European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00132.15Y.0412.000
Spruch:
Den außerordentlichen Revisionen wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Teilzwischenurteil wird dahingehend abgeändert, dass es als Teil‑ und Teilzwischenurteil zu lauten hat:
„Das Leistungsbegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 25.598,10 EUR samt 4 % Zinsen seit 8. März 2010 binnen 14 Tagen zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht.
Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 12.799,05 EUR samt 4 % Zinsen seit 8. März 2010 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Am 24. 1. 2009 gegen 20:45 Uhr ereignete sich in L***** auf der Rodelbahn im Bereich des sogenannten H***** ein Unfall, an dem die Klägerin als Rodlerin und ein vom Erstbeklagten gelenktes und vom Zweitbeklagten gehaltenes Pistengerät beteiligt waren.
Die Rodelbahn wird von der Bergstation bis zu einer Jausenstation geführt. Letztere steht im Eigentum der Drittbeklagten und wird von dieser betrieben, der Zweitbeklagte betreibt die Bergstation. Er ist Inhaber einer Veranstaltungsstättengenehmigung für den Betrieb der Rodelbahn. Die Drittbeklagte oder ihre Mitarbeiter kassieren das für die Rodelbahn zu bezahlende Entgelt und leiten es an den Zweitbeklagten weiter. Davon werden neue Rodeln angeschafft und wird die Piste repariert. Auch die Beleuchtung der Piste wird mit diesem Geld bezahlt. Die Investitionen werden vom Zweit‑ und der Drittbeklagten gemeinsam durchgeführt, hauptsächlich vom Zweitbeklagten. Als Betreiber der Rodelbahn treten der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte auf.
Die Unfallstelle liegt im mittleren Drittel der Rodelbahn, die dort ident ist mit der blau markierten Schipiste Nr 2, wenig oberhalb einer nahezu rechtwinkeligen Abzweigung der Schipiste Nr 2 nach links. Rund 10 bis 25 m unterhalb der Unfallstelle quert ein Weg die Piste. Die Rodelbahn verläuft ab diesen Weg nicht mehr auf der Schipiste, sondern in einer leichten Linkskurve über den Weg hinaus weiter nach unten. Rund 80 m oberhalb der Unfallstelle befindet sich eine Kuppe, die Piste ist dort 25 bis 28 m breit und verbreitert sich im Unfallbereich auf 30 m. Oberhalb der Kuppe beträgt das Gefälle der Rodelbahn 14 bis 18 % (8 bis 10 Grad), von der Kuppe bis rund 15 m oberhalb der Unfallstelle 18 bis 21 % (10 bis 12 Grad) und auf Höhe des Unfallbereichs 27 bis 33 % (15 bis 18 Grad). Die Rodelbahn hat im Unfallbereich keine Querneigung. Es bestand eine Schneeauflage von 30 bis 40 cm, die Rodelbahn war nicht glatt.
Die Klägerin fuhr in einer aus 12 bis 15 Personen bestehenden Gruppe im Rahmen einer „Mondscheinrodelfahrt“, für die sie 7 EUR bezahlt hatte, gegen 21:00 Uhr mit dem Erstbeklagten auf der von ihm gelenkten Pistenraupe zum Beginn der Rodelbahn bei der Bergstation. Dort wendete der Erstbeklagte sein Gerät und fuhr am rechten Pistenrand mit ca 20 km/h wieder talwärts, was für alle Teilnehmer der Rodelfahrt erkennbar war. Eine Einweisung der Rodler erfolgte nicht. Der Erstbeklagte sagte den Teilnehmern nur, dass die Rodelbahn im beleuchteten (linken) Pistenbereich verlaufe. Die Klägerin ist keine geübte Rodlerin, das letzte Mal vor dem Vorfall rodelte sie in ihrer Kindheit. Für den talwärtsfahrenden Rodler war weder eine Begrenzung der Rodelbahn auf dem linken Pistenbereich noch erkennbar, dass sich Rodler lediglich auf der linken beleuchteten Pistenseite aufhalten sollten.
Die Klägerin war bei den letzten Gruppenmitgliedern, die die Rodelfahrt begannen. Sie fuhr am linken Pistenrand talwärts. Jedenfalls im Bereich der Kuppe ‑ die Rodelbahn verläuft davor durch ein Waldstück ‑ nahm die Klägerin in einer Entfernung von 80 m die vom Erstbeklagten gelenkte und beleuchtete Pistenraupe am rechten Fahrbahnrand wahr. Die Sicht auf diese Pistenraupe war auch schon oberhalb der Kuppe möglich und das Pistengerät durch den Wald erkennbar. Der Erstbeklagte bemerkte einen anderen Rodler, der mit dem Kopf nach vorne auf dem Bauch liegend auf der Rodel talwärts fuhr, und verringerte daher seine Geschwindigkeit, kam jedoch nicht ganz zum Stillstand. Die Klägerin wollte links an der Pistenraupe vorbeifahren, verlor aber aus nicht mehr feststellbaren Gründen nach der Kuppe die Kontrolle über ihre Rodel und fuhr vom linken Pistenrand über eine Entfernung von 80 m in gerader Linie ohne Änderung ihrer Fahrlinie auf die Pistenraupe zu. Sie versuchte mit den Füßen im Schnee zu bremsen, was nicht erfolgreich war, stieß mit dem Kopf gegen den Schild des Pistengeräts und geriet mit Hüften und Beinen unter dessen Ketten.
Andere Rodler konnten entweder links an der Pistenraupe vorbeifahren oder blieben am rechten Pistenrand im dort befindlichen Tiefschnee stehen oder konnten vor der Pistenraupe anhalten. Einige Rodler blieben im Zuge der Rodelfahrt auch im Waldstück oberhalb der Kuppe stehen, weil ihnen die Geschwindigkeit der Rodel zu groß wurde. Zwei Teilnehmer wurden dabei von der Klägerin überholt.
Die erhöhte Neigung der Piste nach der Kuppe war schon davor erkennbar. Ein Stehenbleiben oberhalb der Kuppe wäre für die Klägerin jedenfalls möglich gewesen, weil die Neigung der Piste in diesem Bereich mit 14 bis 18 % relativ gering war. Auch wenn die Klägerin gleich nach der Kuppe zu bremsen begonnen hätte, hätte sie aufgrund der davor langsamen Geschwindigkeit der Rodel diese im ersten Drittel der Entfernung zur Pistenraupe abbremsen können. Zwischen dem linken Pistenrand und der Pistenraupe verblieb jedenfalls eine Breite von 15 m, es wäre daher auch möglich gewesen, links am Pistengerät vorbeizufahren. Die Klägerin hätte den Unfall weiters durch einen Notsturz von der Rodel vermeiden können, wenn sie diesen 10 bis 15 m vor dem Kollisionspunkt durchgeführt hätte. Auch mit einem Anheben der Rodel im vorderen Bereich wäre es möglich gewesen, vor der Raupe stehen zu bleiben.
Die Klägerin begehrt Schmerzengeld sowie sonstigen unfallkausalen Schadenersatz und die Feststellung der Solidarhaftung der Beklagten für zukünftige unfallkausale Schäden. Sie habe die „Mondscheinrodelfahrt“ bei der drittbeklagten Partei gebucht, der Erstbeklagte habe die Gruppe ohne irgendwelche Einweisung verlassen und sei talwärts abgefahren. Die Rodelpiste sei spiegelglatt und schlecht ausgeleuchtet gewesen. Bei einer Engstelle habe der Erstbeklagte die Pistenraupe, an der die Klägerin habe vorbei fahren wollen, beschleunigt, sodass es zur für die Klägerin unvermeidbaren Kollision gekommen sei. Der Erstbeklagte als Lenker der Pistenraupe und der Zweitbeklagte als deren Halter hafteten der Klägerin nach den Bestimmungen des ABGB und EKHG, die Drittbeklagte aus Vertrag. Der Erstbeklagte sei auch als Erfüllungsgehilfe der vertraglichen Pflichten der Drittbeklagten anzusehen.
Die Beklagten bestritten und brachten vor, dass das EKHG auf den Vorfall nicht anwendbar sei. Die Rodelstrecke sei nicht vereist und ausreichend ausgeleuchtet gewesen. Der Unfall sei für den Erstbeklagten unvermeidbar gewesen und ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Klägerin keine ihrem eigenen Fahrkönnen und den Pisten‑ und Sichtverhältnissen angepasste Geschwindigkeit eingehalten und die Kontrolle über die Rodel verloren habe. Die Drittbeklagte sei nicht Betreiberin der Rodelbahn. Im Übrigen treffe die Klägerin jedenfalls ein Mitverschulden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das EKHG sei auf das Pistengerät nicht anzuwenden. Dessen Anwesenheit sei im vorliegenden Fall vom Beginn der Rodelbahn bekannt und sein konkreter Aufenthalt im Unfallbereich bereits vor der Kuppe erkennbar gewesen. Die Klägerin habe mehrfache Möglichkeiten gehabt, vor der Pistenraupe abzubremsen bzw an dieser vorbei zu fahren. Auch weil der Bereich der Rodelbahn an der Unfallstelle aufgrund der gegebenen Neigung als schwierig zu bezeichnen sei, habe die Klägerin als ungeübte Rodlerin besondere Sorgfalt dahingehend an den Tag legen müssen, die Rodel jederzeit zum Stillstand bringen zu können, was auch anderen Gruppenteilnehmern möglich gewesen sei. Die Kollision mit der Pistenraupe liege daher in ihrem alleinigen Verantwortungsbereich.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass es mit Teilzwischenurteil das Leistungsbegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erachtete und in Bezug auf das Feststellungsbegehren die Entscheidung des Erstgerichts (ohne Rechtskraftvorbehalt) aufhob. Verkehrssicherungs-pflichten auf einer Rodelbahn seien wie auf Schipisten zu beurteilen. Obwohl hier die Rodelbahn im Unfallbereich äußerst steil gewesen sei, sei der Erstbeklagte, der die Rodler auch nicht eingewiesen habe, ohne Notwendigkeit noch vor statt erst nach diesen talwärts gefahren. Die Klägerin habe aus ungeklärter Ursache die Kontrolle über ihre Rodel verloren, die Unklarheit gehe zu Lasten der Beklagten, weil den Verkehrssicherungspflichtigen die Beweislast für das Mitverschulden des Geschädigten treffe. Ein Mitverschulden der Klägerin liege nicht vor, weil dann, wenn ein Verkehrsteilnehmer bei einer plötzlich auftretenden Gefahr zu schnellem Handeln gezwungen eine unrichtige Maßnahme treffe, dies kein Mitverschulden bedeute. Die Klägerin habe, wenn auch erfolglos, versucht, die Rodel zu bremsen; ob ihr erkennbar gewesen sei, dass sie mit einem Notsturz die Kollision vermeiden hätte können, stehe nicht fest. Auch diese Unklarheit gehe zu Lasten der Beklagten. Es sei eine Überspannung der Sorgfaltspflichten in eigenen Angelegenheiten, von einer ungeübten Rodlerin wie der Klägerin zu verlangen, zusätzlich zum Bremsen mit den Füßen noch eine weitere Reaktion, wie das Anheben der Rodel oder einen Notsturz, zu verlangen. Dass es für die Klägerin möglich gewesen wäre, zu erkennen, dass sie bei der verbleibenden Pistenbreite von 15 m am Pistengerät vorbeifahren könne, stehe, weil die Klägerin die Kontrolle über die Rodel verloren habe, nicht fest. Mangels eigenen Mitverschuldens der Klägerin treffe die Beklagten daher das Alleinverschulden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richten sich die außerordentlichen Revisionen sämtlicher Beklagten , jeweils mit dem Antrag, die klageabweisende erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen; in eventu wird jeweils ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Revisionen sind zulässig, weil das Berufungsgericht die (Mit‑)Verschuldensfrage korrektur-bedürftig unrichtig beurteilt hat und auch ein Pistengeräteunfall auf einem Rodelweg bisher noch nicht durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen war.
Die klagende Partei beantragt in ihrer freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revisionen zurückzuweisen, in eventu ihnen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat Folgendes erwogen:
I. Revisionsvorbringen der erst‑ und der zweitbeklagten Partei:
I.1. Soweit die Revisionswerber sowohl in der Zulassungsrüge als auch unter den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit geltend machen, dass die Pistenraupe nicht, wie vom Berufungsgericht angenommen, (erst) aus einer Entfernung von 80 m erkennbar gewesen sei, kommt es darauf nicht entscheidungswesentlich an.
I.2. Weiters verweisen sie in der Zulassungsrüge darauf, dass 1) der Erstbeklagte lediglich der Lenker des Pistengeräts gewesen sei, seine Pistenhalterhaftung daher nicht in Frage komme, und das Berufungsgericht einen anderen Haftungsgrund in Bezug auf den Erstbeklagten nicht nenne; 2) die Übertragung der Rechtsprechung zum Einsatz von Pistengeräten bei einer „Rodelbahn“ wie hier nicht sachgerecht sei und 3) auch die Frage des Mitverschuldens vom Berufungsgericht unrichtig beurteilt worden sei. Es treffe die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden im Umfang von zumindest zwei Drittel.
II. Revisionsvorbringen der Drittbeklagten:
Auch diese meint, das Berufungsgericht habe die Rechtsprechung zum Einsatz von Pistenfahrzeugen auf Pisten unreflektiert auf den hier abweichenden Sachverhalt einer „Nachtrodelpiste“ ohne sonstigen Schibetrieb angewendet. Es fehle Judikatur, inwieweit ein talwärtsfahrendes Pistengerät, das zuvor die Rodler an den Ausgangspunkt der Rodelbahn gebracht habe, ein atypisches Hindernis darstelle. Im Übrigen sei nur der Zweitbeklagte Betreiber der Rodelbahn, die Drittbeklagte gebe lediglich in der Jausenstation Rodeln aus und leite das Entgelt an den Zweitbeklagten weiter. Aus diesen Umständen eine Mithaftung der Drittbeklagten als Halterin des Wegs der Rodelbahn abzuleiten, sei unrichtig. Letztlich treffe die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden.
III. Ob ihrer weitgehend übereinstimmenden Argumentation werden die Rechtsmittel zweckmäßigerweise im Folgenden gemeinsam behandelt:
III.1. Zur Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Pistenhalterhaftung:
Nach der Rechtsprechung zur Pistenhalterhaftung übernimmt mit Abschluss des Beförderungsvertrags der Liftunternehmer als Pistenhalter die Pflicht, im unmittelbaren Bereich des von ihm eröffneten Schiverkehrs die körperliche Integrität seiner Vertragspartner durch nach der Verkehrsauffassung erforderliche und zumutbare Maßnahmen zu schützen (2 Ob 30/10s ZVR 2012/7 mwN). Er hat daher ebenso wie seine Leute im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Nach ständiger Rechtsprechung hat er demnach atypische Gefahren zu sichern, das sind solche Hindernisse, die der Schifahrer nicht ohne weiters erkennen, und solche, die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann (RIS‑Justiz RS0023417; 2 Ob 30/10s, 2 Ob 49/09h). Im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht sind der Pistenhalter und seine Leute also grundsätzlich verpflichtet, dort entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wo den Schifahrern durch nicht oder nur schwer erkennbare Hindernisse Gefahren drohen (RIS‑Justiz RS0023255).
Den Revisionswerbern ist zuzugestehen, dass sich die Judikatur zur Haftung für den Einsatz von Pistengeräten bzw für die von diesen Geräten ausgehende atypische Gefahr in aller Regel auf Schipisten bezieht, die mit dem Pistengerät entgegen der Fahrtrichtung der Schifahrer benutzt werden, und in diesem Zusammenhang davon ausgeht, dass dann, wenn sich der Einsatz der Pistenraupe während des allgemeinen Schibetriebs als unumgänglich erweist, geeignete Maßnahmen zu treffen sind, um Pistenbenützer zu warnen und zu schützen (RIS‑Justiz RS0023786; 3 Ob 232/12g, 2 Ob 30/10s, 2 Ob 113/09w SZ 2010/11 = ZVR 2010/157 [ Ch. Huber ]).
Zu Rodelbahnen wurde ausgesprochen, dass atypische Gefahren einer Rodelbahn solche sind, die bei zweckgerechter Bahnbenützung über die mit dem Rodeln normalerweise verbundenen Gefahren hinausgehen, mit denen der Benützer daher nicht rechnet und die für ihn noch dazu nicht ohne weiteres erkennbar sind (RIS‑Justiz RS0106491).
Nun ist richtig, dass hier die festgestellte Talwärtsfahrt des Erstbeklagten nach seinem Wendemanöver bei der Bergstation den Rodlern von Beginn an erkennbar war und darüber hinaus auch der konkrete Aufenthaltsort der Pistenraupe vor dem Unfall gut sichtbar (Seite 7 des Ersturteils: „schon oberhalb der Kuppe [rund 80 m oberhalb der Unfallstelle] und durch den Wald“) war.
Im Zusammenhang mit weithin sichtbaren Hindernissen, wie Stehern auf der Piste (3 Ob 136/06f) bzw Liftstützen (1 Ob 63/11p ZVR 2012/33 [ Ch. Huber ]) hat der Oberste Gerichtshof aber bereits ausgesprochen, dass ein atypisches Hindernis auch dann vorliegt, wenn dieses trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeidbar ist. Dies wurde in den genannten Entscheidungen jeweils in Steilhängen von ansonsten mittelschweren Abfahrten bei einem Gefälle von rund 40 % im jeweiligen Unfallbereich angenommen.
Eine Pistenraupe ist zwar grundsätzlich kein solches fixes und starres Hindernis. Durch das gleichzeitige Abfahren mit der Rodlergruppe blieb sie jedoch hier sehr wohl ein permanentes Hindernis ‑ und überdies bestand die (sich letztlich auch verwirklichte) Gefahr, jederzeit und daher auch im steileren Bereich der vorliegend blauen Piste wegen einzelner Teilnehmer der Rodlergruppe erforderlichenfalls (fast) zum Stillstand kommen zu müssen und damit für die jeweils nachkommenden Rodler eine atypische Gefahr im Sinne der dargelegten schweren Vermeidbarkeit trotz Erkennbarkeit des Hindernisses zu erzeugen.
Insoweit kann daher die Rechtsprechung zu den atypischen Gefahren auf Schipisten jedenfalls auch auf den hier konkret zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt durchaus übertragen werden.
III.2. Zur Haftung des Erstbeklagten:
Der Erstbeklagte macht geltend, dass ihn die Pistenhalterhaftung nicht treffe. Dies ist grundsätzlich richtig. Allerdings schließt die Haftung des Geschäftsherrn aus Vertrag eine eigene (deliktische) Haftung des Gehilfen gegenüber dem Geschädigten nach allgemeinen Grundsätzen nicht aus (RIS‑Justiz RS0022801, RS0022481). Bei der Kollision der Klägerin mit dem vom Erstbeklagten gelenkten Pistengerät ist ein absolut geschütztes Recht der Klägerin, nämlich ihre Gesundheit (§ 1325 ABGB), beeinträchtigt worden. Jeder hat sich aber so zu verhalten, dass möglichst keine Verletzung absolut geschützter Rechte eintritt. Welches Verhalten dabei noch erlaubt und daher nicht rechtswidrig ist, bestimmt sich nach der Verkehrsüblichkeit und der allgemeinen sozialen Erfahrung ( Welser/Zöchling‑Jud , Bürgerliches Recht II 14 , Rz 1541 f und 1394).
Darauf hat sich die Klägerin zwar nicht ausdrücklich gestützt, dieser Haftungsgrund lässt sich aber aus ihrem Tatsachenvorbringen ableiten (RIS‑Justiz RS0036973, RS0037662, RS0037659; vgl auch Rechberger/Klicka in Rechberger ZPO 4 , Vor § 226 Rz 14).
Der Erstbeklagte hat die Rodlergruppe von 12 bis 15 Leuten zum Ausgangspunkt der Rodelbahn gebracht und ihnen (nur) mitgeteilt, dass die Rodelbahn im Bereich des linken Teils der Piste, der ausgeleuchtet war, situiert ist. Er ist sodann vor der Rodlergruppe am rechten Pistenrand mit einer Geschwindigkeit von rund 20 km/h zu Tal gefahren. Angesichts dieser Vorgangsweise war klar, dass sich der Erstbeklagte mit seiner Pistenraupe mehr oder weniger gemeinsam mit der Gruppe talwärts bewegen würde.
Die davon ausgehende, unter III.1. dargestellte Gefahr hätte der Erstbeklagte ‑ wie auch das Berufungsgericht angenommen hat ‑ leicht verhindern können, wenn er statt dessen erst hinter (nach) den Rodlern talwärts gefahren wäre und dies abgewartet hätte.
Seine Verhaltensweise ist daher nicht mehr als erlaubt im Sinne der einleitenden Ausführungen und damit als rechtswidrig in Bezug auf das absolut geschützte Recht der Klägerin zu qualifizieren.
Er handelte insoweit auch schuldhaft, weil keinerlei Hinweis besteht ‑ und auch gar nicht behauptet wird ‑, dass ihm all dies nicht erkennbar gewesen wäre (§ 1297 ABGB).
III.3. Zur Haftung der Drittbeklagten:
Die Klägerin hat ihre Ansprüche gegenüber der Drittbeklagten auf Vertragshaftung gestützt. Nach den Feststellungen bezahlte die Klägerin für die „Mondscheinrodelpartie“. Die Drittbeklagte bzw ihre Mitarbeiter kassieren das von den Rodlern zu bezahlende Entgelt und leiten es an den Zweitbeklagten weiter.
Soweit die Drittbeklagte behauptet, nicht Betreiberin der Rodelbahn zu sein, geht sie nicht von den Feststellungen des Erstgerichts (Ersturteil S 6) aus. Auch bestreitet sie nicht, das Entgelt für die konkrete Rodelfahrt entgegengenommen zu haben. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben muss aber derjenige, der nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter eines anderen Verträge abschließt, dies eindeutig zum Ausdruck bringen, wenn es für den Vertragsteil nicht ohne weiteres erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0019558). Im Zweifel liegt ein eigengeschäftliches Handeln vor (RIS‑Justiz RS0019516, RS0019558 [T9]).
Da die Drittbeklagte eine solche Offenlegung nicht gemacht hat und dies für die Klägerin nicht erkennbar war, ist davon auszugehen, dass die Drittbeklagte Vertragspartnerin wurde, und der Klägerin grundsätzlich daher aus diesem Vertrag haftet.
Das Verhalten des Erstbeklagten ist daher auch der Drittbeklagten gemäß § 1313a ABGB zuzurechnen.
III.4. Zum Mitverschulden der Klägerin:
Nach ständiger Rechtsprechung ist auch ein Rodler grundsätzlich selbst für seine Sicherheit verantwortlich und hat dem der Sportausübung anhaftenden Verletzungsrisiko
durch kontrolliertes und daher bestehenden (erkennbaren) Gefahren Rechnung tragendes Verhalten zu begegnen (1 Ob 104/10s ZVR 2011/244, 1 Ob 75/02i ZVR 2003/20; RIS‑Justiz RS0023686 [T2]; Fluch, Zu den Sorgfaltspflichten von Rodelfahrern, Zak 2011, 127).
Bei der Klägerin handelte es sich nach den Feststellungen um eine ungeübte Rodlerin, die überdies wusste, dass die Pistenraupe vor ihr talwärts fuhr und diese jedenfalls im Bereich der Kuppe aus einer Entfernung von mindestens 80 m vor der Kollisionsstelle konkret wahrnehmen konnte. In diesem Bereich war auch die erhöhte Neigung der Piste nach der Kuppe erkennbar. Trotz mehrfacher Möglichkeiten der Klägerin, die Kollision zu verhindern, blieb sie aber weder im Bereich der Kuppe stehen, wo die Neigung der Piste noch relativ gering war, noch versuchte sie links am Pistengerät vorbeizufahren oder nach dem Verlust der Kontrolle über ihre Rodel ein ausreichendes Bremsmanöver oder einen Notsturz durchzuführen, obwohl es anderen Rodlern durchaus gelang, entweder links an der Pistenraupe vorbeizufahren oder am rechten Pistenrand oder noch vor der Pistenraupe oder überhaupt oberhalb der Kuppe stehen zu bleiben.
Damit ist die Klägerin als Rodlerin aber nicht ihren Verpflichtungen in eigenen Angelegenheiten (§ 1304 ABGB) nachgekommen und es ist ihr daher ein Mitverschulden am Zustandekommen der Kollision in Höhe der Hälfte anzulasten, sodass die Entscheidung des Berufungsgerichts in diesem Sinne abzuändern und das über 50 % hinausgehende Leistungsbegehren abzuweisen war.
IV. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 4 ZPO iVm § 393 Abs 4 ZPO.
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