OGH 2Ob152/16s

OGH2Ob152/16s27.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** AG, *****, vertreten durch Dr. Helmut Weinzettl, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei W*****-AG, *****, vertreten durch Mag. Knuth Bumiller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 42.510,60 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Mai 2016, GZ 16 R 206/15d‑14, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 1. Oktober 2015, GZ 4 Cg 61/15h‑9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00152.16S.1027.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.997,38 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 2.724 EUR Barauslagen, 878,90 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Parteien haften als Haftpflichtversicherer zweier an einem Verkehrsunfall im Jahr 2002 beteiligter Lenker bzw Halter für Schäden, die ein Dritter bei diesem Unfall erlitten hat.

In einem Vorprozess hatte das Erstgericht zunächst nur die hier klagende Partei (dort Viertbeklagte) und den bei ihr versicherten Lenker (dort Drittbeklagter) zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 100.573,99 EUR sowie einer monatlichen Rente von 222,02 EUR ab 1. April 2009 verurteilt und deren Haftung für alle künftigen unfallbedingten Schäden des Dritten festgestellt; das entsprechende Begehren gegen die (hier) beklagte Partei (dort Zweitbeklagte) und den bei ihr versicherten Lenker (dort Erstbeklagter) hatte es abgewiesen. Dagegen hatten sowohl der dortige Kläger als auch die dort dritt- und viertbeklagten Parteien berufen. Der dortige Kläger focht allerdings die Abweisung des Zahlungsbegehrens gegen die dort erst- und zweitbeklagte Partei – anders als jene des Renten- und des Feststellungsbegehrens – nicht zur Gänze, sondern nur im Ausmaß von 48.000 EUR an. Damit wurde die abweisende Entscheidung des Erstgerichts insofern im Betrag von 52.573,99 EUR rechtskräftig.

Das Berufungsgericht gab im Vorprozess der Berufung der dort Dritt- und Viertbeklagten nicht Folge, sodass es insofern beim Zuspruch an den dortigen Kläger blieb. Hingegen gab es der Berufung des Klägers in Ansehung der Erst- und Zweitbeklagten zur Gänze Folge, stellte auch deren (solidarische) Haftung für alle künftigen unfallbedingten Schäden fest und verurteilte sie zur ungeteilten Hand mit der Dritt- und der Viertbeklagten zur Zahlung der Rente sowie (aufgrund der insofern nur eingeschränkten Anfechtung) von 48.000 EUR. Der Zuspruch gegen den Dritt- und die Viertbeklagte (hier Klägerin) war damit um 52.573,99 EUR höher als jener gegen den Erst- und die Zweitbeklagte (hier Beklagte).

In weiterer Folge zahlten die dort zweit‑ und viertbeklagte Partei (= Parteien dieses Verfahrens) jenen Kapitalbetrag, für den sie nach dem Berufungsurteil zur ungeteilten Hand hafteten (48.000 EUR), je zu Hälfte. Die Klägerin allein zahlte den nur ihr gegenüber zugesprochenen Mehrbetrag von 52.573,99 EUR samt Zinsen, was insgesamt 71.255,96 EUR ausmachte, sowie eine Rente von 13.765,24 EUR, insgesamt daher 85.021,20 EUR.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Hälfte dieses Betrags (42.510,60 EUR) samt Zinsen. Sie stützt ihren Anspruch auf § 11 EKHG und § 896 ABGB. Dass die Beklagte nicht mit Urteil zur Zahlung der (weiteren) 52.573,99 EUR samt Zinsen an den Dritten verpflichtet worden sei, ändere nichts daran, dass auch insofern Solidarhaftung bestanden habe. Die Beklagte sei daher in Bezug auf alle von der Klägerin erbrachten Leistungen zum anteiligen Ersatz verpflichtet. Da die Zurechnungsgründe gleich schwer wögen, habe die Beklagte die Hälfte des von der Klägerin aufgewendeten Betrags zu ersetzen.

Die Beklagte wendet ein, dass sie nach den Ergebnissen des Vorverfahrens nicht für die 52.573,99 EUR samt Zinsen (daher für den Betrag von 71.255,96 EUR) hafte. Die Rentenzahlungen von 13.765,24 EUR habe sie bis auf einen geringen Betrag (1.332,12 EUR) ohnehin anteilig ersetzt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Parteien hafteten solidarisch für die Schäden des Dritten. Diese Solidarhaftung und ein allfälliger Regressanspruch hingen nicht davon ab, ob und in welcher Höhe die Forderungen des Dritten tituliert seien. Die Beklagte könne sich daher nicht darauf berufen, dass sie dem Kläger wegen dessen eingeschränkter Anfechtung des Ersturteils im Vorprozess nur für 48.000 EUR hafte. Den vor ihr behaupteten anteiligen Rückersatz der von der Klägerin geleisteten Rentenzahlungen habe sie nicht bewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch von 6.882,62 EUR samt Zinsen und wies das Mehrbegehren von 35.627,98 EUR samt Zinsen ab. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu.

Die Beklagte habe den anteiligen Rückersatz der von der Klägerin gezahlten Renten nicht nachgewiesen, sodass es insofern beim Zuspruch zu bleiben habe. Im Übrigen bestehe ein Regressanspruch aber nur, soweit die Schuldner solidarisch hafteten. Darüber sei im Vorverfahren abgesprochen worden, wobei die Rechtskraft der dort ergangenen Entscheidungen alle Parteien binde. Die Klägerin sei daher nicht regressberechtigt, soweit sie nach den Ergebnissen des Vorverfahrens allein hafte. Wie dort die Urteilsgrundlagen zustande gekommen seien, sei für die Bindungswirkung der Entscheidungen unerheblich.

In ihrer außerordentlichen Revision bekämpft die Klägerin den abweisenden Teil des Berufungsurteils. Die materiell bestehende Solidarhaftung berechtige sie zum Regress, an die zwischen dem Geschädigten und der Beklagten im Vorprozess ergangenen Entscheidungen sei sie nicht gebunden.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Rechtsmittelbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Aus der Entscheidung im Vorprozess ergebe sich, dass für den strittigen Betrag ausschließlich die Klägerin hafte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht zu Unrecht eine Bindung an die Entscheidungen im Vorprozess angenommen hat; sie ist auch berechtigt.

1. Die Beklagte bestreitet nicht, dass die Parteien für die Schäden des Dritten nach § 8 EKHG solidarisch haften und dass die beiderseitigen Zurechnungsgründe gleich schwer wiegen. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte (abgesehen von den nicht mehr strittigen Rentenleistungen) die Hälfte jenes Ersatzes geleistet, für den die Parteien auch nach den Entscheidungen im Vorprozess solidarisch hafteten. Strittig ist, ob sich der Regressanspruch der Klägerin auch auf jenen Betrag erstreckt, den nach diesen Entscheidungen nur die Klägerin, nicht aber die Beklagte zu zahlen hatte.

2. Ausgangspunkt für die Erwägungen ist der Grundsatz, dass ein Gesamtschuldner einem anderen nur so weit ausgleichspflichtig ist, als die Solidarverpflichtung gegenüber dem Geschädigten reicht (4 Ob 45/74; RIS-Justiz RS0017438 [insb T4], zuletzt etwa 6 Ob 276/02k). Wären daher beide Parteien zur Zahlung von Schadenersatz in gleicher Höhe verurteilt worden, bestünde kein Zweifel am Regressanspruch. Auch bei freiwilliger Zahlung durch eine Partei wäre die andere zum anteiligen Rückersatz verpflichtet; die Regress fordernde Partei müsste aber nach allgemeinen Grundsätzen beweisen, dass der Anspruch des Gläubigers tatsächlich in der von ihr geleisteten Höhe bestanden hat. Gleiches würde gelten, wenn der Geschädigte nur einen der beiden Schädiger gerichtlich belangt hätte: Zahlte dieser den zugesprochenen Betrag, könnte er vom anderen anteiligen Regress verlangen. Eine Bindung an das zwischen dem Geschädigten und dem zahlenden Schuldner ergangene Urteil bestünde allerdings nur im Fall einer Streitverkündung (6 Ob 324/97h SZ 70/241). Sonst könnte der Regresspflichtige einwenden, dass der vom anderen Schädiger erfüllte (titulierte) Anspruch nicht oder nur in geringerer Höhe bestanden habe.

3. Das Problem des vorliegenden Falls liegt nun darin, dass gegen beide Schädiger Urteile vorliegen, die – trotz unstrittiger Anwendbarkeit von § 8 EKHG – aus rein verfahrensrechtlichen Gründen (bloße Teilanfechtung der Abweisung durch den Kläger) eine Zahlungspflicht in unterschiedlicher Höhe vorsehen. Dazu ist Folgendes zu erwägen:

3.1. § 11 EKHG ist lex specialis zum allgemeinen Gesamtschuldnerregress nach § 896 ABGB (2 Ob 112/10z; Apathy in Koziol/Apathy/Koch , Österreichisches Haftpflichtrecht 3 [2014] Rz 88 mwN); er konkretisiert das in der letztgenannten Bestimmung angesprochene „besondere Verhältnis“ zwischen mehreren Beteiligten an einem Verkehrsunfall, die einem Dritten haften ( Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 896 Rz 2; Gamerith / Wendehorst in Rummel/Lukas 4 § 896 Rz 4). Soweit § 11 EKHG keine besonderen Regelungen trifft, sind auf das nach § 8 EKHG begründete Gesamtschuldverhältnis die allgemeinen Bestimmungen der §§ 891 ff ABGB anzuwenden.

3.2. Zu diesen Bestimmungen gehören insbesondere § 894 und § 896 S 3 ABGB: Die Befreiung nur eines Mitschuldners – also ohne ausdrückliche oder konkludente Befreiung auch der anderen Schuldner (vgl dazu 6 Ob 120/14m mwN) – begünstigt die anderen nicht (RIS‑Justiz RS0017310), beeinträchtigt aber auch nicht deren Regressanspruch (7 Ob 201/06v, SZ 2006/137; Riedler in Schwimann/Kodek 4 § 896 Rz 1; Gamerith / Wendehorst in Rummel/Lukas 4 § 896 Rz 35; Perner in Klang 3 §§ 893, 894 Rz 8 und § 896 Rz 78). Ein Regressanspruch besteht daher auch dann, wenn der darauf in Anspruch genommene Schädiger dem Geschädigten für den vom anderen Schädiger gezahlten Betrag aufgrund einer nur ihm gewährten Befreiung nicht haftet.

3.3. Hätte daher der geschädigte Dritte im vorliegenden Fall auf Ansprüche gegen die (hier) Beklagte rechtsgeschäftlich verzichtet und folgerichtig von vornherein keine Klage gegen sie erhoben, bestünde kein Zweifel, dass die Klägerin dennoch im Umfang der bis zum Verzicht materiell bestehenden Solidarhaftung einen Regressanspruch gehabt hätte. Dass der „Verzicht“ (im untechnischen Sinn) erst später – durch teilweise Nichtanfechtung des zur Gänze abweisenden Ersturteils – erfolgte, kann an dieser materiellen Rechtslage nichts ändern. Insbesondere gestaltet die Rechtskraft der (teil‑)abweisenden Entscheidung nicht die materielle Rechtslage; die in diese Richtung weisende materielle Rechtskrafttheorie (dazu Fasching / Klicka in Fasching/Konecny 2 § 411 Rz 19) wird in der österreichischen Rechtsprechung und Lehre einhellig abgelehnt (1 Ob 545/95m, SZ 68/103 = JBl 1996, 463 [ Deixler-Hübner ]; 1 Ob 354/97h, SZ 70/262; Fasching / Klicka aaO § 411 Rz 20 ff mwN). Materiell‑rechtlich besteht daher kein Zweifel am Bestehen des Regressanspruchs.

3.4. Auch verfahrensrechtliche Erwägungen führen zu keinem anderen Ergebnis: Die Rechtskraft einer Entscheidung erfasst, von Fällen einer gesetzlichen Rechtskrafterstreckung abgesehen (etwa § 28 KHVG), nur die Parteien des jeweiligen Verfahrens (RIS-Justiz RS0041567, RS0041572). Solidarschuldner bilden keine einheitliche Streitpartei; das gegen einen ergangene Urteil wirkt daher nicht gegen die übrigen (RIS‑Justiz RS0017421). Die Beklagte ist daher in Bezug auf die Höhe des Schadens nicht an das gegen die Klägerin ergangene Urteil gebunden. Umgekehrt kann sie sich aber auch nicht gegenüber der Klägerin auf die Teilabweisung des gegen sie selbst erhobenen Begehrens berufen. Das folgt schon daraus, dass die Klägerin als eine der Beklagten im Vorprozess keine Möglichkeit hatte, auf die Entscheidung über das Rechtsverhältnis zwischen dem dortigen Kläger und einer anderen Beklagten (dh der Beklagten des vorliegenden Verfahrens) Einfluss zu nehmen. Daher wäre eine Bindung mit Art 6 EMRK unvereinbar (RIS-Justiz RS0074953). Hätte der Geschädigte die Schädiger in getrennten Verfahren in Anspruch genommen, bestünde von vornherein kein Zweifel, dass die Entscheidungen keine wechselseitige Bindungswirkung entfalten könnten. Der bloße Umstand, dass über die Ansprüche im selben Verfahren entschieden wurde, begründet keinen tragfähigen Unterschied.

3.5. Soweit der Entscheidung 9 ObA 46/97y (DRdA 1998, 34 [ Kerschner ]; krit Fasching / Klicka in Fasching/Konecny 2 § 411 Rz 105) Gegenteiliges entnommen werden könnte, ist ihr nicht zu folgen:

(a) In diesem Verfahren hatte ein Geschädigter in einem Vorprozess Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Schadenersatz geklagt. Der Klage wurde gegen den Arbeitnehmer stattgegeben, gegen den Arbeitgeber wurde sie abgewiesen. Im Regressprozess des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber (§ 1014 ABGB analog) bejahte der Oberste Gerichtshof eine Bindung des Arbeitgebers an die die Haftung des Arbeitnehmers bejahende Entscheidung, weil der Arbeitgeber im Vorprozess als eine mit dem Arbeitnehmer „gleichberechtigte Hauptpartei“ ohnehin ausreichend Gelegenheit gehabt habe, Einwendungen „gegen den dort geltend gemachten Klageanspruch“ zu erheben. Weiters hätte der Arbeitgeber als Nebenintervenient ein (besseres) Rechtsmittel zugunsten des Arbeitnehmers einbringen und damit (auch) den gegen diesen erhobenen Anspruch abwehren können.

(b) Diese Entscheidung greift jedenfalls insofern zu kurz, als der Arbeitgeber als selbst beklagte „Hauptpartei“ kein Vorbringen zum gegen den Arbeitnehmer erhobenen Anspruch erstatten konnte. Eine Bindung könnte daher nur aus der unterlassenen Nebenintervention abgeleitet werden. Selbst wenn man aber eine solche Nebenintervention einer Hauptpartei für möglich hielte, hätte die Annahme einer Bindung wegen deren Unterbleiben im vorliegenden Fall fragwürdige Konsequenzen: Folgt man der Logik von 9 ObA 46/97y, könnte man der Klägerin hier vorwerfen, sie hätte im Vorprozess durch Nebenintervention auf Seiten des dortigen Klägers die Verurteilung (auch) der (hier) Beklagten zur Zahlung des gesamten Schadens durchsetzen können; wegen ihrer Untätigkeit sei sie an die diesbezügliche Teilabweisung gebunden. Aufgrund derselben Logik könnte aber auch umgekehrt argumentiert werden, die Beklagte habe im Vorprozess nicht auf Seiten der Klägerin des vorliegenden Verfahrens interveniert (dh nicht den dort gegen diese erhobenen Anspruch bekämpft) und sei daher ihrerseits an das gegen die Klägerin ergangene Urteil gebunden. Allein diese Konsequenz einer wechselseitigen, in sich widersprüchlichen Bindung zeigt, dass die in 9 ObA 46/97y angenommene Rechtsfolge jedenfalls dann verfehlt ist, wenn keine Streitverkündung (1 Ob 2123/96d, SZ 70/60; RIS-Justiz RS0107338) vorgenommen wurde und auch tatsächlich keine Nebenintervention (7 Ob 159/07v, SZ 2007/187) erfolgte.

(c) Wie in diesem Zusammenhang Fälle einer wechselseitigen Streitverkündung oder einer doppelten Nebenintervention zu beurteilen wären, kann hier offen bleiben. Denn die Annahme einer Bindung wegen einer bloß möglichen Nebenintervention, wie sie offenbar der Entscheidung 9 ObA 46/97y zugrunde liegt, hat jedenfalls keine Grundlage im Verfahrensrecht und führte unter Umständen zu den aufgezeigten fragwürdigen Ergebnissen. Sie ist daher schon aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen. Eine Bindung der Klägerin an die Teilabweisung im Vorprozess kann daher auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie im Vorprozess (theoretisch) auf Seiten des dortigen Klägers hätte intervenieren können, um auch die Verurteilung der hier Beklagten zur Zahlung des gesamten Betrags zu erwirken.

4. Der Abweisungsgrund des Berufungsgerichts trägt daher nicht. Da die Beklagte die Höhe des vom Dritten erlittenen Schadens, die diesbezüglichen Leistungen der Klägerin und die Regressquote von 50 % nicht bestritten hat, ist das zur Gänze stattgebende Ersturteil wiederherzustellen.

5. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Die vom Gläubiger (nur) einem von mehreren Solidarschuldnern gewährte Befreiung berührt nicht den Regressanspruch eines zahlenden Mitschuldners. Das gilt auch dann, wenn die „Befreiung“ faktisch dadurch erfolgte, dass die Klage des Gläubigers gegen den nun auf Regress in Anspruch genommenen Mitschuldner ganz oder teilweise abgewiesen wurde. Der Regressberechtigte ist an diese Entscheidung auch dann nicht gebunden, wenn er aufgrund einer zugleich auch gegen ihn erhobenen Klage Streitgenosse seines Mitschuldners war. Die Frage, ob und bis zu welchem Betrag der andere Mitschuldner dem Gläubiger haftete, ist daher auch in diesem Fall vorfrageweise im Regressprozess zu beurteilen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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