OGH 2Ob37/95

OGH2Ob37/9529.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S*****-Versicherung Aktiengesellschaft, ***** 2. Reinhalteverband P*****, beide vertreten durch Dr.Robert Oberdanner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Maximilian Eiselsberg und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,223.086 sA und Feststellung (S 100.000), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 24.Februar 1995, GZ 3 R 246/94-38, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 5. Oktober 1994, GZ 13 Cg 22/94a-33, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 25.363,06 (darin S 4.227,17 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen der Zweitklägerin und der Beklagten wurde ein Lieferungs- und Montagevertrag abgeschlossen, in dem sich die Beklagte zur Lieferung und Montage der maschinellen Ausrüstung einer von der Zweitklägerin errichteten Abwasserreinigungsanlage verpflichtete. Gemäß § 8 des Vertrages war die Beklagte verpflichtet, vor Aufnahme der Montagearbeiten dem Bauleiter den Namen des verantwortlichen Montageleiters schriftlich bekanntzugeben. In den rechtlichen und technischen Bedingungen des Angebots ist ferner die Verpflichtung des Auftragnehmers normiert, sämtliche Vorkehrungen zum Schutze von Leben, Gesundheit und Eigentum zu treffen. Bauleitung und Bauaufsicht bei der Herstellung der Kläranlage oblag Dipl.Ing.Gerhard Ku***** Ende Oktober/Anfang November 1985 ging die Kläranlage in Betrieb. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte noch einige Fertigstellungsarbeiten vorzunehmen. Sie schickte am 6.12.1985 Peter K***** und Erwin M***** mit der Anweisung auf die Anlage, die Abdeckung an den Zubringerschnecken zu montieren. Peter K***** und sein Arbeitskollege standen zu diesem Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis zu einem Personalbereitstellungsunternehmen, das sie an die Beklagte "verliehen" hatte. Vor diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte zwei Monate lang keine Arbeiten an der Anlage durchgeführt. Weder die Zweitklägerin noch Dipl.Ing.Ku***** wurden von der Durchführung der nunmehrigen Arbeiten informiert. Die Zubringerschnecken der Kläranlage setzen sich bei Erreichen eines bestimmten Wasserstandes automatisch in Bewegung. Während K***** an der Reserveschnecke arbeitete, setzte sich diese - da sie vor Beginn der Arbeiten nicht abgeschaltet worden war - automatisch in Bewegung, wodurch K***** schwer verletzt wurde. Am Unfallstag war neben den beiden Arbeitern auch der Arbeiter der Zweitklägerin Walter T***** anwesend. Dieser befand sich damals in der Ausbildung zum Klärwärter. Seine Aufgabe war es, die Anlage während des Betriebes zu warten, die Becken zu reinigen, die Anlage zu schalten und betriebsfremde Personen fernzuhalten. Er war mit den Sicherheitsvorschriften der Anlage vertraut; insbesondere wußte er, daß sie vor dem Betreten der Maschinen auszuschalten war. Auf Grund einer von Peter K***** erhobenen Klage wurde die Zweitklägerin mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 17.6.1992 schuldig erkannt, Peter K***** S 712.510,59 sA sowie S 105.117,80 an Verfahrenskosten zu bezahlen. Weiters wurde festgestellt, daß die Zweitklägerin dem Peter K***** für alle künftigen Schäden aus dem Arbeitsunfall vom 6.12.1985 haftet. Auf Grund dieses Urteils zahlte die Erstklägerin - der Haftpflichtversicherer der Zweitklägerin - dem Peter K***** insgesamt S 899.071 und an den Vertreter der Zweitklägerin S 324.515.

Die Erstklägerin begehrte von der Beklagten Zahlung von S 1,223.086 sA. Der Zweitkläger begehrte die Feststellung, daß die Beklagte ihm gegenüber für den Ersatz sämtlicher Ansprüche, welche Peter K***** aus dem Arbeitsunfall vom 6.12.1985 entstanden sind und noch entstehen und für die die Zweitklägerin zahlungspflichtig wird, samt Zinsen und Kosten zu haften habe.

Die Kläger brachten im wesentlichen vor, daß die Beklagte ihre aus dem Werkvertrag mit der Zweitklägerin resultierenden Verpflichtungen, das von ihr entsendete Personal zu belehren und zu überwachen sowie Dipl.Ing.Ku***** von den Arbeiten zu verständigen, verletzt habe. Sie habe auch ihre den eigenen Mitarbeitern gegenüber bestehenden Sorgfaltspflichten vollkommen vernachlässigt. Gemäß den §§ 1301 f und 896 ABGB sei daher die Zweitklägerin berechtigt, von der Beklagten den Ersatz sämtlicher von ihr zu tragender Schäden K*****s zu begehren. Im Umfang der an K***** geleisteten Zahlungen sei dieser Anspruch gemäß § 67 VersVG auf die Erstklägerin übergegangen.

Die Beklagte wendete ein, sie habe alle erforderlichen und möglichen Sicherungsmaßnahmen getroffen. Für die Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten durch die Klägerin bzw durch den von ihr mit der Angelegenheit betrauten Dienstnehmer T***** hafte sie nicht. Im übrigen würde die begehrte Haftung der Beklagten zu einer im Hinblick auf § 333 ASVG unzulässigen Regressierung führen.

Die Kläger bestritten, daß ihr Regreßanspruch im Hinblick auf § 333 ASVG unzulässig sei. Ihr Anspruch stütze sich auf die der Beklagten vorzuwerfende Verletzung ihrer werkvertraglichen Pflichten. Da sich die Haftung aus der Verletzung vertraglicher Pflichten auch auf das bloße Vermögen erstrecke, hafte der Schuldner auch, wenn er seine vertraglichen Pflichten so erfülle, daß er durch Schädigung Dritter (privatrechtliche) Pflichten seines Vertragspartners, deren Erfüllung für diesen mit einem Vermögensaufwand verbunden sei, herbeiführe. Die Beklagte als Werkunternehmer hafte daher für den ganzen dem Werkbesteller erwachsenen Schaden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß die Klägerin sowohl ihre gegenüber K***** bestehenden Schutz- und Sorgfaltspflichten als auch ihre werkvertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Beklagten verletzt habe. Da sie durch die Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt dem eigenen Arbeiter gegenüber eine vertragliche Nebenpflicht des Werkvertrages verletzt habe, hafte sie der Zweitklägerin für den dieser dadurch entstandenen Schaden. Dieser liege in der Haftung dem Arbeiter der Beklagten gegenüber. Ein Mitverschulden der Zweitklägerin sei zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil über einen dem hier zu beurteilenden Sachverhalt vergleichbaren Fall vom Obersten Gerichtshof bislang nicht entschieden worden sei, und führte folgendes aus:

Zu Recht werde in der Rechtsrüge auf den Umstand verwiesen, daß es sich beim Unfall K*****s um einen Arbeitsunfall gehandelt habe und daß der Beklagten das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG zugute komme. Daß der Arbeitsunfall von der Beklagten vorsätzlich verursacht worden wäre, sei weder behauptet worden, noch hätten sich hiefür im Verfahren irgendwelche Anhaltspunkte ergeben. Durch § 333 ASVG würden aber alle sich aus einem Arbeitsunfall ergebenden Schadenersatzansprüche gegen den Dienstgeber oder die ihm Gleichgestellten wegen einer Körperverletzung abschließend geregelt; alle anderen Haftungsgründe, insbesondere jene nach dem ABGB, dem EKHG oder anderen Haftpflichtvorschriften, seien dadurch ausgeschlossen (SZ 54/118 uva). § 333 ASVG schließe aber die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach dem ABGB gegen einen Zweitschädiger - hier: gegen die Zweitklägerin - nicht aus; dem Zweitschädiger sei aber im Hinblick auf das Haftungsprivileg des Dienstgebers der Einwand eines Mitverschuldens des Dienstgebers verwehrt; ebensowenig stehe ihm gegen den von der Haftung befreiten Dienstgeber ein Rückgriffsrecht zu (SZ 44/48; ZVR 1972/14; Koziol, Haftpflichtrecht I2, 309 f uva). Daß die Kläger ihr Begehren primär nicht auf § 1302 ABGB, sondern auf eine Verletzung der im Werkvertrag übernommenen Pflichten der Beklagten stützten, ändere an diesem Ergebnis nichts. Die dargestellte, die Ersatzpflicht des Dienstgebers einschränkende Sonderregelung könne nämlich nicht mit Hilfe anderer gesetzlicher Bestimmungen umgangen werden. Könnten die Kläger unter Berufung auf den Werkvertrag gegen die Beklagte Rückgriff nehmen, wäre das wirtschaftlich so, als hätte die Beklagte unmittelbar die Ansprüche ihres Dienstnehmers befriedigt. Damit wäre der Zweck des Dienstgeberprivileges des § 333 ASVG verfehlt. Eine derartige Umgehung des § 333 ASVG werde daher von der Rechtsprechung nicht zugelassen (JBl 1957, 241).

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinne abzuändern.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen geltend, die Beklagte habe ihre werkvertraglichen Schutzpflichten gegenüber dem Besteller verletzt. Ihr sei vorzuwerfen, daß sie die entsprechenden Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten habe und die Arbeiter nicht habe überwachen lassen. Als Folge der Vertragsverletzung der Beklagten sei ein von ihr zu ersetzender Vermögensaufwand entstanden, weil der Verletzte Peter K***** erfolgreich Schadenersatzansprüche gegen die Erstklägerin erhoben habe. Es gehe im vorliegenden Fall nicht um das Haftungsprivileg im Sinne des § 333 ASVG, weil die Kläger nicht - nach der Rechtsprechung unzulässige - Regreßansprüche eines Nebentäters, sondern Ansprüche aus Vertragsverletzungen geltend machen. Die Beklagte hafte ungeachtet des unternehmensinternen Haftungsprivileges dafür, daß sie ihrem Vertragspartner durch schuldhafte Nichterfüllung vertraglicher Nebenpflichten einen Vermögensschaden zugefügt habe.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Vorauszuschicken ist, daß der Oberste Gerichtshof bereits in SZ 44/48 dargelegt hat, es bestünden gegen das die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen tragende Prinzip der Haftungsbefreiung des Dienstgebers gewisse Bedenken, denen freilich nur der Gesetzgeber Rechnung tragen könne. Unbilligkeiten können sich aus Unzulänglichkeiten der Gesetzgebung und hier insbesondere daraus ergeben, daß die Vorschriften des Sozialversicherungsrechtes und jene des bürgerlichen Rechtes nicht fugenlos zusammenpassen.

Der Gesetzgeber hat die Haftungsfreistellung des zur Sozialversicherung beitragenden Dienstgebers deshalb bestimmt, weil dieser nicht doppelt belastet werden soll, indem er auch noch schadenersatzpflichtig wird; die Unfallversicherung hat eine Ablösefunktion. Diese Wertung muß auch dann gelten, wenn neben dem Dienstgeber ein Dritter für den Schaden ursächlich war (Koziol, Haftpflichtrecht I2, 310).

Die Rechtsmittelwerber erkennen in ihrer Revision selbst, daß ihnen nach der Rechtsprechung gegen den von der Haftung befreiten Dienstgeber kein Rückgriff gemäß den §§ 896, 1302 ABGB zusteht. Es genügt daher, hiezu auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (vgl weiters die zahlreichen Judikaturhinweise in MGA ABGB34 § 333 ASVG E 5, 6, 7; Reischauer in Rummel2 § 1302 ABGB Rz 5).

Die Kläger versuchen aber, das - entgegen ihrer Darstellung nicht nur "unternehmensinterne" - Haftungsprivileg des Dienstgebers durch Hinweis auf werkvertragliche Pflichten der Beklagten auszuschalten. Ein zwischen mehreren Schädigern bestehender Werkvertrag könnte zwar - wie jede sonstige Rechtsbeziehung - als besonderes Verhältnis im Sinne des § 896 ABGB von Bedeutung sein (Gamerith in Rummel2 § 896 ABGB Rz 6, 1 a mwN; vgl Reischauer aaO Rz 10); diese Vorschrift kommt aber wegen der Haftungsbefreiung des Dienstgebers eben nicht zum Tragen.

Mit § 333 ASVG werden grundsätzlich alle anderen Haftungsgründe ausgeschlossen (ZVR 1991/94). Der Nachteil, der mit dem Fehlen eines Regreßrechtes eines weiteren Schädigers gegen den Dienstgeber des Verletzten, der Ersatzansprüche gegen den weiteren Schädiger erhebt, verbunden ist, kann nun nicht in einen Vermögensschaden umgedeutet werden, für den der Dienstgeber aus der Vertragsbeziehung mit dem weiteren Schädiger einzustehen hätte. Neben § 333 ASVG ist kein Raum für eine schadenersatzrechtlich relevante werkvertragliche Nebenpflicht, den Besteller vor den Folgen des Haftungsprivileges für einen nichtprivilegierten weiteren Schädiger zu schützen. Die Annahme einer solchen Pflicht würde die vom Gesetzgeber in § 333 Abs 1 ASVG getroffene Wertung unterlaufen. Schließlich ist es auch nicht Zweck der den eigenen Mitarbeitern gegenüber bestehenden Fürsorgepflichten, die die Beklagte nach dem Standpunkt der Kläger verletzt habe, den Werkbesteller vor Vermögensschäden aus der Inanspruchnahme durch einen Mitarbeiter des Werkunternehmers wegen Fürsorgepflichtverletzungen des Werkbestellers zu bewahren.

Der Versuch der Kläger, trotz des Haftungsprivileges der Beklagten im Umwege der Argumentation mit einer werkvertraglichen Schutzpflichtverletzung doch noch zu einem Regreß zu gelangen, muß daher erfolglos bleiben. Ihrer Revision war somit nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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