European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00131.23P.0725.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Das Rekursgericht verbot der Beklagten gestützt auf § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheidung über das – im Wesentlichen inhaltsgleiche – Unterlassungsbegehren im Hauptverfahren, (Niederschlags‑)Wasser von ihrem Haus aus auf das Haus des Klägers, im Wege der aneinanderliegenden Feuermauern der Gebäude unmittelbar und/oder in einem das ortsübliche Maß übersteigenden Ausmaß eindringen zu lassen. Den ordentlichen Revisionsrekurs lies das Rekursgericht zur Frage zu, ob es sich bei einer bloß teilweisen Abtragung eines Hauses (hier: Öffnung der Dachhaut im Zuge von Aufstockungsarbeiten) um eine „Veranstaltung“ im Sinn der Rechtsprechung zu § 364 ABGB handle.
Rechtliche Beurteilung
[2] Der vom Kläger beantwortete ordentliche Revisionsrekurs der Beklagten, mit dem sie die Wiederherstellung des den Sicherungsantrag abweisenden Beschlusses des Erstgerichts anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
[3] 1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erfordert eine unmittelbare Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB, dass sie durch eine „Veranstaltung“ bewirkt wird, die für eine Einwirkung gerade in Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist (RS0010635). Sie setzt voraus, dass durch den belangten Nachbarn überhaupt eine Veränderung (seines Grundstücks) erfolgte (vgl RS0117337 [T3]). Der Begriff „Veranstaltung“ soll ausdrücken, dass Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundes hinzunehmen sind (RS0010635 [T12]), nicht aber Änderungen der natürlichen Gegebenheiten, die zu Immissionen auf den Nachbargrund führen (vgl RS0010635 [T3]), wie dies etwa bei einer Veränderung der natürlichen (Wasser-)Abflussverhältnisse durch ein Bauwerk (RS0010635 [T22]; RS0115461 [T3]) oder der Änderung einer natürlichen Regenabflusssituation (RS0117337 [T1]) der Fall ist. Eine unmittelbare Zuleitung setzt daher im Ergebnis ein begünstigendes menschliches Handeln voraus (RS0129058 = 8 Ob 79/13w). So wurde bereits bei Ausbau eines Dachbodens der Regenwassereintritt in eine darunterliegende Wohnung als unmittelbare Zuleitung qualifiziert (RS0010635 [T10] = 5 Ob 444/97y).
[4] 2. Wenn das Rekursgericht das auf die Öffnung der Dachhaut im Zuge der Aufstockung zurückzuführende Eindringen von Niederschlagswasser vom Gebäude der Beklagten ins angrenzende, in gekuppelter Bauweise errichtete Gebäude des Klägers als unmittelbare Zuleitung qualifiziert hat, hält sich dies im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung.
[5] 3. Die vom Revisionsrekurs ins Treffen geführte Entscheidung 9 Ob 18/15k betraf einen (gänzlichen) Gebäudeabbruch, der dazu führte, dass das Gebäude des dortigen Klägers wieder den natürlichen Witterungsverhältnissen ausgesetzt wurde. Der Oberste Gerichtshof führte aus, die dort Beklagte sei nicht verpflichtet, die durch den Abbruch ihres Hauses wiederhergestellten natürlichen Einwirkungen durch den Wasserablauf und den Niederschlag auf das Haus des Klägers, wie sie auch ohne Haus der dort Beklagten schon immer bestanden hätten, künstlich zu regulieren (9 Ob 18/15k Pkt 5.). Von einer bloßen Wiederherstellung der natürlichen Witterungseinwirkungen wie sie ohne das Gebäude der Beklagten bestünden, kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein, dringt doch Niederschlagswasser aufgrund der Öffnung der Dachhaut in das Gebäude der Beklagten ein und gelangt von dort ins Gebäude des Klägers. Entscheidend ist nicht, ob ein gänzlicher oder partieller Gebäudeabbruch vorliegt, sondern, ob mit dem Abbruch bloß die natürlichen, ohne das Gebäude vorherrschenden Einwirkungen durch Niederschlagswasser wiederhergestellt werden, was einem Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB entgegenstünde.
[6] Ob der Kläger seine Feuermauer von innen abdichten und damit das Eindringen von Wasser aus dem Haus der Beklagten verhindern könnte, ist nicht entscheidend.
[7] Ebenso wenig ist – entgegen dem Revisionsrekurs – eine unmittelbar auf die Einwirkung gerichtete Tätigkeit erforderlich. Die Eröffnung der Möglichkeit zum Wassereintritt durch die Abbrucharbeiten genügt (vgl RS0010635 [T9]). Auf die „Absicht“ der Beeinträchtigung bzw ein zielgesteuertes Verhalten kommt es nicht an (vgl RS0117337; 1 Ob 206/15y Pkt 2.).
[8] 4. Der Kostenausspruch beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Diese zweckentsprechenden Rechtsverteidigungskosten im Zwischenstreit über die Zulässigkeit sind ihm schon im Provisorialverfahren zu ersetzen. Sie unterliegen nicht dem aus § 393 Abs 1 EO abgeleiteten Kostenvorbehalt (RS0005677).
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