European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00065.17S.0426.000
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin begehrt Regress nach § 67 VersVG aufgrund ihrer aus dem für den Bau eines Einfamilienhauses mit dem Bauherrn abgeschlossenen Bauherrenhaftpflichtversicherungsvertrag erfolgten Inanspruchnahme wegen Abrutschens des Hangs an der Grundstücksgrenze zur Nachbarliegenschaft.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Revision der Klägerin:
Vom Werkbesteller dem Werkunternehmer zur Verfügung gestellte Pläne sind „Stoff“ iSd § 1168a ABGB (RIS-Justiz RS0022045 [T17]; RS0022075 [T3]). Auch wenn der Werkunternehmer regelmäßig als Sachverständiger anzusehen ist (§ 1299 ABGB), sodass er einem objektiven Sorgfaltsmaßstab unterliegt, sind von ihm (nur) die üblichen Branchenkenntnisse zu vertreten. Er hat zwar den Besteller gemäß § 1168a ABGB zu warnen, wenn dieser offenbar unrichtige Anweisungen erteilt hat, „offenbar“ iSd § 1168a ABGB ist (aber wiederum bloß), was vom Unternehmer bei der von ihm vorausgesetzten Sachkenntnis erkannt werden muss (RIS-Justiz RS0022259; zuletzt 10 Ob 21/15h; 7 Ob 152/16b). Die Frage, ob eine schuldhafte, haftungsbegründende Warnpflichtverletzung vorliegt, ist wegen der Kasuistik der Fallgestaltung grundsätzlich eine solche des Einzelfalls und daher keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0116074 [T2 und T3]).
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, wonach die Erstbeklagte zum Baugrubenaushub vom Bauherrn zwar selbst beauftragt worden war, der Aushub aber aufgrund und entsprechend der Planung und den Vorgaben der zweitbeklagten Generalunternehmerin und unter Aufsicht des ihr zuzurechnenden Baustellenkoordinators, eines Baumeisters der von ihr beigezogenen Subunternehmerin, erfolgte, und nicht festgestellt werden konnte, ob die zu steile Böschungsneigung und die damit verbundene Gefahr eines Hangrutsches für einen sach‑ und fachgerecht vorgehenden Unternehmer, der Erdarbeiten anbietet und über die Gewerbeberechtigung der Erstbeklagten (lediglich für Erdbau, ein Teilgewerbe aus dem Gewerbe der Baumeister) verfügt, erkennbar war, teilte das Berufungsgericht die Ansicht des Erstgerichts, dass die Erstbeklagte nicht rechtswidrig gehandelt habe, als sie die Gefahr des Hangrutsches nicht erkannte und die Arbeiten ohne Absicherungen oder Warnung des Bauherrn vornahm. Der Klägerin sei der Nachweis einer die Erstbeklagte treffenden vertraglichen (Warn‑)Pflichtverletzung nicht gelungen.
Soweit die Klägerin unterstellt, die Erstbeklagte habe erkannt oder hätte erkennen müssen, dass sie eine Gefahr verwirkliche bzw sie habe gewusst, dass die Vorgaben nicht korrekt gewesen seien, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (vgl RIS-Justiz RS0042663 [T1]; RS0043312 [T4] ua). Legt man diesen zu Grunde, kommt es auf die nun für die Zulässigkeit der Revision dargestellte Frage, zu der die Revisionswerberin Rechtsprechung des Höchstgerichts vermisst, nämlich „ob bei Gewerbeberechtigungen, bei der das Gewerbe nur unter Aufsicht und nach Vorgabe eines anderen ausgeführt werden darf, die Haftung des ausführenden Gewerbetreibenden per se ausgeschlossen sein soll und wer bei Eintritt eines Schadens infolge mangelnder Sorgfalt des ausführenden Gewerbetreibenden und/oder des Beaufsichtigenden haftet“, nicht an. Die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0111271 [T2]).
Da die Klägerin eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht aufwerfen kann, ist ihre Revision zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).
2. Zur Revision der Zweitbeklagten:
Die – vom Berufungsgericht zur Zahlung und Haftung verpflichtete – Zweitbeklagte meint, das Berufungsgericht sei von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen. Es liege ein der zu 7 Ob 152/16b beurteilten Konstellation gleich gelagerter Fall vor. Damals habe der Oberste Gerichtshof aber eine Warnpflichtverletzung des Werkunternehmers in Bezug auf mangelhafte Vorleistungen eines anderen Werkunternehmers verneint. Tatsächlich entspricht aber der Sachverhalt des Anlassfalls jener Entscheidung in wesentlichen Elementen nicht dem hier zu Grunde liegenden. In jenem Fall war die beklagte Baumeisterin mit der Errichtung der Wärmeschutzfassade beauftragt gewesen, ein Fliesenleger mit der Sanierung der Terrasse oberhalb des Wohnzimmers. Die damalige Beklagte begann mit der Anbringung der Wärmedämmplatten im Anschluss an den unteren Aufbau der Terrasse, ohne dass sich ihre Mitarbeiter davon überzeugt hätten, ob die Abdichtung der Terrasse auf der Oberseite ordnungsgemäß durchgeführt worden war. Bei diesen beiden getrennten Gewerken gelangte der siebente Senat zur Auffassung, dass eine Aufklärungspflicht jedenfalls nicht so weit gehe, dass der Werkunternehmer davon ausgehen müsse, dass sein fachkundiger Vormann nicht fachgerecht arbeiten werde, es hätte der damaligen Beklagten die fehlerhafte Feuchtigkeitsisolierung des Fliesenlegers bei Erbringung ihrer Werkleistung unmittelbar nicht auffallen müssen, weil ihre Arbeiten an der Unterseite des Terrassenaufbaus angeschlossen hätten, während sich der Mangel im Werk des Fliesenlegers ausschließlich auf der Oberseite befunden habe. Weder habe eine besondere Kontrollpflicht im Bezug auf die wasserdichte Ausführung der Terrasse bestanden, noch seien besondere Koordinations‑ und Prüfpflichten von der damaligen Beklagten übernommen worden.
Im hier zu beurteilenden Fall war – mit Ausnahme des Aushubs – die Zweitbeklagte zum Generalunternehmer bestellt, auch wenn die [Durchführung der] Erdarbeiten selbst nicht Gegenstand ihres Bauwerkvertrags waren. Sie war, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, aber maßgeblich an diesen beteiligt und für die Herstellung der zu steilen Böschung mitverantwortlich, indem die Erstbeklagte aufgrund ihrer Planung und Vorgabe vorging und sie (bzw ihre Erfüllungsgehilfen) deren Arbeiten beaufsichtigte. Da feststeht, dass für die Verantwortlichen der Zweitbeklagten erkennbar war, dass die Herstellung einer den gesetzlichen Bestimmungen und dem Stand der Technik entsprechenden Baugrube ohne zusätzliche Absicherungsarbeiten nicht möglich gewesen wäre, sie dennoch weder solche anbringen ließ, noch den Bauherrn über ihre Notwendigkeit aufklärte, sie die Bauarbeiten nach den Erdarbeiten weiterführte und somit spätestens dann für die korrekte Absicherung der Baustelle verantwortlich gewesen war, liegt in der Auffassung des Berufungsgerichts, es sei eine schuldhafte Verletzung ihrer Pflichten aus dem Bauwerkvertrag zu bejahen, sie hafte daher für die in der Folge eingetretenen Schäden, keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.
Wenn die Zweitbeklagte im Rahmen von Ausführungen zur angeblichen Verletzung einer Schadensminderungspflicht des Bauherrn bloß pauschal behauptet, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob ein zum Schadenersatz Verpflichteter die Verjährung (des Regresses) dadurch hinauszögern könne, dass er einen von vornherein aussichtslosen Prozess (hier gemeint jener zwischen dem Nachbarn und dem Bauherrn) führe oder „ob in diesem Fall nicht doch die Verjährung anzunehmen“ sei, diesen Rechtsstandpunkt im Weiteren aber weder näher darlegt noch angibt, wann ausgehend von ihrer Rechtsansicht die Verjährung des Regressanspruchs der klagenden Versicherung überhaupt eingetreten sein solle, kann auch sie eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufzeigen. Ihre außerordentliche Revision ist daher ebenfalls zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
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