteigentümer einen selbständigen Anspruch auf Teilung der gemeinsamen Sache und auch ein eigenes Rechtsschutzinteresse hat. Für den ebenfalls die Teilung anstrebenden Miteigentümer ist keine Gewähr gegeben, dass es aufgrund der Klage des anderen Miteigentümers tatsächlich zur Teilung kommt. Erst mit der Rechtskraft der stattgebenden Entscheidung über eine Teilungsklage ist weiteren Teilungsklagen der Boden entzogen (vgl 6 Ob 22/70 SZ 43/31; Mayr in Fasching/Konecny ³ § 233 ZPO Rz 20; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas 4 § 830 ABGB Rz 34).

[24] 5. Ergebnis:

[25] Im Ergebnis zutreffend hat somit das Erstgericht seine Unzuständigkeit ausgesprochen und die Klage zurückgewiesen. Dessen Beschluss ist wiederherzustellen.

[26] 6. Kosten:

[27] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50 iVm § 41 Abs 1 ZPO.

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