European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00169.20X.1014.000
Spruch:
A. Aus Anlass der außerordentlichen Revision wird das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Dezember 2019, GZ 6 Cg 77/11d-136, in seinem Punkt 2 dahin berichtigt, dass es insofern lautet:
„2a. Die Klageforderung ist durch Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Kostenforderungen der beklagten Partei (einschließlich Zinsen nach § 54a ZPO) im Ausmaß von insgesamt 92.772,80 EUR erloschen.
2b. Die weiteren Gegenforderungen bestehen wie folgt zu Recht:
Kredit 'Kematen': 116.790,90 EUR
Kredit 'Hypo Vorarlberg' bis zur Höhe der restlichen Klageforderung: 146.332,26 EUR“
Die Durchführung der Berichtigung in der Urschrift und den Ausfertigungen obliegt dem Erstgericht.
Der Kläger hat die Kosten der insofern als Berichtigungsantrag zu wertenden außerordentlichen Revision selbst zu tragen.
B. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] A. Zum Berichtigungsbeschluss:
[2] 1. Nach § 419 Abs 1 ZPO kann das erkennende Gericht jederzeit Schreib- und Rechnungsfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten einer Entscheidung berichtigen. Eine Berichtigung kann nach § 419 Abs 3 ZPO auch in höherer Instanz angeordnet werden. Unter einer solchen „Anordnung“ ist nicht eine Weisung an das ursprünglich erkennende Gericht zu verstehen, einen Berichtigungsbeschluss zu fassen, sondern die Berichtigung durch das Gericht höherer Instanz selbst; nur der Vollzug der Berichtigung obliegt dem ursprünglich erkennenden Gericht ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 III/2 § 419 ZPO Rz 15; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 419 Rz 9; beide mwN). Entscheidungen der Vorinstanzen können insbesondere auch aus Anlass der Zurückweisung einer Revision berichtigt werden (4 Ob 34/08s; 5 Ob 14/18x).
[3] 2. Eine solche Berichtigung hat hier zu erfolgen:
[4] 2.1. Die Berichtigung ist zulässig, wenn das, was ausgesprochen wurde, offensichtlich nicht dem Willen des Gerichts zur Zeit der Fällung der Entscheidung entsprochen hat und sich dies aus dem ganzen Zusammenhang und insbesondere aus den Entscheidungsgründen ergibt (RS0041418). Durch die Berichtigung soll der wahre Entscheidungswille zum Ausdruck gebracht werden (RS0041519), der schon vor der Berichtigung den materiellen Gehalt der Entscheidung bestimmt (RS0041489).
[5] 2.2. Im vorliegenden Fall wandte der Beklagte unter anderem Gegenforderungen aufgrund von rechtskräftigen Kostentiteln aus anderen zwischen den Parteien geführten Verfahren aufrechnungsweise ein. In einem solchen Fall ist bei Bestehen der Klageforderung (nur) auszusprechen, dass diese durch Aufrechnung mit den Gegenforderungen erloschen ist; ein Ausspruch über das „Zurechtbestehen“ der Gegenforderungen hat wegen der insofern ohnehin bereits vorliegenden Entscheidungen zu unterbleiben (1 Ob 235/35 SZ 17/58; 4 Ob 36/53 SZ 26/54; 1 Ob 146/16a SZ 2016/126; RS0041017 [T2]). Dennoch wählte das Erstgericht im dreigliedrigen Spruch seiner Entscheidung die Formulierung, dass (auch) die Kostenforderungen „zu Recht“ bestünden. Der Kläger macht das in seiner außerordentlichen Revision als Verstoß gegen die Rechtskraft (Einmaligkeitswirkung) der Kostentitel geltend.
[6] 2.3. In seiner Begründung hat das Erstgericht allerdings ausdrücklich auf die Rechtskraft der Kostentitel hingewiesen. Damit ist ausgeschlossen, dass es durch die von ihm gewählte Formulierung neuerlich über die Kostenersatzansprüche des Beklagten entscheiden und damit im Ergebnis die Rechtskraft (Einmaligkeitswirkung) der Kostentitel verletzen wollte. Seine Formulierung, dass (auch) die Kostenforderungen zu Recht bestünden, ist daher – gemessen am unzweifelhaften Entscheidungswillen – offenbar unrichtig iSv § 419 ZPO. Aus diesem Grund ist Punkt 2 des Urteils dahin zu berichtigen, dass bei den Kostenersatzforderungen des Beklagten nur das durch Aufrechnung bewirkte Erlöschen der Klageforderung ausgesprochen wird. Dabei ist im Spruch nur die Summe der Kostenforderungen (einschließlich der kapitalisierten Zinsen nach § 54a ZPO) zu nennen, die Zusammensetzung der Gegenforderung ergibt sich insofern aus den Entscheidungsgründen des Erstgerichts.
[7] 3. Zwar ist die außerordentliche Revision in diesem Punkt als Berichtigungsantrag zu werten, was grundsätzlich zu einer Kostenersatzpflicht der Gegenseite führen könnte (vgl 4 Ob 34/08s; 5 Ob 14/18x). Allerdings bestand hier kein Zweifel am Entscheidungswillen des Erstgerichts, und die verfehlte Formulierung hatte auch keine nachteiligen Auswirkungen für den Kläger. Sein Antrag war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich. Er hat daher die Kosten seines Schriftsatzes auch insofern selbst zu tragen (§ 40 ZPO).
[8] B. Zur außerordentlichen Revision:
[9] 1. Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts überstieg 30.000 EUR. Daher konnte der Kläger nach § 505 Abs 4 ZPO eine außerordentliche Revision erheben; eine nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision durch das Berufungsgericht (§ 508 ZPO) war weder erforderlich noch möglich. Das Erstgericht hat daher das als „Antrag gem § 508 Abs 1, Revision, außerordentliche Revision“ bezeichnete Rechtsmittel zutreffend unmittelbar dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Es ist als außerordentliche Revision zu behandeln (RS0123405).
[10] 2. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird nicht allein dadurch begründet, dass eine Entscheidung der Vorinstanzen – wie hier – eine offenkundige Unrichtigkeit aufweist, die einer Berichtigung nach § 419 ZPO zugänglich ist (RS0123320). Aus der verfehlten Formulierung des Ausspruchs über die Aufrechnung mit den Kostenforderungen kann die Zulässigkeit der Revision daher nicht abgeleitet werden.
[11] 3. Auch sonst zeigt das Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[12] 3.1. Weshalb die Aufrechnung nur bei Konnexität zwischen der Klage- und den Gegenforderungen zulässig sein soll, ist nicht nachvollziehbar. § 1438 ABGB nennt dieses Erfordernis nicht; § 391 Abs 3 ZPO enthält eine Regelung für den Fall fehlender Konnexität und setzt damit voraus, dass auch prozessual mit nicht konnexen Gegenforderungen aufgerechnet werden kann.
[13] 3.2. Zwar kann der Kläger eine aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung auch noch während des Prozesses durch materiell‑rechtliche (Gegen‑)Aufrechnung mit einer eigenen Forderung tilgen (4 Ob 72/11h). Das Bestehen einer solchen Forderung lässt sich hier aber aus den Feststellungen nicht ableiten. Denn das Erstgericht konnte gerade nicht feststellen, dass Sparbücher der Erblasserin existierten, aus deren angeblicher Zueignung durch den Beklagten der insofern vom Kläger behauptete Ersatzanspruch abgeleitet werden könnte. Auf ein „Anerkenntnis“ des Beklagten hat sich der Kläger im Zusammenhang mit seiner Aufrechnung in erster Instanz nicht berufen.
[14] 3.3. Das Erstgericht hat Feststellungen zu Kreditsalden und Rückzahlungen durch den Beklagten getroffen, aus denen sich Regressansprüche gegen den jeweils solidarisch haftenden Kläger ergeben. An diese Feststellungen ist der Oberste Gerichtshof gebunden; die in der Revision angesprochene Frage der Beweislast stellt sich bei Vorliegen von (Positiv‑)Feststellungen nicht. Soweit der Kläger den Regressforderungen (erkennbar) Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten entgegenhalten will, hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass er sich insofern nicht auf die Tilgung der Regressforderungen durch eine materiell‑rechtliche (Gegen‑)Aufrechnung berufen hat.
[15] 4. Aus diesen Gründen ist das als außerordentliche Revision zu behandelnde Rechtsmittel des Klägers mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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