OGH 2Ob124/09p

OGH2Ob124/09p22.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert T*****, vertreten durch Dr. Michael Krautzer, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Regina S*****, vertreten durch Dr. Richard Huber, Rechtsanwalt in Villach, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit (Streitinteresse: 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 12. Februar 2009, GZ 2 R 2/09k-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 3. November 2008, GZ 9 C 409/08p-14, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist seit 1995 Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuchs Villach, auf der das Gebäude B***** 3 errichtet ist. Die Beklagte ist seit 1994 Eigentümerin der angrenzenden Liegenschaft EZ ***** mit dem darauf befindlichen Gebäude B***** 5. In der südwestlichen Ecke des Hauses B***** 5 befindet sich im Halbstock ein ca 10 m² großer Raum, der nur über das Haus B***** 3 zugänglich ist. Es besteht keine direkte Verbindung von diesem Raum zu den übrigen Teilen des Hauses B***** 5. Der Raum hat keine Fenster und verfügt weder über Wasser noch über Sanitäranlagen; die elektrische Installation ist veraltet.

Seit 1926 waren Parterre und erster Stock des Hauses B***** 3 vermietet. Die jeweiligen Mieter betrieben in diesen Räumen bis 2007 eine Drogerie. Der besagte Raum im Haus B***** 5 wurde von den Mietern zunächst als Dienstbotenzimmer, später als Lager- und Abstellraum zusätzlich benützt. Dies geschah mit „stillschweigender Duldung“ durch die Rechtsvorgänger der Beklagten. Ein Mietzins wurde hiefür nicht bezahlt. Es kann nicht festgestellt werden, „was die Rechtsvorgänger des Klägers und der Beklagten allenfalls seit den 20er Jahren wegen der Benützung dieses Raums mündlich vereinbart haben. Es war dies durch all die Jahre hindurch kein Thema“.

Der Kläger begehrte 1. die Feststellung der Dienstbarkeit der Nutzung des näher bezeichneten Raums im Haus B***** 5 zu seinen Gunsten und zu Gunsten seiner Rechtsnachfolger im Eigentum der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuchs Villach, sowie 2. die Beklagte zu verpflichten, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen. Er und seine Rechtsvorgänger hätten seit zumindest 90 Jahren den rechtmäßigen, echten und redlichen Besitz am Recht, den Raum zu benützen, ausgeübt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, die persönliche Dienstbarkeit des Gebrauchs sei im Zweifel als höchstpersönliches, für die Lebensdauer der Berechtigten eingeräumtes Recht anzusehen. Könne der Kläger eine andere Vereinbarung der Rechtsvorgänger der Streitteile nicht beweisen, sei davon auszugehen, dass das Gebrauchsrecht mit dem Ableben des jeweiligen Berechtigten erloschen sei. Eine Ersitzung des Gebrauchsrechts unter Anrechnung der Ausübungszeiten der Rechtsvorgänger komme nicht in Betracht.

Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „zur Rechtsnatur und Ersitzungsfähigkeit des (nicht zu Wohnzwecken dienenden) Gebrauchsrechts“.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in einigen Entscheidungen festgehalten, dass die Dienstbarkeit des Gebrauchs iSd §§ 478, 504 ABGB an nicht zu Wohnzwecken geeigneten Räumlichkeiten begründet werden kann (8 Ob 137/75 = SZ 48/78 [Garage]; vgl auch 1 Ob 593/92; 10 Ob 2470/96z [Werkstättenräume]). Es wurde auch schon die Möglichkeit der Ersitzung von Personalservituten bejaht (EvBl 1957/402 [Fruchtgenussrecht]; 4 Ob 1524/87 [Wohnrecht]; vgl Meissel in KBB2 § 1455 Rz 3). Es entspricht ferner der geltenden Rechtslage, dass alle persönlichen (§ 478 ABGB), auch unregelmäßigen (§ 479 ABGB) Dienstbarkeiten im Zweifel mit dem Tod des Berechtigten erlöschen (§ 529 ABGB; RIS-Justiz RS0011556, RS0011587). Insoweit zeigt das Berufungsgericht in der Begründung seines Zulassungsausspruchs somit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Doch auch in der Revision werden keine erheblichen Rechtsfragen dargetan:

Persönliche Dienstbarkeiten haben als Subjekt eine bestimmte Person, der ein Vorteil verschafft werden soll. Bei den Grunddienstbarkeiten steht das Recht hingegen dem jeweiligen Eigentümer einer bestimmten Liegenschaft (des herrschenden Guts) zu (4 Ob 600/79 = EvBl 1980/173; RIS-Justiz RS0011556). Gemäß § 473 ABGB dient die Grunddienstbarkeit der vorteilhafteren oder bequemeren Benützung des herrschenden Guts (RIS-Justiz RS0011597), wobei an das Utilitätserfordernis kein strenger Maßstab anzulegen ist (RIS-Justiz RS0011593). Die Servitutsersitzung setzt ein solches Interesse voraus (RIS-Justiz RS0034213). Dabei ist zu beachten, dass sich das Erfordernis der Nützlichkeit und Bequemlichkeit immer auf das Grundstück selbst, nicht aber auf persönliche Vorteile seines Eigentümers bezieht (RIS-Justiz RS0011593 [T1]).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es sich beim hier strittigen Recht auf Nutzung eines nicht bewohnbaren Raums im Nachbargebäude um eine persönliche Dienstbarkeit handle, ist - wie sich schon aus den zu den §§ 478, 504 ABGB zitierten Entscheidungen ersehen lässt - Ergebnis einer jedenfalls vertretbaren Rechtsansicht.

Grundsätzlich können auch persönliche Dienstbarkeiten zu Gunsten des Eigentümers eines herrschenden Grundstücks in Form sogenannter unregelmäßiger Dienstbarkeiten bestellt und im Grundbuch eingetragen werden; in diesem Fall ist eine Verbücherung aber nur mit einer zeitlichen Beschränkung möglich (1 Ob 125/01s = SZ 74/95; 5 Ob 40/06b; 6 Ob 139/09y; RIS-Justiz RS0011621, RS0115508). Bei einem Gebrauchsrecht gemäß § 504 ABGB könnte dies jedoch durchaus zweifelhaft sein, da dieses Recht auf die individuellen Bedürfnisse des Berechtigten abgestimmt sein muss (Hofmeister in NZ 1993/274 [GBSlg] Glosse zu 5 Ob 130/92; dazu auch 1 Ob 125/01s; vgl allerdings Koch in KBB2 § 504 Rz 1).

Nach der im Fall einer unregelmäßigen Dienstbarkeit anzuwendenden Beweislastregel des § 479 Satz 2 ABGB wäre dem Kläger überdies der Beweis oblegen, dass die während des Ersitzungszeitraums ausgeübte Nutzung des Raums nicht bloß eine bestimmte Person begünstigte, sondern zum Vorteil der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** geschah (vgl Hofmann in Rummel ABGB3 § 479 Rz 2). Eine darauf gerichtete, den Rechtsvorgängern der Beklagten erkennbare Rechtsausübung der Rechtsvorgänger des Klägers bzw deren Mieter (als Besitzmittler), die sich aus deren äußeren Verhalten ergeben hätte (vgl 2 Ob 252/05f mwN; RIS-Justiz RS0034138 [T1]), ist aus den Feststellungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ableitbar. Davon abgesehen hängt die Frage, ob der Eigentümer der belasteten Liegenschaft erkennen kann, dass Benützungshandlungen in Ausübung eines (bestimmten) Rechts erfolgen, von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher schon grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage auf (3 Ob 203/07k; 1 Ob 33/09y; RIS-Justiz RS0033021).

Letztlich ist eine Auseinandersetzung mit der angesprochenen Problematik hier aber schon deshalb entbehrlich, weil der Kläger in der Revision ohnedies den Standpunkt vertritt, es liege eine regelmäßige Grunddienstbarkeit, nämlich eine Hausservitut iSd § 475 ABGB vor. Damit zeigt er jedoch, wie erörtert, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, das eine persönliche Dienstbarkeit annahm, auf.

Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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