OGH 2Ob106/20g

OGH2Ob106/20g27.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* B*, vertreten durch Riedl ‑ Ludwig ‑ Penzl Rechtsanwälte GmbH in Haag, gegen die beklagte Partei Mag. R* B*, vertreten durch Dr. Johannes Grahofer, Rechtsanwalt in Amstetten, wegen 25.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2020, GZ 11 R 50/20h‑19, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts St. Pölten vom 14. Februar 2020, GZ 3 Cg 57/19d‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130295

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der am 20. 9. 2017 verstorbene Erblasser war der Vater der Klägerin und des im Jahr 2012 verstorbenen Vaters der Beklagten. Der Erblasser hat mit Übergabevertrag vom 1. 9. 2010 der Beklagten einen Viertelanteil einer Liegenschaft geschenkt.

[2] Die Klägerin begehrt den sich aus der Hinzurechnung dieser Schenkung zur (überschuldeten) Verlassenschaft ergebenden Pflichtteil.

[3] Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil das Zurechtbestehen des Klagsanspruchs dem Grunde nach aus. Das Berufungsgericht bestätigte dies und ließ die ordentliche Revision zwecks Stellungnahme zu den von der Beklagten geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Übergangsbestimmung des § 1503 Abs 7 Z 2 ABGB zu.

[4] Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Beklagten nicht zulässig. Die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs galt nach der alten Rechtslage als pflichtteilsberechtigt im Sinn von § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB aF, wer im Schenkungszeitpunkt abstrakt pflichtteilsberechtigt und im Zeitpunkt des Erbanfalls konkret pflichtteilsberechtigt war (1 Ob 152/03i mwN; 2 Ob 176/18y; 2 Ob 145/16m; 2 Ob 98/17a; RS0012855 [T4, T5]).

[6] Die Beklagte war im Schenkungszeitpunkt abstrakt pflichtteilsberechtigt, weil sie zu den Nachkommen des Erblassers zählte (§§ 762 f ABGB aF), und im Zeitpunkt des Erbanfalls konkret pflichtteilsberechtigt, weil ihr Vater vorverstorben war. Schon nach alter Rechtslage wäre daher die vom Erblasser an die Beklagte gemachte Schenkung bei der Ermittlung des Pflichtteils der Klägerin zu berücksichtigen gewesen.

[7] 2. Nach der hier anzuwendenden neuen Rechtslage ist nur mehr auf die abstrakte Pflichtteilsberechtigung abzustellen (§§ 782 f ABGB idF ErbRÄG 2015), die für die unbefristete Hinzurechnung der Schenkung sowohl im Zeitpunkt der Schenkung als auch im Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorliegen muss (vgl jüngst 2 Ob 195/19v [Rz 72]). Auch diese Kriterien erfüllt die Beklagte.

[8] 3. Für sie hat sich daher durch die neue Rechtslage in Bezug auf die hier zu beurteilende Frage der Hinzurechnung der Schenkung nichts geändert, sodass es auf die Zulassungsfrage des Berufungsgerichts, auf die sich auch die Ausführungen der Revision beziehen, nicht ankommt.

[9] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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