OGH 1Ob86/09t

OGH1Ob86/09t26.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Johann F*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Rechtsanwaltskammer W*****, vertreten durch Prof. Dr. Walter Strigl, Dr. Gerhard Horak und Mag. Andreas Stolz, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen 1.249.989,98 EUR sA und Feststellung (Streitwert 200.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei (Revisionsstreitwert 883.635 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. März 2009, GZ 14 R 173/08a-90, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers kann von einer Missachtung der Bindungswirkung der Entscheidung des Schiedsgerichts keine Rede sein. Dabei übersieht er offenbar, dass das Schiedsgericht ausschließlich über die Rechtswidrigkeit des Ausschlusses aus dem Treuhandbuch abgesprochen hat, nicht aber auch über ein allfälliges Verschulden des Entscheidungsorgans der Beklagten. Abgesehen davon, dass der Schiedsspruch - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - keineswegs auch über das Verschulden (endgültig) abgesprochen hat, führte auch eine (überschießende) Beurteilung des Verschuldens eines Entscheidungsorgans zu keiner Bindung für den anschließenden Schadenersatzprozess (vgl nur RIS-Justiz RS0117584). Zutreffend ist das Berufungsgericht daher davon ausgegangen, dass die Frage des Verschuldens in diesem Verfahren (erstmals) zu prüfen ist (vgl nur RIS-Justiz RS0049819). Davon, dass das Berufungsgericht die Entscheidung des Schiedsgerichts „in Frage gestellt" hätte, kann überhaupt keine Rede sein.

2.) Unberechtigt ist auch der Vorwurf, das Berufungsgericht habe gegen die Bestimmung des § 473a ZPO verstoßen und es dem Kläger als Berufungsgegner nicht (ausdrücklich) freigestellt, Mängel von Tatsachenfeststellungen oder der Beweiswürdigung des Erstgerichts durch einen vorbereitenden Schriftsatz zu rügen. Eine solche Aufforderung war schon deshalb entbehrlich, weil der Kläger in seiner Berufungsbeantwortung zum nun für maßgeblich erklärten Beweisthema (Kausalität des Ausschlusses aus dem Treuhandbuch und/oder nachfolgender Strafanzeigen für den Verdienstentgang) ohnehin Stellung genommen und dazu sogar ausdrücklich ausgeführt hat, es sei sehr wohl und alleine der Ausschluss der Grund dafür gewesen, den Kläger in Hinkunft nicht mehr zu beauftragen. Eben davon ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen.

3.) Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, dass die bloße Unrichtigkeit einer Entscheidung noch keine Schadenersatzpflicht begründet. Vielmehr ist auch ein Verschulden des Entscheidungsorgans erforderlich, was sowohl für das Amtshaftungsrecht (vgl etwa RIS-Justiz RS0049951, RS0049955, RS0050216) wie auch in anderen Bereichen gilt, in denen durch bindende Aussprüche eines Entscheidungsorgans in die Rechtssphäre einer Partei eingegriffen wird (vgl etwa zum Vereinsausschluss 2 Ob 569/95; allgemein RIS-Justiz RS0108196). Geht es um die (unrichtige) Beurteilung von Rechtsfragen, ist Verschulden grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn der Entscheidung eine nach den Umständen unvertretbare Rechtsansicht zugrunde liegt. Ob dies der Fall ist, ist stets nach den konkreten Besonderheiten des Einzelfalls zu beurteilen, sodass sich insoweit regelmäßig eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht stellt.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Entscheidung des Präsidenten der Beklagten über den Ausschluss des Klägers aus dem Treuhandbuch sei rechtlich vertretbar gewesen, stellt keine bedenkliche Rechtsansicht dar, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Der Revisionswerber vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, der Präsident der Beklagten hätte ihn - wegen der gegen ihn bestehenden Verdachtslage im Zusammenhang mit der fehlerhaften Abwicklung einer Treuhandschaft - in das Treuhandbuch gar nicht aufnehmen dürfen; zur Ablehnung seines Aufnahmegesuchs wäre der Präsident nach dem Inhalt der Statuten sogar verpflichtet gewesen. Mit der Aufnahme habe er nun aber eine rechtlich geschützte Position erlangt, die es der Beklagten verwehrt hätte, ihn aufgrund einer nachfolgenden disziplinarrechtlichen Verurteilung wegen eines bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannten Vergehens auszuschließen.

Damit gesteht der Kläger selbst zu, dass er nicht jenem Kreis von Rechtsanwälten angehörte, die als Mitglieder des Treuhandbuchs wegen ihrer besonderen Vertrauenswürdigkeit der rechtsuchenden Öffentlichkeit als für die Funktion eines Treuhänders besonders geeignet präsentiert werden sollten. Gerade das mit der Einführung des Treuhandbuchs ersichtlich angestrebte Ziel, nämlich potenziellen Treugebern besonders vertrauenswürdige Rechtsanwälte bekannt zu geben, lässt es keineswegs bedenklich oder gar unvertretbar erscheinen, bei der Beurteilung allfälliger Ausschlussgründe in besonderer Bedachtnahme auf den verfolgten Schutzzweck auch über den Wortlaut der entsprechenden Bestimmungen des einschlägigen Statuts hinauszugehen. Auch wenn die Ausschlussgründe in Punkt 8.1 des Statuts - wie insbesondere das Schiedsgericht hervorgehoben hat - durchgehend im Präsens formuliert sind, wäre es kaum vertretbar, den Ausschluss eines Rechtsanwalts zu verbieten, wenn schwerwiegende Verfehlungen hervorkommen, die er bereits vor seinem Beitritt begangen hat. Es wäre mit dem Zweck des Treuhandbuchs unvereinbar, der Öffentlichkeit einen Rechtsanwalt, dessen mangelnde Integrität sich eindeutig erwiesen hat, weiterhin als besonders vertrauenswürdig zu präsentieren, zumal dessen Eignung als Treuhänder keineswegs nur durch nach dem Beitritt liegende Verfehlungen in Frage zu stellen ist.

Aber auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem zum Zeitpunkt des Beitritts zwar der Verdacht einer bereits begangenen Verfehlung im Zusammenhang mit Treuhandschaften bestand, dieser jedoch noch nicht ausreichend verifiziert war, erscheint die Auffassung vertretbar, dem betreffenden Rechtsanwalt könne vorerst durch Aufnahme in das Treuhandbuch ein „Vertrauensvorschuss" erteilt und dieser nach einer rechtskräftigen disziplinarrechtlichen Verurteilung durch Ausschluss wieder entzogen werden, insbesondere wenn man weiters berücksichtigt, dass dem Kläger als Aufnahmewerber seine Verfehlungen bewusst sein mussten, er diese jedoch gegenüber der Beklagten verschwiegen hat. Wenn der Präsident der Beklagten daher unter den gegebenen Umständen der Auffassung war, auch der vorliegende Sachverhalt stelle einen Umstand dar, der unter Berücksichtigung der mit der Mitgliedschaft eines Rechtsanwalts im Treuhandbuch verfolgten Ziele zum Schutz der potenziellen Treugeber zu einem Ausschluss führen müsse, kann dem Berufungsgericht keine bedenkliche Fehlbeurteilung vorgeworfen werden, wenn es ein solches Vorgehen als vertretbare Rechtsauslegung qualifiziert hat. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte