European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E121994
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin erwarb über Vermittlung des Beklagten eine „Eigentumswohnung“. Dieser klärte sie unrichtig über die Höhe der Heizkosten auf. Nicht besprochen wurde, ob eine Baubewilligung oder Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer für den bestehenden Balkonverbau vorliegt; dies sicherte der beklagte Immobilienmakler auch nicht zu. Die Klägerin verfügte vor Kaufvertragsabschluss über den richtigen Energieausweis und war über den anstehenden Sanierungsaufwand für die gesamte Wohnanlage informiert.
Die Klägerin begehrt den Ersatz der unerwarteten Heizkosten für den Zeitraum August 2016 bis Juli 2017 (982,10 EUR), die Kosten für die ordnungsgemäße Herstellung der Balkonverglasung von 864,48 EUR sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für zukünftige Schäden. Der Beklagte habe sie unrichtig über die Höhe der Heizkosten aufgeklärt und ihr ausdrücklich gesagt, der Balkonverbau der Eigentumswohnung sei ordnungsgemäß hergestellt, obwohl es sich dabei um einen „Schwarzbau“ gehandelt habe. Hätte sie die Höhe der tatsächlichen Betriebskosten gekannt, hätte sie die Wohnung nicht gekauft. Der Beklagte sei wegen diverser Pflichtverletzungen in keiner Weise verdienstlich geworden, weshalb ihm auch keine Provision zustehe.
Der Beklagte wendete ein, er sei seinen Aufklärungspflichten vollständig nachgekommen. Die aufgrund baulicher Vorgaben notwendige vorübergehende Entfernung der Balkoneinhausung habe nichts mit der Beratung durch ihn zu tun. Er wandte seinen Provisionsanspruch (3.096 EUR) aufrechnungsweise ein.
Das Erstgericht sprach aus, dass das Schadenersatzbegehren mit 982,10 EUR sowie die Gegenforderung ebenfalls in dieser Höhe zu Recht bestehe und wies das Feststellungsbegehren ab. Die Abweisung des Zahlungsbegehrens unterließ es. Es habe keine Nachforschungspflicht des Beklagten bestanden, einem allenfalls nicht bewilligten Balkonverbau nachzugehen. Die unvollständige bzw missverständliche Aufklärung zu den Betriebs‑ und Heizkosten machten ihn schadenersatzpflichtig. Der Klägerin sei im Vertrauen auf die korrekte Erfüllung des Maklervertrags ein Schaden in Höhe der über die bekannt gegebene Vorschreibung hinaus geleisteten Heizkosten (982,10 EUR von August 2016 bis Juli 2017) entstanden. Bei Kenntnis der wahren Heizkosten hätte sie die Wohnung nicht gekauft, weshalb solche nicht angefallen wären. Die Provision des Beklagten sei angemessen um die Höhe des der Klägerin entstandenen Vertrauensschadens zu mäßigen. Ein gänzlicher Entfall komme nicht in Betracht. Das Feststellungsbegehren bestehe nicht zu Recht, weil „durch die Leistungsklage alle von der Feststellungsklage erfassten Ansprüche und Rechtswirkungen klargestellt und entschieden“ worden seien. Die der Klägerin durch die Heizkosten in Zukunft entstehenden Mehrkosten könnten nicht mehr als Vertrauensschaden geltend gemacht werden.
Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe, dass es die Abweisung des Zahlungsbegehrens einfügte. Das Zurechtbestehen der Klagsforderung von 982,10 EUR werde nicht angefochten, sodass insofern die erstinstanzliche Entscheidung unberührt bleibe. Da der Beklagte die Höhe der Heizkosten nicht ausreichend bekanntgegeben habe, habe er den Vertrauensschaden zu ersetzen. Soweit die Klägerin so gestellt werden wolle, dass ihr die Wohnung „in warmem Zustand auf ewig“ zum Preis der „kalten Wohnung“ überlassen werde, liege darin kein Vertrauens‑, sondern ein nicht zu ersetzender Nichterfüllungsschaden. Wenngleich die Feststellung getroffen worden sei, dass sie die Wohnung bei Aufklärung über die wahren Gesamtbetriebskosten (inklusive Heizkosten) nicht gekauft hätte, so halte sie doch an der Wohnung fest und habe gerade nicht vor, die nun erheblich teurere Wohnung „abzustoßen“. Sie mache überhaupt keinen Vertrauensschaden geltend und begründe das Feststellungsbegehren auch nur mit in Zukunft entstehenden Mehrkosten wegen der Heizung. Solche Mehrkosten stellten jedenfalls einen Nichterfüllungsschaden dar, der nicht ersatzfähig sei. Die Kosten für die Entfernung des Glasverbaus anlässlich der Balkonsanierung (864,48 EUR) habe der Beklagte nicht zu ersetzen. Für ihn habe es keine Anhaltspunkte gegeben, die Frage einer Baubewilligung für den Glasverbau zu prüfen, weil keinerlei objektive Anhaltspunkte für das mögliche Vorliegen irgendwelcher Mängel am Vermittlungsobjekt vorhanden gewesen seien. Von ihm seien keine Zusicherungen abgegeben worden und es sei nicht einmal klar, ob die übrigen Wohnungseigentümer der Veränderung der „Außenhaut“ zugestimmt haben oder es sich um eine baubewilligungspflichtige Maßnahme handle. Die Mäßigung der Maklerprovision sei einzelfallbezogen und erscheine gerechtfertigt im Ausmaß von einem Drittel (dadurch Maklerprovision von 2.064 EUR).
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte nachträglich die ordentliche Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO für zulässig, weil fraglich sein könnte, „inwiefern“ es von den erstgerichtlichen Feststellungen ausgegangen sei, und „sich die Frage [stelle], inwiefern [es] das rechtliche Interesse an der Feststellung der Haftung des Beklagten für zukünftige Schäden zu Recht lediglich mit den in der Zukunft entstehenden Mehrkosten aus der Heizung beurteilt“ habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
1. Das Berufungsgericht darf auch ergänzende Feststellungen nur nach Beweiswiederholung bzw Beweisergänzung (§ 488 ZPO) treffen. Der aufgezeigte Verstoß ist jedoch unerheblich, wenn er keine für die Beurteilung entscheidenden Umstände betrifft (RIS‑Justiz RS0043026 [T2]; vgl RS0043057 [T9]). Zwar ist das Berufungsgericht unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes davon ausgegangen, „dass die Klägerin an der Wohnung festhält und gerade nicht vorhat, die nun erheblich teurere Wohnung abzustoßen“, jedoch ist diese Feststellung für die rechtliche Beurteilung nicht entscheidungswesentlich. Dasselbe gilt für die vom Beklagten bekämpfte Feststellung, die Klägerin hätte bei ordnungsgemäßer Information über die monatliche Gesamtvorschreibung die Eigentumswohnung nicht gekauft. Umso weniger schneidet die Klägerin damit eine erhebliche Rechtsfrage an.
2.1. Hat der Makler seine Pflichten gegenüber dem Auftraggeber verletzt (vgl § 3 Abs 3 MaklerG, § 30b Abs 2 KSchG), kann bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen nach allgemeinen Grundsätzen Schadenersatz verlangt werden. Insofern verweist Satz 1 des § 3 Abs 4 MaklerG lediglich auf allgemeines Schadenersatzrecht (RIS‑Justiz RS0116638).
Die Verletzung von Informationspflichten bei Abschluss eines Vertrags, also unrichtige oder unvollständige Angaben über eine Eigenschaft der vermittelten Kaufsache, gewähren nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen nicht den Ersatz des Nichterfüllungsschadens, sondern billigen dem Geschädigten den Ersatz jenes Schadens zu, den er im Vertrauen auf die korrekte Erfüllung des Maklervertrags erlitten hat. Nicht zu ersetzen ist daher das positive Erfüllungsinteresse (RIS‑Justiz RS0016377 [T4]). Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stünde, wenn die Pflichtverletzung nicht begangen worden wäre (RIS‑Justiz RS0016374 ua). Die Klägerin ist daher so zu stellen, als ob sie vom Beklagten ordnungsgemäß über die Höhe der Heizkosten aufgeklärt worden wäre (vgl RIS‑Justiz RS0030153; RS0108267 [T3]).
2.2. Diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ist das Berufungsgericht gefolgt. Dass einem Kunden aufgrund unrichtiger Information eines Immobilienmaklers über die gute Beheizbarkeit der Wohnung eine Pauschale für zusätzlichen Heizaufwand nicht zu ersetzen ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt (5 Ob 43/02p). Die unrichtigen Abgaben des Beklagten über die Heizkosten haben nicht die von der Klägerin aus ihrer Sicht überhöhten Heizkosten verursacht. Einen Vertrauensschaden begehrt sie gerade nicht, vielmehr ein Erfüllungsinteresse, weshalb das Berufungsgericht ohne Fehlbeurteilung die Abweisung des Feststellungsbegehrens bestätigt hat.
2.3. Die einzelfallbezogene Auslegung von Prozesserklärungen bildet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042828 [T16]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren hinsichtlich der künftigen Schäden, die durch das Feststellungsbegehren gesichert werden sollen, nur auf die Heizkosten berief, ist nicht zu beanstanden. Die erstmals in der Revision aufgestellten Behauptungen über mögliche Aufwendungen aufgrund der (angeblich unrichtigen) Angaben über die Art der Heizungsanlage verstoßen gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) und sind daher unbeachtlich, ganz abgesehen davon, dass sich die Klägerin damit auch nicht auf ein zu ersetzendes Vertrauensinteresse beruft. Dass allenfalls zukünftig Vertrauensschäden anfallen könnten, legt sie in der Revision nicht dar.
3. Bei einem mehrere Ansprüche erfassenden Schadenersatzbegehren sind die einzelnen Ansprüche nur dann im Rahmen der Rechtsrüge zu prüfen, wenn diese hinsichtlich jedes dieser Ansprüche ordnungsgemäß ausgeführt ist (RIS‑Justiz RS0043338 [T6]). Die auf solche Weise versäumte Rechtsrüge kann daher in der Revision nicht mehr nachgeholt werden (RIS‑Justiz RS0043480 [T22]). Zum Schadenersatzanspruch der Entfernung des Glasverbaus am Balkon von 864,48 EUR hat die Klägerin in der Berufung keine näheren Ausführungen getätigt. Damit handelt es sich dabei um einen unbekämpft erledigten Streitpunkt.
4. Das Ausmaß der Provisionsminderung nach § 30 KSchG iVm § 3 Abs 4 MaklerG hängt davon ab, in welchem Maß die Verletzung einer wesentlichen Pflicht die Verdienstlichkeit des Maklers gemindert hat. Ausschlaggebend ist die Schwere der von ihm begangenen Vertragsverletzung, wobei diese Beurteilung im Einzelfall unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Interessen vorzunehmen ist (2 Ob 176/10m mwN; RIS‑Justiz RS0111058 [T5, T6, T8]). Dabei handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls, bei der nur grobe Ermessensfehler des Berufungsgerichts vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen wären (RIS‑Justiz RS0111058 [T1, T7, T13]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Beklagten eine Provision jedenfalls in der Höhe der zu Recht erkannten Gegenforderung zusteht, ist zumindest vertretbar.
5. Da die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist ihre Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Der Beklagte wies auf die fehlende Zulässigkeit der gegnerischen Revision hin.
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