OGH 20Ds1/19f

OGH20Ds1/19f25.6.2019

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 25. Juni 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Rothner als Anwaltsrichter in Gegenwart von FI Ponath als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer vom 27. November 2018, D 21/18 (18 DV 18/18), TZ 21, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Kammeranwalts Mag. Kammler und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0200DS00001.19F.0625.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hierfür zu einer Geldbuße von 5.000 Euro verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er sich als rechtsfreundlicher Vertreter eines Arbeitnehmers, den er zuvor in einem rechtskräftig beendeten arbeitsgerichtlichen Verfahren vertreten hatte, an die Mitglieder des Aufsichtsrats der v***** AG (also der Muttergesellschaft seines ursprünglichen Arbeitgebers) gewandt und so versucht, das Verlangen seines Mandanten auf Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zur v***** GmbH bzw auf eine adäquate Abgeltung durchzusetzen, obwohl im arbeitsrechtlichen Verfahren dessen wirksame Beendigung festgestellt worden war. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, stellte er – soweit noch von Relevanz (ES 6, 10) – eine strafrechtliche Dimension der von ihm im Schreiben geschilderten Vorgänge und eine mögliche Strafanzeige in den Raum, ohne dass er zu diesem Zeitpunkt konkrete Verdachtsmomente dafür besaß.

Der Beschuldigte bekämpft das Erkenntnis mit Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und wegen der Höhe der Strafe.

Der Disziplinarrat der OÖ Rechtsanwaltskammer hat sich mit den Verfahrensergebnissen, vor allem mit dem Inhalt des Schreibens des Beschuldigten vom 15. Februar 2017 (Beilage ./1) und mit seiner Einlassung im Verfahren eingehend und mit mängelfreier Begründung auseinandergesetzt. Danach habe dieser mit seinen Schreiben an die Aufsichtsräte der Muttergesellschaft Druck auf die Tochtergesellschaft in Richtung der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bzw in Richtung einer entsprechenden Abfindung ausüben wollen. Er habe zum Zeitpunkt der Verfassung seines Schreibens keinerlei Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten der v***** GmbH (bzw deren Verantwortlichen) gehabt. Insbesondere seine im Verfahren (nachträglich) vorgebrachte Verantwortung, es habe Indizien in Richtung Körperverletzung und Betrug gegeben, wäre eine Schutzbehauptung gewesen. Aus der Darstellung seines Mandanten, die v***** GmbH habe einen (unzulässigen) Vergleichsdruck ausgeübt, habe der Beschuldigte für sich kein strafrechtlich relevantes Verhalten abgeleitet.

Rechtliche Beurteilung

Ein Rechtsanwalt ist nach § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Hinsicht zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten. Diese Norm stellt nach herrschender Ansicht und Rechtsprechung einen Rechtfertigungsgrund dar, der den Rechtsanwalt zu Handlungen berechtigt, die im Einzelfall ansonsten rechtswidrig wären (Lehner in Engelhart et al, RAO9, § 9 Rz 14; RIS-Justiz RS0031998 [T1]). Mit der genannten Bestimmung wird verhindert, dass durch gesetzliche oder standesrechtliche Bestimmungen die Vertretungs-möglichkeiten des Rechtsanwalts zu Lasten seines Mandanten unangemessen verkürzt werden (Lehner in Engelhart et al, RAO9, § 9 Rz 15; Feil/Wenig, AnwR8, RAO § 9 Rz 9).

Andererseits findet sich aber bereits im Tatbestand dieser Bestimmungen die Einschränkung, dass deren Wahrnehmung durch den Rechtsanwalt weder dem erteilten Auftrag noch seinem Gewissen widersprechen und auch nicht gegen Gesetze verstoßen darf (Lehner in Engelhart et al, RAO10 § 9 Rz 14). So darf der Rechtsanwalt nach § 17 RL‑BA nur solche Mittel anwenden, die mit Gesetz, Ehre und Ansehen des Standes vereinbar sind. Er darf weder Ansprüche mit unangemessener Härte verfolgen noch nicht sachbezogene Maßnahmen ankündigen oder anwenden. Den Standesvorschriften zuwider handelt danach etwa ein Rechtsanwalt, wenn er eine Strafanzeige einbringt oder mit der Einbringung einer solchen droht, ohne vorher sorgfältig und kritisch geprüft zu haben, ob eine tatsächliche Grundlage für die Anschuldigung besteht (RIS‑Justiz RS0056158; RS0055886 [T12]; Engelhart in Engelhart et al, RAO10 § 17 RL‑BA 2015 Rz 16 ff mwN).

Vor diesem Hintergrund ist die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, in der der Beschuldigte der ausführlichen Begründung des Disziplinarrats lediglich die Wiederholung seiner bisherigen Verantwortung entgegensetzt, nicht stichhaltig. Sie erschöpft sich nämlich im Wesentlichen im Hinweis auf die Gesamtsituation des vom Disziplinarbeschuldigten Vertretenen und auf den Ablauf dessen – in einen Vergleich mündenden – Auseinandersetzung mit seinem vormaligen Arbeitgeber, ohne die Anzeigendrohung – die er in der Berufungsverhandlung zu Unrecht zu bagatellisieren trachtete, ohne damit den Disziplinarvorwurf tangieren zu können – sachlich zu erklären. Wenn sich der Rechtsmittelwerber darauf beruft, dass er lediglich im Auftrag seines Mandanten gehandelt habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass ein Rechtsanwalt Aufträge, durch welche Ehre und Ansehen des Standes verletzt werden oder welche mit seinen Berufspflichten nicht vereinbar sind, eben nicht annehmen darf. Ein derartiger Auftrag kann daher auch einen Verstoß gegen Berufspflichten und Standesehre nicht rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0109302; RS0055886; RS0055970). Soweit der Beschuldigte geltend macht, dass es für ihn rechtfertigende Gründe zur Drohung mit der Strafanzeige gegeben habe, bezieht er sich nicht auf das schuldspruchgegenständliche Schreiben (./1), sondern ein späteres (./2 vom 14. November 2017), das der Disziplinarrat aber nicht als disziplinarrechtlich relevant erachtete (ES 11).

Auch die vom Disziplinarrat ausgemessene Geldstrafe ist dem sehr allgemein bleibenden Berufungsvorbringen entgegen nicht zu beanstanden. Angesichts der Intensität des Vorgehens des Beschuldigten, des raschen Rückfalls (letzte Abstrafung Oktober 2016) und der nicht unerheblichen Vorstrafen (TZ 16) liegt die Geldbuße in Höhe des Zweifachen des monatlichen Nettoeinkommens in dem dem Disziplinarrat zukommenden Ermessensbereich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.

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