OGH 2Ob151/24f

OGH2Ob151/24f15.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Josef Lagler, Rechtsanwalt in Frauenkirchen, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch Dr. Karl‑Heinz Götz, Dr. Rudolf Tobler jun, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wegen Abtretung des eingeantworteten Nachlasses sowie 16.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Mai 2024, GZ 5 R 79/24k‑68, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 22. März 2024, GZ 2 Cg 27/23i‑57, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00151.24F.1015.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.730,30 EUR (darin enthalten 455,05 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Dem beklagten Sohn der 2006 verstorbenen Erblasserin wurde ihr Nachlass mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 6. 11. 2006 aufgrund des Gesetzes zu zwei Dritteln eingeantwortet.

[2] Die Klägerin ist die Tochter einesüber ihren 2021 gestellten Antrag mit Beschluss vom 20. 1. 2022 für tot erklärten Sohnes der Erblasserin. Als Zeitpunkt des Todes wurde der 31. 12. 1991 festgesetzt. Im Nachlassverfahren war der Vater der Klägerin zwar bekannt, galt aber als seit 20 Jahren unauffindbar und kinderlos.

[3] Die Klägerin wusste seit 1986, dass ihr Vater verschollen war und hatte auch Kenntnis vom Tod der Erblasserin.

[4] Mit ihrer am 15. 3. 2023 bei Gericht eingebrachten – nur insoweit noch revisionsgegenständlicher – Erbschaftsklage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Abtretung der Hälfte des ihm zu zwei Dritteln eingeantworteten Nachlasses.

[5] Der Beklagte wendet Verjährung ein, weil nach dem 31. 12. 2019 die Geltendmachung von Ansprüchen aus „Altsachverhalten“ nicht mehr möglich sei.

[6] Das Erstgericht wies die Erbschaftsklage wegen Verjährung ab.

[7] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Rechtlich ging es davon aus, dass die Verjährung der Erbschaftsklage schon vor Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 zu laufen begonnen habe. Der Geltendmachung habe kein rechtliches Hindernis iSd § 1478 Satz 2 ABGB entgegengestanden, weil weder eine Sterbeurkunde noch eine vorherige Todeserklärung des Vaters der Klägerin Voraussetzung für die Geltendmachung ihres Erbrechts gewesen sei. Die kurze Frist des § 1487a ABGB sei daher gemäß § 1503 Abs 7 Z 9 Satz 2 ABGB kenntnisunabhängig mit 31. 12. 2019 abgelaufen. Sollte das Nichtvorliegen einer Todeserklärung ein rechtliches Hindernis für die Erhebung der Erbschaftsklage darstellen und § 1478 Satz 2 ABGB auch für den Beginn des Fristenlaufs nach § 1487a ABGB beachtlich sein, hätte die Klägerin in Kenntnis, dass ihr Vater verschollen und die Erblasserin verstorben war, dennoch nicht mit der Einleitung des Todeserklärungsverfahrens bis 2021 zuwarten dürfen. Die Erbschaftsklage sei daher auch aus diesem Grund verjährt. Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob für die Erhebung einer Erbschaftsklage das Vorliegen einer Sterbeurkunde oder einer Todeserklärung eines Vorverstorbenen Voraussetzung seiund bejahendenfalls, ob § 1487a ABGB eine Sonderregel zu § 1478 Satz 2 ABGB darstelle.

[8] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, ihrer Erbschaftsklage stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Der Beklagte beantragt die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision der Klägerin ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[11] 1. Wenn der Anspruch aus einem – hier unstrittig vorliegenden – „Altsachverhalt“ zum 1. 1. 2017 nach altem Recht noch nicht verjährt war, beginnt die kurze dreijährige Frist nach § 1487a ABGB idF ErbRÄG 2015 gemäß § 1503 Abs 7 Z 9 Satz 2 ABGB unabhängig von einer Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen durch den Anspruchsberechtigten jedenfalls mit dem 1. 1. 2017, sodass ein davon betroffener Anspruchsgegner nach dem 31. 12. 2019 nicht mehr mit der Geltendmachung solcher Ansprüche rechnen muss (RS0134175 = 2 Ob 174/22k). Dies gilt aber dann nicht, wenn die Verjährungsfrist vor dem Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 noch nicht einmal zu laufen begonnen hat (RS0134193 = 2 Ob 175/22g).

[12] 2. Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem das Recht „zuerst hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis mehr entgegensteht (RS0034343). Maßgeblich ist die objektive Möglichkeit der Geltendmachung (RS0034382). Subjektive oder nur in der Person des Berechtigten liegende Gründe haben keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährung (RS0034248). Diese Grundsätze gelten – jedenfalls zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 – auch für die Erbschaftsklage (vgl 5 Ob 116/12p Pkt 3.5.6), die – sofern damit keine letztwillige Verfügung umgestoßen werden musste – der 30-jährigen Verjährungsfrist unterlag (RS0013139).

[13] 3. Mit der Erbschaftsklage will der wahre Erbe unter Behauptung eines besseren Rechts vom Scheinerben die gänzliche „Abtretung“ der Erbschaft oder des seiner Berechtigung entsprechenden Teils (RS0041422). Daher muss der Erbschaftskläger sein Erbrecht, also den Erbanfall und den in seiner Person eingetretenen Berufungsgrund beweisen, allenfalls dabei einen anderen Titel anfechten und dartun, dass dem Beklagten zu Unrecht eingeantwortet wurde (2 Ob 39/19b Pkt 2.6).

[14] 4. Ob das Nichtvorligen einer Sterbeurkunde oder einer Todeserklärung eines Verschollenen ein dem Verjährungsbeginn entgegenstehendes rechtliches Hindernis iSd § 1478 Satz 2 ABGB zur Erhebung der Erbschaftsklage darstellt und § 1487a ABGB als Sonderregel zu § 1478 Satz 2 ABGB zu verstehen ist, bedarf hier aber keiner Klärung.

[15] 5. Das Berufungsgericht ist nämlich davon ausgegangen, dass selbst unter der Annahme, dass eine fehlende Sterbeurkunde oder Todeserklärung ein einem Verjährungsbeginn entgegenstehendes rechtliches Hindernis iSd § 1478 Satz 2 ABGB darstellt und § 1487a ABGB keine Sonderregel zu § 1478 Satz 2 ABGB enthält, die Klägerin den Verjährungsbeginn jedenfalls nicht durch Zuwarten mit der Einleitung des Todeserklärungsverfahrens hinausschieben habe können, sodass ihre Erbschaftsklage auch deshalb verjährt sei. Diese selbstständig tragfähige Hilfsbegründung bekämpft die Revision nicht und vermag schon aus diesem Grund keine für die Entscheidung der Rechtssache erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen (RS0118709 [T1]). Ihre Revision war daher zurückzuweisen.

[16] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit hingewiesen.

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