Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.819,08 EUR (darin 303,18 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Auftrag vom 22. 4. 2005 erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag zur Durchlasssanierung der Bahnstrecke Kufstein-Brenner bei Kilometer 87.573 zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des ÖBB-Konzerns für Bauaufträge. Darin findet sich folgende Bestimmung:
„3.6 Schutz von Personen und Sachen
Der Auftragnehmer hat für die Einhaltung der zum Schutz von Personen und Sachen bestehenden allgemeinen und der im Einzelfall seitens der Bahndienststellen bekannt gegebenen besonderen Vorschriften (Unfallverhütungsvorschrift, Vorschriften für das Arbeiten an oder in der Nähe von Bahnstromanlagen, DV EL 52) unter eigener Verantwortung zu sorgen. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, den Auftraggeber gegenüber allen Ansprüchen Dritter, die daraus erwachsen, dass diese Vorschriften vom Auftragnehmer oder seinen Leuten nicht eingehalten werden, zur Gänze schad- und klaglos zu halten. Er hat die bei den bau- und elektrotechnischen Dienststellen erhältliche „Sammlung der Merkblätter zum Schutz gegen die Gefahren des Bahnbetriebes“ zu beschaffen und sie jedem beim Bau Beschäftigten vor Aufnahme der Arbeiten auszufolgen. Empfang und Kenntnisnahme der Sammlung der Merkblätter sind von diesen unterschriftlich zu bestätigen. Diese Bestätigungen sind vom Auftragnehmer aufzubewahren.“
Die Beklagte führte im Rahmen dieses Auftrags Bauarbeiten an der Brennerbahn durch. Am 1. 6. 2005 ereignete sich dabei ein Arbeitsunfall, bei dem der AUVA-Pflichtversicherte Michael S***** (im Folgenden auch als Verletzter bezeichnet) als Facharbeiter der Beklagten dadurch verletzt wurde, dass er im Zuge des Abladens einer Eisenstange mit der 15.000 Volt stromführenden Fahrleitung der Bahn in Kontakt geriet.
Etwa eine Woche vor dem Unfall organisierte der Mitarbeiter der ÖBB, Andreas O*****, der bei der ÖBB eine Doppelfunktion innehatte, nämlich einerseits als Bauhofleiter und andererseits als Kontaktperson zur Beklagten, den Transport für die Verlegung der Baustelle nach Patsch in den Bereich südlich des Patscher Tunnels.
Kurzfristig wurde am 1. 6. 2005 den Mitarbeitern der Beklagten, dem Verletzten und Anton E*****, mitgeteilt, dass dringende Arbeiten bei einer anderen Baustelle, nämlich im Bereich von Patsch bei Eisenbahnkilometer 83.050 verrichtet werden mussten. Es handelte sich bei diesen Arbeiten zwar grundsätzlich um die gleichen Arbeiten wie im Bereich Ellbögen, nämlich die Errichtung von Durchlässen (Gerinne) und Ankerungsarbeiten, sie standen jedoch miteinander nicht im Zusammenhang. Für die Baustelle bei Kilometer 83.050 wurde ein schriftlicher Auftrag an die Beklagte nicht erteilt, der konkrete Auftragsinhalt ist nicht feststellbar. Die ÖBB forderten für diese Baustelle bei Kilometer 83.050 von der Beklagten weder die Bekanntgabe eines unmittelbar Verantwortlichen noch die Bekanntgabe eines Anordnungsbefugten an. Die Beklagte betraute niemanden mit diesen Funktionen.
Die ÖBB hatten Andreas O***** als örtlich Aufsichtsführenden auf der Baustelle bei Kilometer 83.050 eingeteilt, dieser war jedoch vom 26. 5. bis 13. 6. 2005 auf Urlaub, eine Vertretung war nicht eingeteilt worden. Für diese Baustelle war somit nur der auf Urlaub befindliche Andreas O***** als örtlich Aufsichtsführender eingeteilt, kein sonst unmittelbar Verantwortlicher, somit auch niemand, der dafür zuständig gewesen wäre, für die Einhaltung der Sicherheitsabstände zu den Oberleitungen zu sorgen oder die Abschaltung des Stroms zu veranlassen. Grundsätzlich trifft den örtlich Aufsichtsführenden nicht nur die Verpflichtung zu kontrollieren, ob die Arbeiten ordnungsgemäß ausgeführt werden, und die Bautagebücher zu kontrollieren, sondern auch, die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften wie etwa die Einhaltung der Abstände zu gewährleisten und dafür zu sorgen, ob Gegenstände in diese Abstände hereinragen.
An der Baustelle bei Kilometer 83.050 waren lediglich vier Personen tätig, nämlich als Mitarbeiter der ÖBB der Fahrer des Arbeitszugs, Johann R*****, und der Führer des Arbeitszugs, Anton El*****, und für die Beklagte der Verletzte und Anton E*****. Nachdem der Arbeitszug zur neuen Baustelle gefahren war und sich dort im Stillstand befand, bediente Johann R***** den Ladekran. Aufgabe von Anton El***** war, für die Betriebsbereitschaft des Arbeitszugs zu sorgen, so etwa Fahrgenehmigung, Sperre von Strecken zu beantragen, mit der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften betreffend das Arbeiten unter Elektroleitungen hatte er nichts zu tun.
Anlässlich der Verlegung der Baustelle wurden die Mitarbeiter der hier Beklagten durch die hier klagende Partei nicht eingewiesen, auch der Verletzte wurde durch Anton E***** für die neue Baustelle nicht eingewiesen. Üblicherweise werden Mitarbeiter der hier Beklagten, die wiederholt auf Baustellen der ÖBB eingesetzt werden, über die wesentlichen Gefahren von der hier Beklagten eingeschult. Ob ihnen dabei auch die Merkblätter zum Schutz gegen die Gefahren des Bahnbetriebs ausgehändigt wurden, ist nicht feststellbar. Insbesondere ist nicht feststellbar, ob diese Merkblätter jemals an den Verletzten ausgehändigt worden waren.
Bei der Baustelle in Patsch verblieb die Oberleitung mit 15 kV stromführend, da niemand von der ÖBB die Anweisung erteilt hatte, den Strom abzuschalten. Ob den Mitarbeitern der Beklagten an der Baustelle bei Kilometer 83.050 mitgeteilt worden war, dass die Leitung stromführend ist, ist nicht feststellbar; die konkrete Höhe der Oberleitung wurde ihnen nicht mitgeteilt. An der Baustelle bei Kilometer 87.573 in Ellbögen war im Gegensatz dazu beim Aufladen des Materials und beim Abladen des Materials die Oberleitung nicht stromführend, der Strom war abgeschaltet. Üblicherweise wurde bei Baustellenverlegungen der Strom der Fahrleitung für die Dauer der Ladetätigkeiten abgeschaltet, außer es handelte sich lediglich um das Abladen kleinerer Gegenstände. Dem Verletzten waren grundsätzlich die Gefahren im Bereich des Bahnbetriebs aufgrund der Schulungen, die der Vorarbeiter Anton E***** regelmäßig in der Dauer von etwa 15 Minuten über die jeweiligen Gefahren je nach Baustelle gehalten hatte, bekannt. Ob dem Verletzten am Unfalltag bewusst war, dass die Oberleitung stromführend war, ist nicht feststellbar.
Im Unfallbereich ist die Höhe des Fahrleitungsdrahts vom Boden gemessen ca 5,35 m, die Ladekante des Flachwagens betrug 1,23 m, sodass eine aufrechte auf dem Materialwagen stehende Person von einer Körpergröße von 1,84 m zur Oberleitung einen Abstand (gemessen vom Kopf) von nur mehr 2,28 m hatte. Ein derart geringer Sicherheitsabstand ist nur für Elektro-Fachkräfte zulässig. Hinzu kommt, dass ein Fehler bei der Handhabung der 7,70 m langen Eisenstange zwangsläufig zu einem Unfall führen muss.
Der Verletzte stand auf dem Flachwagen und war damit beschäftigt, die 7,70 m langen Sicherungseisen, das sind Eisenstangen mit einem Durchmesser von 2,5 cm, vom Wagon abzuladen, Anton E***** war zur gleichen Zeit damit beschäftigt, westlich der Gleisanlagen die Staplergabel eines Krans herauszuziehen, und stand mit dem Rücken zu den Gleisanlagen. Eine Anweisung, wie der Verletzte die Sicherungseisen abzuladen hätte, gab es nicht. Der Verletzte hatte solche Sicherungseisen bereits an anderen Baustellen abgeladen, wobei er die Eisenstangen üblicherweise einfach vom Wagon abgeworfen hatte. Aus nicht bekannten Gründen stellte der Verletzte eine der Stangen nahezu senkrecht auf und geriet dabei direkt in den 15 kV führenden Fahrleitungsdraht, wodurch er zu Boden und die Eisenstange auf die Gleistrasse geschleudert wurden. Seine Arbeitskleidung fing sofort Feuer, er erlitt Verbrennungen zweiten und dritten Grades im Gesicht, im Oberkörperbereich, an den Armen und am Hals.
Der Verletzte arbeitet inzwischen wieder als Schaler bei der hier Beklagten. Als Dauerfolgen des Unfalls ist seine rechte Hand taub, er hat Störungen im Bereich der dortigen Nerven. Zusätzlich leidet er seit dem Unfall an Epilepsie.
Beim Erstgericht klagte die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) die hier klagende Partei als Beklagte (im Folgenden: Vorprozess). Die nunmehrige Beklagte trat dort als Nebenintervenientin auf Beklagtenseite bei. Im Vorprozess begehrte die dortige Klägerin, die dortige Beklagte gemäß § 332 ASVG zur Zahlung von 37.836 EUR sA zu verpflichten und festzustellen, dass ihr die Beklagte für alle künftigen Pflichtleistungen, die sie dem genannten Pflichtversicherten aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 1. 6. 2005 zu erbringen hat, soweit sie im Schaden Deckung finden, gemäß § 332 ASVG ersatzpflichtig sei.
Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. 7. 2009 wurde im Vorprozess dem Leistungsbegehren mit 18.918 EUR sA und dem Feststellungsbegehren zur Hälfte stattgegeben. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht im Vorprozess aus, die dort Beklagte (hier Klägerin) habe ihre Fürsorgepflicht als Werkbestellerin schuldhaft verletzt. Auch die Gefährdungshaftung nach dem EKHG bestehe, weil der Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses iSd § 9 EKHG nicht erbracht worden sei. Den Verletzten treffe aber ein Mitverschulden, er hätte sich angesichts der einschlägigen Bestimmungen der Elektrobetriebsvorschrift nicht auf die Stromabschaltung der Oberleitung verlassen dürfen. Nach der Schwere der beiderseitigen Zurechnungsgründe scheine eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 angemessen.
Die dortige Beklagte und nunmehrige Klägerin zahlte aufgrund dieses Urteils an die AUVA 18.918 EUR.
Die Klägerin begehrt im vorliegenden Verfahren von der Beklagten die Zahlung von 12.216 EUR sA, resultierend aus 50 % jener Zahlung, die die Klägerin aus dem Vorprozess an die AUVA zuzüglich Zinsen und eigenen und gegnerischen Verfahrenskosten bezahlt hatte. Weiters begehrt sie die Feststellung, dass ihr die Beklagte für alle künftigen Pflichtleistungen im Ausmaß von 25 % hafte, die die AUVA dem Verletzten aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 1. 6. 2005 zu erbringen hat, soweit sie im Schaden Deckung finden, den der Pflichtversicherte ohne Berücksichtigung der Leistungen aus der Sozialversicherung unmittelbar gegenüber der Klägerin geltend zu machen berechtigt wäre. Sie brachte dazu vor, sie habe bei der Auftragserteilung an die Beklagte ihre AGB vereinbart, weshalb die Beklagte verpflichtet gewesen sei, für die Einhaltung der zum Schutz von Personen und Sachen bestehenden allgemeinen und der im Einzelnen von den Bahnbediensteten bekannt gegebenen besonderen Vorschriften, wie der DV EL 52 (Elektrobetriebsvorschrift), unter eigener Verantwortung zu sorgen. Die Beklagte habe vertragswidrig keine ausreichenden Schutzmaßnahmen für Personen ergriffen. Sie habe auch gegen die Sicherheitsvorschriften des § 39 EisbG (aF) verstoßen, wonach die „Vornahme sonstiger Handlungen“ im Gefährdungsbereich der Eisenbahn nicht zulässig seien. Bei Einhaltung der Betriebsvorschriften wäre der Arbeitsunfall unterblieben. Der Beklagten falle bei diesen Verstößen grobe Fahrlässigkeit zur Last, weshalb sie ein Mitverschulden von zumindest 25 % am Unfall treffe. Die Klägerin habe iSd § 1358 ABGB durch Zahlung des im Vorprozess auferlegten Schadenersatzbetrags den Regressanspruch der AUVA nach § 334 ASVG erworben. Aber auch gemäß der wiedergegebenen Vereinbarung, wonach die Beklagte die Klägerin gegenüber allen Ansprüchen Dritter wegen Verletzung von Schutzvorschriften schad- und klaglos zu halten habe, stehe der Klägerin ein eigener Schadenersatzanspruch aus Vertragsverletzung zu, dem das Haftungsprivileg des § 333 ASVG nicht entgegenstehe. Da die Höhe der Schadenersatzansprüche der AUVA gegenüber der Klägerin noch nicht abschließend beurteilt werden könnte, habe die Klägerin ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.
Die Beklagte wandte ein, der Verletzte sei im Unfallszeitpunkt ihr Dienstnehmer gewesen. Den Arbeitsunfall habe sie nicht vorsätzlich verursacht, weshalb die AUVA keinen Anspruch gegen sie habe. Haftungserklärungen der Beklagten in Verträgen mit der Klägerin könnten nicht dazu führen, dass die gesetzliche Haftungsbefreiung der Beklagten nach § 333 ASVG abbedungen würde und über die Hintertüre wieder hereinkäme. Auch eine Haftung der Beklagten nach § 334 ASVG für grob fahrlässiges Verhalten des Dienstgebers oder einer ihm gemäß § 333 Abs 4 ASVG gleichgesetzten Person sei nicht gegeben. Vielmehr trage die Beklagte keinerlei Verschulden am Arbeitsunfall, der auf eine unwillkürliche Bewegung des Verletzten und somit auf einen bloßen Zufall zurückzuführen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, nach § 333 Abs 1 ASVG würden sämtliche aus einem Arbeitsunfall sich ergebenden Schadenersatzansprüche, soweit sie Personenschäden betreffen und sich gegen den Dienstgeber oder die ihm Gleichgestellten richten, abschließend geregelt und damit alle anderen Haftungsgründe, insbesondere auch nach ABGB, EKHG oder anderen Haftpflichtvorschriften, ausgeschlossen werden. Der klageweise geltend gemachte Anspruch unterfalle auch nicht der zwischen den Parteien vereinbarten Schad- und Klagsloshaltung in Punkt 3.6. der AGB der Klägerin.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es vertrat folgende Rechtsansicht:
Die Frage, ob die Beklagte das Dienstgeberhaftungsprivileg nach § 333 ASVG genieße, sei im Vorprozess nicht gegenständlich und nicht entscheidungswesentlich gewesen, denn die Haftung der nunmehrigen Klägerin gegenüber der AUVA sei davon unabhängig gewesen, ob die Beklagte ihrerseits gegenüber dem geschädigten Versicherten hafte oder nicht. Deshalb sei irrelevant, ob die nunmehrige Beklagte als Nebenintervenientin auf Beklagtenseite im Vorprozess dies eingewendet habe oder nicht. Dementsprechend könne das Urteil des Vorprozesses für das gegenständliche Verfahren insofern keine Bindungswirkung entfalten. An dieser Rechtslage würde sich auch nichts ändern, wenn die nunmehrige Klägerin oder die nunmehrige Beklagte im Vorprozess eingewendet hätte, dass auch der Klägerin gegenüber dem Geschädigten infolge von dessen Eingliederung in den Betrieb der Klägerin eine Rechtsposition als Dienstgeberin und damit das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zukomme. Dieser Einwand hätte nämlich ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Geschädigten bzw der AUVA betroffen, nicht aber jenes zwischen den nunmehrigen Streitteilen. In Bezug auf den Einwand des Dienstgeberhaftungsprivilegs nach § 333 ASVG entfalte somit das im Vorprozess ergangene Urteil für den gegenständlichen Rechtsstreit keine Bindungswirkung.
§ 334 Abs 1 ASVG gewähre einen originären zivilrechtlichen Aufwandersatzanspruch des Sozialversicherungsträgers, der unabhängig davon bestehe, ob dem Verletzten ein privatrechtlicher Anspruch zustehe. Der Zweck liege darin, general- und spezialpräventiv die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu erreichen und das Interesse der Betriebe an der Unfallverhütung zu erhöhen, indem die durch den Ausschluss des Direktanspruchs des Verletzten entfallende zivilrechtliche Sanktion teilweise ausgeglichen werden solle. Mache der Sozialversicherungsträger den auf ihn nach § 332 Abs 1 ASVG übergegangenen Anspruch des Versicherten gegenüber dem Schädiger geltend, so decke der Schädiger durch seine Zahlung eine materiell eigene Schuld ab. Mit dieser Zahlung erfülle er daher nicht den wegen allenfalls vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schadensverursachung durch den Dienstgeber dem Sozialversicherungsträger nach § 334 Abs 1 ASVG zustehenden originären Aufwandersatzanspruch. Da § 1358 ABGB nur (materiell) fremde Schulden erfasse, sei er hier nicht anwendbar und könne sich die Klägerin für den geltend gemachten Anspruch darauf nicht erfolgreich berufen.
Werde ein Arbeitsunfall durch mehrere Schädiger verursacht und verschuldet und zahle einer von ihnen an den iSd § 332 Abs 1 ASVG „regressierenden“ Sozialversicherungsträger, so erwerbe dieser Schädiger einen Regressanspruch nach §§ 896, 1302 ABGB gegen die übrigen Schädiger. Voraussetzung eines solchen Regressanspruchs sei aber, dass der Mitschädiger auch tatsächlich haftungspflichtig sei. Sei der Mitschädiger Dienstgeber des verletzten Dienstnehmers, so genieße dieser Mitschädiger das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG. Er hafte daher außer bei - hier nicht vorliegender - vorsätzlicher Schadenszufügung nicht und könne daher auch nicht vom Mitschädiger zum Regress nach §§ 896, 1302 ABGB herangezogen werden (2 Ob 37/95). Im Hinblick auf das Haftungsprivileg sei somit eine Belastung des Dienstgebers mit Regressansprüchen des Dritten, der den ganzen Schaden allein ersetzt habe, ausgeschlossen.
Die Klägerin könne sich auch nicht erfolgreich auf die Verletzung werkvertraglich vereinbarter Schutz- und Sorgfaltspflichten durch die Beklagte gegenüber ihrem Arbeitnehmer berufen. Neben § 333 ASVG sei kein Raum für eine schadenersatzrechtlich relevante werkvertragliche Nebenpflicht, den Besteller vor den Folgen des Haftungsprivilegs für einen nicht privilegierten weiteren Schädiger zu schützen. Die Annahme einer solchen Pflicht unterliefe die vom Gesetzgeber in § 333 Abs 1 ASVG getroffene Wertung (2 Ob 37/95 = RIS-Justiz RS0085257). Dieser Grundsatz gelte auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Dienstgeber als Werkunternehmer gegenüber dem Werkbesteller die Verpflichtung übernommen habe, den Werkbesteller hinsichtlich von Ansprüchen Dritter, die daraus erwachsen, dass der Werkunternehmer Vorschriften des Werkbestellers zum Schutz der Arbeitnehmer nicht eingehalten habe, schad- und klaglos zu halten. Das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG sei eine zwingende Vorschrift, der auch durch eine solche vertragliche Freistellungserklärung nicht der Boden entzogen werden dürfe. Der Gesetzgeber habe die Haftungsfreistellung des zur Sozialversicherung beitragenden Dienstgebers deshalb bestimmt, weil dieser nicht doppelt belastet werden solle, indem er auch noch schadenersatzpflichtig werde; die Unfallversicherung habe eine Ablösefunktion (2 Ob 37/95).
Dieses Ergebnis sei durch die Gesetzeslage und die höchstgerichtliche Judikatur getragen, wenngleich die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum mangelnden Regressanspruch des Mitschädigers gegenüber dem privilegierten Dienstgeber in der Lehre auf Kritik gestoßen sei. Neumayr in Schwimann, ABGB3, § 333 ASVG Rz 53, führe ins Treffen, dass durch das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG grundsätzlich der Dienstnehmer belastet sei. Es überrasche deshalb, dass im Falle eines fahrlässig handelnden Zweitschädigers neben dem Dienstgeber der geschädigte Dienstnehmer vollen Schadenersatzanspruch gegen den Zweitschädiger habe, dem aber wiederum der Regress gegen den Dienstgeber abgeschnitten sei, während etwa dem Sozialversicherungsträger der Griff auf den Dienstgeber nach § 334 ASVG erhalten bleibe. Die deutsche Rechtsprechung spreche sich deshalb für die „absolute Außenwirkung“ des Dienstgeberhaftungsprivilegs aus, gestatte aber dem Sozialversicherungsträger die Inanspruchnahme von Mitschädigern nur im Rahmen der Haftungsquote, die auch beim Ausgleich unter Gesamtschuldnern auf diese entfiele. Der Anspruch gegen einen Zweitschädiger werde um jenen Teil gekürzt, den im Innenverhältnis zwischen den Schädigern der haftungsprivilegierte Dienstgeber zu tragen gehabt hätte („gestörte Gesamtschuld“).
Diese Lösung der deutschen Rechtsprechung sei im österreichischen Recht aber wegen § 332 ASVG nicht möglich, weil hier eine Legalzession des gesamten Schadenersatzanspruchs des geschädigten Dienstnehmers normiert sei, sodass eine Kürzung des auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Anspruchs um die auf den haftungsprivilegierten Dienstgeber entfallende Quote nicht gesetzeskonform wäre.
Die Klagsforderung bestehe daher nicht zu Recht.
Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob das Dienstgeberhaftungsprivileg auch durch eine vertraglich vereinbarte Schad- und Klagloshaltung nicht umgangen werden könne, noch nicht befasst habe. Darüber hinaus sei die oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu, dass der Mitschädiger, dem kein Privileg nach § 333 Abs 1 ASVG zukomme, nicht gegen einen Dienstgeber regressberechtigt sei, auf die dargestellte Kritik der Lehre gestoßen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebendem Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht dargestellten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Die Klägerin führt in ihrer Revision im Wesentlichen aus, die Beklagte könne sich auf das Dienstgeberhaftungsprivileg nach § 333 ASVG nicht berufen, weil sie als Nebenintervenientin im Vorprozess ein dementsprechendes Vorbringen unterlassen habe. Hätte sie dies getan, wäre im Vorprozess das Klagebegehren abgewiesen worden, weil der Verletzte auch in den Betrieb der hier klagenden Partei eingegliedert gewesen sei und deshalb auch der hier klagenden Partei als Beklagter im Vorprozess das Dienstgeberhaftungsprivileg gemäß § 333 ASVG zugestanden wäre. Schon aufgrund der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Streitteilen über die Schad- und Klagloshaltung der klagenden Partei durch die Beklagte stehe der klagenden Partei der geltend gemachte Anspruch zu. Überdies sei die Klägerin gemäß § 1358 ABGB mit ihrer Zahlung an die AUVA in deren Rechte gegenüber der Beklagten eingetreten. Die AUVA sei verpflichtet, der Klägerin alle vorhandenen Rechtsbehelfe und Sicherungsmittel zur Verfügung zu stellen, somit auch ihr Regressrecht nach § 334 ASVG. Dass die Beklagte gegenüber ihrem Dienstnehmer gemäß § 333 ASVG haftungsfrei sei, ändere daran nichts. Der Beklagten sei ein zumindest grob fahrlässiges Verschulden an der Verursachung des Arbeitsunfalls vorzuwerfen.
Hiezu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof erachtet die Revisionsausführungen für nicht stichhältig, die Begründung des angefochtenen Urteils hingegen für zutreffend. Die Revisionswerberin wird darauf verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ergänzend wird Folgendes bemerkt:
Die Ausführungen der Revisionswerberin zur Wirkung des Vorprozesses auf das vorliegende Verfahren übersehen, dass die nunmehr Beklagte als Nebenintervenientin im Vorprozess allenfalls das (dort irrelevante) Vorbringen erstatten hätte können, ihr selbst komme das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zugute. Dass (möglicherweise) auch der Klägerin als Beklagter im Vorprozess das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zugekommen wäre, was (möglicherweise) im Vorprozess zur Klagsabweisung geführt hätte, hätte primär die Klägerin im Vorprozess selbst vorbringen müssen. Dieser zuletzt genannte Umstand ist jedoch im vorliegenden Prozess ohne Bedeutung.
Dass sich ein aus einem Arbeitsunfall haftender Zweitschädiger gegen den gemäß § 333 ASVG haftungsbefreiten Dienstgeber auch nicht über dessen allfällige Haftung gegenüber dem Sozialversicherungsträger gemäß § 334 ASVG bei grober Fahrlässigkeit (teilweise) etwa gemäß §§ 896, 1302 ABGB regressieren kann, entspricht ständiger, langjähriger oberstgerichtlicher Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0026757; insbesondere SZ 27/76 [noch zur RVO]; SZ 44/48 [verstärkter Senat]). Diese vom Gesetzgeber so gewollte Haftungsbefreiung des Dienstgebers gemäß § 333 ASVG kann - wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auch durch vertragliche Vereinbarungen wie die hier festgestellte Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung nicht unterlaufen werden (vgl 2 Ob 37/95).
Ob die beklagte Partei grobe Fahrlässigkeit am Unfall trifft, muss daher nicht geprüft werden. Nur am Rande wird bemerkt, dass die erstgerichtlichen Feststellungen - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - für eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin und nicht der Beklagten sprechen.
Der Senat verkennt nicht, dass in der Lehre mit beachtlichen Gründen die rechtspolitische Berechtigung des Dienstgeberhaftungsprivilegs nach § 333 ASVG bezweifelt wird (vgl nur Neumayr in Schwimann, ABGB 3 § 333 ASVG Rz 3 mwN). Dies ändert aber nichts daran, dass § 333 ASVG geltendes Recht ist und dessen Änderung nur dem Gesetzgeber zusteht (vgl schon SZ 44/48). Die Gerichte haben auch unbefriedigende Normen anzuwenden (RIS-Justiz RS0009099; RS0008880). Dies gilt im vorliegenden Fall auch für Konsequenzen des genannten Privilegs.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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