OGH 1Ob152/03i

OGH1Ob152/03i4.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Dr. Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Maria Z*****, vertreten durch Mag. Dr. Michael Michor und Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in Villach, 2. Christof G*****, und 3. Wolfgang G*****, beide vertreten durch Mag. Dr. Michael Michor, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Dorothea G*****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch Dr. Herwig Jasbetz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen jeweils 218.018,50 EUR sA infolge der Rekurse sämtlicher Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. März 2003, GZ 3 R 18/03x-40, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 12. November 2002, GZ 22 Cg 3/02m-36, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das Zwischenurteil des Erstgerichts - einschließlich des bereits unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Teils - zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die Kosten des zweit- und drittinstanzlichen Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien und der zur beklagten Partei erbserklärte Erbe sind Kinder der Dorothea G***** (in der Folge Mutter genannt). Die Mutter besaß einst umfangreiches Liegenschaftsvermögen, mehrere Unternehmensbeteiligungen und Gesellschaftsanteile an einer OHG. Mit Übergabsvertrag vom 18. 6. 1993 übergab sie dem erbserklärten Erben ein Anwesen ("Seevilla") samt Zubehör und Inventar gegen Einräumung eines lebenslangen Nutzungsrechts. Mit Vertrag vom 17. 3. 1994 übertrug sie gegen Einräumung eines Fruchtgenussrechts zu ihren Gunsten Anteile an einem Unternehmenskonglomerat abermals dem erbserklärten Erben. Am 14. 6. 1994 verkaufte sie einen Teil bestimmter Unternehmensanteile an den erbserklärten Erben zu einem weit unter dem wahren Wert liegenden Preis. Am selben Tag verzichtete der erbserklärte Erbe für sich und seine Nachfolger mit notariellem Pflichtteilsverzichtsvertrag auf alle Pflichtteilsansprüche nach dem Tod seiner Mutter. Am 16. 6. 1994 errichtete diese ein Testament, in dem sie den erbserklärten Erben zu ihrem Universalerben bestimmte und mit dem sie verschiedene Legate festsetzte. Ein im Dezember 2000 verfasster Nachtrag zu einem 1984 geschlossenen Schenkungsvertrag auf den Todesfall enthält die Vereinbarung, dass der Hälfteanteil der Mutter an bestimmten Liegenschaften sowie die Hälfte ihrer Gesellschaftsanteile an einer OHG sofort an den erbserklärten Erben übergehen sollten.

Die klagenden Parteien begehrten vom Nachlass nach ihrer Mutter mittels Pflichtteilsergänzungsklage Zahlung von jeweils 218.018,50 EUR. Die Mutter habe bereits zu ihren Lebzeiten wesentliche Teile ihres Vermögens dem erbserklärten Erben geschenkt. Dies berechtige sie, Pflichtteilserhöhungsansprüche geltend zu machen. Ihre Pflichtteilsquote belaufe sich auf jeweils ein Achtel des reinen Nachlasses, dessen Höhe sie mit 80,000.000 S bezifferten, dem aber an "ausgleichspflichtigen Werten" 264,000.000 S hinzugerechnet werden müssten. Unter Anrechnung der selbst empfangenen Schenkungen sei ein Pflichtteil von 42,000.000 S (Erstklägerin), 32,000.000 S (Zweitkläger) bzw 43,000.000 S (Drittkläger) auszuzahlen, wovon derzeit nur 3,000.000 S geltend gemacht würden. Die dem erbserklärten Erben 1993 und 1994 geschenkten Werte seien unbefristet anzurechnen, denn dieser sei im Schenkungszeitpunkt konkret pflichtteilsberechtigt gewesen. Soweit sich der erbserklärte Erbe auf § 785 Abs 3 ABGB berufe, stelle dies Rechtsmissbrauch dar. Die Mutter und der erbserklärte Erbe hätten danach gestrebt, die Pflichtteilsansprüche der klagenden Parteien zu beschränken, wenn nicht sogar auszuschließen. Der Pflichtteilsverzichtsvertrag sei nur geschlossen worden, um dem erbserklärten Erben die Berufung auf die Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 ABGB zu ermöglichen. Hilfsweise machten die klagenden Parteien geltend, der erbserklärte Erbe habe die gemeinsame Mutter durch List und Drohung zur Unterfertigung des Pflichtteilsverzichtsvertrags bewogen.

Die beklagte Partei wendete ein, die Mutter habe die in Rede stehenden Schenkungen früher als zwei Jahre vor ihrem Tod an eine - infolge Pflichtteilsverzichts - nicht mehr pflichtteilsberechtigte Person gemacht. Die Schenkung sei in Erfüllung einer sittlichen Pflicht, teils auch in Abgeltung vermögensrechtlicher Ansprüche des erbserklärten Erben geschehen. Es liege kein Rechtsmissbrauch vor, zumal sich die Mutter erhebliche Vermögenswerte zurückbehalten habe. Ein Zusammenhang zwischen dem am 16. 6. 1994 verfassten Testament und dem Pflichtteilsverzichtsvertrag sei nicht gegeben. Letzterer sei aus völlig lauteren Motiven geschlossen worden, nämlich um der Mutter freie Hand für Verfügungen von Todes wegen zu verschaffen.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, das Klagebegehren aller drei Kläger bestehe dem Grunde nach zu Recht (Punkt 1) und die Zweijahresfrist iSd § 785 Abs 3 ABGB finde "mit Beziehung auf die" von der Mutter dem erbserklärten Erben gemachten Schenkungen keine Anwendung (Punkt 2).

Es stellte fest, die Mutter sei "nachhaltig" darauf bedacht gewesen, ihr überwiegendes Vermögen dem erbserklärten Erben zuzuwenden. Sie habe verhindern wollen, dass die klagenden Parteien nach ihrem Tod auf die dem erbserklärten Erben gemachten Schenkungen greifen könnten. Diese sollten bei der Berechnung der Pflichtteilsforderungen der klagenden Parteien unberücksichtigt bleiben; dies sei alleine der erklärte Zweck des Pflichtteilsverzichtsvertrags vom 14. 6. 1994 gewesen. Der erbserklärte Erbe habe zum Zeitpunkt seines Pflichtteilsverzichts die im § 785 Abs 3 ABGB festgelegte Zweijahresfrist nicht gekannt. Das Testament vom 16. 6. 1994 sei deswegen neu gefasst worden, weil seit der Verfassung des Vortestaments aus dem Oktober 1993 Unternehmensanteile an den erbserklärten Erben übertragen worden seien und deshalb eine Anpassung des Testamentstextes für zweckmäßig erachtet worden sei. Das Testament vom 16. 6. 1994 sei nicht als letztes Testament gedacht gewesen. Die Mutter habe geplant, weitere Verfügungen über ihr Vermögen zu treffen, es sei allerdings nicht dazu gekommen.

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, der erbserklärte Erbe sei aufgrund seines Pflichtteilsverzichts zum Zeitpunkt des Ablebens der Mutter nicht mehr pflichtteilsberechtigt gewesen, weshalb er sich grundsätzlich auf die zeitliche Beschränkung gemäß § 785 Abs 3 ABGB berufen könne. Die Berufung auf diese Frist stelle im konkreten Fall aber Rechtsmissbrauch dar, denn der Pflichtteilsverzichtsvertrag habe nur dazu gedient, die Berufung auf diese Frist zu ermöglichen.

Das Berufungsgericht fasste den unangefochten gebliebenen Teil des Zwischenurteils insoweit neu, als es feststellte, die Klagebegehren sämtlicher klagenden Parteien bestünden dem Grunde nach insoweit zu Recht, als bei Berechnung des Nachlasses Schenkungen der Mutter an den erbserklärten Erben in Anschlag zu bringen seien, die innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren vor ihrem Tod gemacht worden seien. Im Übrigen hob es das Zwischenurteil "in dessen Punkt 2. und in dem Umfang" auf, als mit dem Zwischenurteil dem Grunde nach das Zurechtbestehen der Pflichtteilsergänzungsklage auch insoweit ausgesprochen wurde, als bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen der Mutter an den erbserklärten Erben in Anschlag zu bringen seien, die früher als zwei Jahre vor ihrem Tod gemacht worden seien. In diesem Umfang wurde die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung "nach ergänzender Verhandlung" an das Erstgericht zurückverwiesen. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Gericht zweiter Instanz für zulässig. Es folgte der Judikatur des Obersten Gerichtshofs insoweit, als es für die im § 785 Abs 3 ABGB verfügte zeitlich unbeschränkte Anrechnung von Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen erforderlich sei, dass der Beschenkte im Schenkungszeitpunkt "abstrakt" und zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers "konkret" pflichtteilsberechtigt gewesen sein müsse, denn anrechnungspflichtig sei nur, wer auch selbst anrechnungsberechtigt sei. Demgemäß müssten die an den erbserklärten Erben mehr als zwei Jahre vor dem Erbanfall erfolgten Schenkungen bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche des Klägers grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Im konkreten Fall liege zwar kein Umgehungsgeschäft vor, weil eine verpönte Absicht des erbserklärten Erben bei Abgabe des Pflichtteilsverzichts nicht habe festgestellt werden können, doch könne der Pflichtteilsverzicht rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich sein, sofern er darauf hinausliefe, eine Schenkung der Mutter an den erbserklärten Erben - nach Ablauf der zweijährigen Frist - unanfechtbar zu machen. Dabei sei nicht der Verzicht selbst, sondern die Berufung darauf bzw auf die Frist des § 785 Abs 3 ABGB als Rechtsmissbrauch anzusehen. Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag werde im Zuge einer antizipierten Erbfolgeregelung im Allgemeinen deshalb geschlossen, weil der Verzichtende bereits Zuwendungen vom Erblasser erhalten habe und daher meist zugunsten anderer Noterben am übrigen Nachlass nicht mehr teilhaben solle. Der Verzichtende begebe sich demnach der Teilnahme an der weiteren Entwicklung des Vermögens des Erblassers. Nun habe die Mutter dem erbserklärten Erben ihr überwiegendes Vermögen zuwenden und verhindern wollen, dass die klagenden Parteien nach deren Ableben auf die dem erbserklärten Erben gemachten Schenkungen greifen könnten. Da das von der Mutter zwei Tage nach dem Pflichtteilsverzichtsvertrag "geschlossene" Testament "in keinem gedanklichen Zusammenhang" mit dem Pflichtteilsverzicht und dem Verkauf weiterer Unternehmensanteile gestanden sei, könne nicht gleichsam selbstverständlich auf das Vorhandensein von Rechtsmissbrauch geschlossen werden; auch sei rechtsmissbräuchliches Zusammenwirken zwischen der Mutter und dem erbserklärten Erben nicht feststellbar gewesen. Demnach sei es entscheidungswesentlich, ob die Mutter im Zuge der Vornahme der Schenkungen an den erbserklärten Erben tatsächlich über "einen Gutteil ihres Vermögens" verfügt habe, denn erst dann sei das verpönte Verhalten manifestiert. Es müsse daher festgestellt werden, ob die Mutter über die in der Berufung der beklagten Partei relevierten Vermögenswerte ihrer Substanz nach im Zeitpunkt des Abschlusses des Pflichtteilsverzichtsvertrags verfügt habe. Stellte sich heraus, dass die Mutter noch über erhebliches Vermögen verfügt habe, dann liege angesichts der konkreten Umstände kein Rechtsmissbrauch vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse der Streitteile sind zulässig und im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Zwischenurteils berechtigt.

Gemäß § 785 Abs 1 ABGB sind unter anderem auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen. Nach § 785 Abs 3 ABGB bleiben Schenkungen unter anderem dann unberücksichtigt, wenn sie früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind unter den pflichtteilsberechtigten Personen iSd § 785 ABGB, die zur unbefristeten Schenkungsanrechnung verpflichtet sind, nur jene zu verstehen, die im konkreten Fall im Zeitpunkt des Erbanfalls tatsächlich pflichtteilsberechtigt sind und die im Schenkungszeitpunkt "abstrakt" pflichtteilsberechtigt waren (JBl 2003, 375; EFSlg 87.208; SZ 68/47; JBl 1991, 312; JBl 1988, 646). Es fehlt jeder Anlass von dieser Rechtsansicht abzugehen; der Oberste Gerichtshof hat sich darin bereits intensiv mit den unterschiedlichen Lehrmeinungen zur Frage, wer als pflichtteilsberechtigte Person iSd § 785 Abs 3 ABGB anzusehen sei (siehe nur Welser in Rummel, ABGB3, Rz 17 zu § 785; Eccher in Schwimann, ABGB2, Rz 16 zu § 785; Fischer-Czermak, Die erbrechtliche Anrechnung und ihre Unzulänglichkeiten, in NZ 1998, 2 ff [6 f]; Welser, Vorschläge zur Neuregelung der Anrechnung beim Pflichtteil, in NZ 1998, 40 [43]; Zankl, Umgehung der Schenkungsanrechnung, in NZ 2001, 111; Umlauft, Die Anrechnung von Schenkungen und Vorempfängen im Erb- und Pflichtteilsrecht, 201 ff), auseinandergesetzt, sodass hiezu nicht mehr weiter Stellung bezogen werden muss.

Pflichtteilsverzicht vor Erbanfall schließt somit fristenlose Anrechnung (grundsätzlich) aus, sofern kein Rechtsmissbrauch vorliegt (ua SZ 68/47; Eccher aaO). Angesichts des Umstands, dass der erbserklärte Erbe nach den Feststellungen zum Zeitpunkt der Abgabe des Pflichtteilsverzichts die Bestimmung des § 785 Abs 3 ABGB gar nicht kannte, und demnach nicht unterstellt werden kann, mit dem Pflichtteilsverzicht habe eine Umgehung der zitierten Gesetzesstelle bewirkt werden sollen, ist auf die - rein theoretische - Frage, ob - sei es bloß in objektiver oder auch in subjektiver Hinsicht - ein "Umgehungsgeschäft" vorgelegen sei, nicht weiter einzugehen. Zu klären ist daher, ob bzw inwieweit ein allenfalls vorliegender Rechtsmissbrauch verhindert, dass die im § 785 Abs 3 normierte zeitliche Beschränkung dem erbserklärten Erben zugute kommt.

Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Der Schädigungszweck muss so augenscheinlich im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten. Die Rechtsprechung hat bisher die Berufung auf § 785 Abs 3 ABGB dann als rechtsmissbräuchlich beurteilt, wenn der Pflichtteilsverzicht des Beschenkten offenkundig bezweckte, die Anrechnung der Schenkungen zu verhindern und den Geschenknehmer gegen Pflichtteilsergänzungsansprüche anderer Noterben abzusichern (JBl 2003, 375; EFSlg 87.211; SZ 68/47). Nun war den erbserklärten Erben bei Abschluss des "Pflichtteilsverzichtsvertrags" nach den Feststellungen nicht bekannt, dass die Mutter der erbserklärten Erben allein deswegen zum Pflichtteilsverzicht veranlasste, um die diesem gemachten Schenkungen bei der Berechnung der Pflichtteilsforderungen der klagenden Parteien ausklammern zu können (S 8 des Berufungsurteils). Eine derartige - von der Mutter geplante - Beschränkung des Pflichtteilsrechts stellt per se einen Rechtsmissbrauch dar, es sei denn, die Pflichtteilsberechtigten würden durch geeignete Maßnahmen in die Lage versetzt, die ihnen entzogenen Werte auf andere Weise zu lukrieren. Davon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein, hat doch die Mutter zwei Tage nach Abgabe des Pflichtteilsverzichts durch den erbserklärten Erben ein Testament errichtet, in dem sie diesen zum Universalerben bestimmte (S 4 des Berufungsurteils). Warum dieses Testament "in keinem gedanklichen Zusammenhang mit dem Pflichtteilsverzicht und dem Verkauf wertvoller Unternehmensanteile" gestanden sein soll (so aber das Berufungsgericht in seinem Beschluss, S 32), ist nicht nachvollziehbar, indiziert doch schon der zeitliche Zusammenhang mehr als deutlich die ohnehin festgestellte unlautere Absicht der Mutter. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von der Fallgestaltung, die der Entscheidung JBl 2003, 375 zugrundelag, war dort doch den Feststellungen nicht mit der dafür ausreichenden Sicherheit zu entnehmen, dass der Erblasser mit dem anlässlich der Schenkung geforderten Pflichtteilsverzicht allein den Zweck verfolgt habe, eine spätere Anrechnung zu verhindern.

Hat auch der erbserklärte Erbe mit dem von ihm erklärten Pflichtteilsverzicht für sich noch nicht rechtsmissbräuchlich agiert, so liegt doch in seiner Berufung auf diesen von seiner Mutter rechtsmissbräuchlich veranlassten Verzicht der ihm anzulastende Rechtsmissbrauch (vgl JBl 2003, 375; EFSlg 87.211; SZ 68/47; Welser in Rummel aaO; Fischer-Czermak aaO 7; Welser, Vorschläge aaO 43; Umlauft aaO 212 ff; Mader, Neuere Judikatur zum Rechtsmissbrauch, in JBl 1998, 677 ff [687 f]):

Im vorliegenden Fall ist der Missbrauchsvorsatz der Mutter klar dokumentiert, und es finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass für den Schutz der drei pflichtteilsberechtigten Kläger auf irgendeine denkmögliche Art Sorge getragen worden wäre. Beruft sich der ursprünglich nicht bösgläubige erbserklärte Erbe auf diesen von ihm abgegebenen Pflichtteilsverzicht, obwohl ihm letztlich doch die böswillige Absicht seiner Mutter bekannt wurde und ihm danach klar sein musste, dass gerade sein Pflichtteilsverzicht eine Verkürzung der Pflichtteile der klagenden Geschwister nach sich gezogen hatte, dann erweist sich die Berufung auf den Pflichtteilsverzicht als sittenwidrig, sodass ihm Rechtsmissbrauch zur Last fällt. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der erbserklärte Erbe zwei Tage nach Abgabe seines Pflichtteilsverzichts auch noch zum Erben eingesetzt wurde und die Pflichtteile der klagenden Parteien solcherart jedenfalls eine Verkürzung erfahren müssten, ginge man von der Anwendbarkeit der Zwei-Jahres-Regel des § 785 Abs 3 ABGB aus, gebieten Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts die Bedachtnahme auf den Missbrauch der Rechtsausübung, sollte doch grundsätzlich der auf seinen Pflichtteil Verzichtende von einer weiteren Beteiligung am Erbe des Erblassers ausgeschlossen sein (Zankl aaO 112). Die Umstände verlangen gerade in einem Fall wie diesem die Wertung, dass der erbserklärte Erbe seinen Pflichtteilsverzicht rechtsmissbräuchlich geltend macht. Auf die Werte, die beim Erbanfall noch vorhanden waren, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, wurden doch die Kläger dadurch, dass der erbserklärte Erbe testamentarisch auch noch zum Universalerben bestimmt wurde, jedenfalls in ihren Pflichtteilsansprüchen verkürzt. Es bedarf daher keiner Überlegung, ob nicht auch der Erbantritt als solcher rechtsmissbräuchlich erfolgt sein könnte, sollte doch der Pflichtteilsverzicht wohl eine weitere Beteiligung des erbserklärten Erben am Nachlass nach seiner Mutter ausschließen.

Da somit die vom Berufungsgericht vermissten Feststellungen entbehrlich sind, ist den Rekursen der Streitteile Folge zu geben. Materiell erweisen sich die Rekursanträge der Kläger als berechtigt, sodass die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 ZPO im Zusammenhalt mit § 52 Abs 2 ZPO.

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