Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Herausgabe einer Reihe von Gegenständen, in eventu die Bezahlung des nach Gegenständen jeweils aufgeschlüsselten Betrages von (richtig:) S 72.751,80. Mit Urteil des Erstgerichtes vom 8.3.1991, ON 21, wurde dem Herausgabebegehren für Gegenstände im Wert von S 51.740,80 stattgegeben, das Mehrbegehren mit einem Wert von S 21.011,-- wurde abgewiesen. Dieses Urteil wurde von beiden Parteien mit Berufungen bekämpft. Das Berufungsgericht bestätigte mit seiner Entscheidung vom 1.10.1991, 1 R 161/91-28, den stattgebenden Spruch als Teilurteil; der Berufung der Klägerin gab es Folge. Es hob das Urteil, soweit das Klagebegehren abgewiesen wurde, sowie im Kostenpunkt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Eine außerordentliche Revision des Beklagten wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 18.3.1992, 1 Ob 551/92-33, zurückgewiesen.
Im fortgesetzten Verfahren anerkannte der Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Herausgabe eines Kühlschrankes (Wert S 7.140,- -). Über Antrag der Klägerin erging in diesem Umfang ein Teilanerkenntnisurteil. Mit Endurteil vom 22.5.1992, ON 36, wies das Erstgericht das restliche Klagebegehren auf Herausgabe einer Reihe von Gegenständen, allenfalls auf Bezahlung des Betrages von S 13.852,-- samt Anhang ab. Dieses Urteil bekämpfte die Klägerin ausschließlich aus dem auch nur in diese Richtung inhaltlich ausgeführten Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung.
Dieser Berufung gab das Berufungsgericht keine Folge. Es sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Es führte aus, der Streitgegenstand, über den das Erstgericht entschieden habe, übersteige nicht S 15.000,- -. Wenngleich der ursprüngliche Streitwert erheblich höher gewesen, in der Folge jedoch durch Teilurteile der Streitwert verringert worden sei, habe zum Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichtes mit dem Endurteil der noch offene Streitgegenstand den Wert von insgesamt S 15.000,-- nicht überstiegen. Hierauf sei aber bei der Beurteilung der Anwendbarkeit des § 501 ZPO abzustellen. Gemäß § 501 Abs 1 ZPO könne dann, wenn das Erstgericht über einen Streitgegenstand entschieden habe, der an Geld oder Geldeswert S 15.000,-- nicht übersteige, das Urteil nur wegen Nichtigkeit und wegen einer ihm zugrundeliegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache angefochten werden. Da die Berufung keinen der im § 501 ZPO zugelassenen Rechtsmittelgründe geltend mache, sei sie abzuweisen (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1837) und nicht, wie die Berufungsbeantwortung begehre, zurückzuweisen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs, in eventu die Revision der Klägerin. In ihrem Rechtsmittel vertritt die Klägerin die Ansicht, das Berufungsgericht habe sich in der Entscheidungsform vergriffen. Ausgehend von seiner von der Rechtsmittelwerberin bekämpften Rechtsansicht, es liege ein S 15.000,-- nicht übersteigender Streitwert vor, wäre die nur aus dem Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung erhobene Berufung zurückzuweisen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der letztgenannten Ansicht ist zu folgen.
Hat das Gericht über einen Streitgegenstand entschieden, der an Geld oder Geldeswert S 15.000,-- nicht übersteigt, so kann nach § 501 Abs 1 ZPO in der Fassung der Zivilverfahrensnovelle 1983 das Urteil nur wegen Nichtigkeit und wegen einer ihm zugrundeliegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache angefochten werden. Durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 wurden unter anderem die Vorschriften über das Bagatellverfahren beseitigt, die Wertgrenze von S 2.000,-- auf S 15.000,-- angehoben und die Berufungsgründe des § 501 ZPO für geringe Streitwerte über die Nichtigkeitsgründe nach § 477 Abs 1 Z 1 bis 8 ZPO hinaus wie oben dargestellt erweitert. Bei Auslegung der Vorschrift des § 501 ZPO aF war es in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, daß bei Geltendmachung anderer als der dort genannten Berufungsgründe die Berufung zurückzuweisen sei (Arb. 6878; Fasching, Kommentar IV 236; derselbe, ErgBd. 73). Nunmehr vertritt Fasching in LB2 Rz 1837 die Ansicht, Berufungen bei S 15.000,-- nicht übersteigendem Streitgegenstand seien abzuweisen, wenn sie keinen der im § 501 ZPO genannten Berufungsgründe enthielten. Allerdings führt er in Rz 1840 aus, daß dann aber zur Klärung der Frage, ob eine Bagatellsache vorliege, wie auch nach der früheren Rechtslage der volle Instanzenzug offenstehen müsse. Auch Fucik (RZ 1984, 60) vertritt die Ansicht, bei Geltendmachung ausschließlich unzulässiger Berufungsgründe sei sachlich zu entscheiden. Er führt aus, da eine unrichtige Bezeichnung von Gründen unerheblich sei, müsse jede Berufung im „Bagatellbereich“ sachlich näher geprüft werden, alsdann könne sie negativ mit abweisendem (nach dem § 500 Abs 2 Z 2 irrevisiblen) Urteil erledigt werden. Während Fasching unter Statthaftigkeit eines Rechtsmittels im Kommentar IV 11 verstand, daß die Entscheidung überhaupt und durch das gewählte Rechtsmittel anfechtbar ist, definiert er nunmehr diesen Begriff dahin (LB2 Rz 1682), es müsse die Entscheidung (nur) überhaupt anfechtbar sein und diese Anfechtung müsse durch die Art des erhobenen Rechtsmittels geschehen können (ähnlich Rechberger-Simotta, ZPR3 Rz 666; Ballon, ZPR2 200; Holzhammer, ZPR2 316). Wie die weiteren Ausführungen von Fasching zeigen (Rz 1684), versteht er unter „Art des erhobenen Rechtsmittels“ das der Entscheidungsform des Gerichtes Kongruente. Damit bedeutet es aber nun für ihn nicht mehr einen Fall der Unzulässigkeit des Rechtsmittels, wenn dieses der Art nach zulässige Rechtsmittel (hier: Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil) zwar erhoben wurde, darin aber ausschließlich Rechtsmittelgründe geltend gemacht werden, die dem Beschwerdeführer nach dem Gesetz nicht zustehen. Anders war seine im Kommentar vertretene Meinung; danach war bei Prüfung der Statthaftigkeit des Rechtsmittels auch zu beurteilen, ob überhaupt zulässige Rechtsmittelgründe geltend gemacht wurden. Er führte (aaO IV 11) aus, der Statthaftigkeit nahe komme die in der österreichischen ZPO gleichfalls unter den Begriff der „Zulässigkeit“ gereihte Beschränkung des Rechtsmittels auf bestimmte Anfechtungsgründe, die allein überprüft werden dürfen und deren Fehlen zur Zurückweisung des ganzen Rechtsmittels führt. Solche inhaltlichen Zulässigkeitsbeschränkungen enthielten § 501 ZPO für Berufungen in Bagatellstreitigkeiten und § 503 ZPO für die Revision (vgl. SZ 5/147). Von der Statthaftigkeit unterscheide sich die Form der inhaltlich abgegrenzten Unzulässigkeit dadurch, daß das Rechtsmittel als solches vom Gesetz gewährt, also statthaft, aber die Überprüfungsbefugnis beschränkt worden sei (ähnlich Petschek-Stagel 371 und Sperl 600, 628, 654, 658). Auch Neumann, Kommentar4 1283 und Schrutka in JBl. 1910, 87 halten eine Berufung in Bagatellsachen für unzulässig, wenn sie aus anderen Gründen als wegen der im § 477 Z 1 bis 8 ZPO aufgezählten Nichtigkeiten erhoben wurde.
Diese Ansichten verdienen den Vorzug. Schon nach der Formulierung des § 501 Abs.1 ZPO (kann...angefochten werden) ist der Schluß zu ziehen, daß die ausschließliche Geltendmachung anderer als der dort genannten Berufungsgründe das Rechtsmittel unzulässig macht. Ist es der Partei nur gestattet, eine Entscheidung des Gerichtes aus bestimmten, im Gesetz taxativ aufgezählten Gründen anzufechten, muß es ihr verwehrt sein, durch Erhebung ausschließlich anderer Rechtsmittelgründe über die nach neuerer Ansicht sachlich zu entscheiden wäre, die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit der ergangenen Entscheidung hinauszuschieben. Unzulässige Rechtsmittel hindern nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit (SZ 25/298; EvBl 1951/91; Fasching, LB2 Rz 1494). Eine nur aus unzulässigen Rechtsmittelgründen erhobene Berufung ist dann aber im Sinn des § 471 Z 2 ZPO einer gesetzlich unzulässigen Berufung gleichzustellen. Dagegen spricht nicht (so aber Fucik aaO 60 FN 90), daß jede Berufung im „Bagatellbereich“ sachlich überprüft werden müsse, weil es nicht auf die Bezeichnung, sondern auf die inhaltliche Ausführung der Berufungsgründe ankomme. Nach § 508a ZPO ist aber auch eine außerordentliche Revision mangels der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO (Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung) zurückzuweisen, was immer nur nach einer sachlichen Prüfung der vom Revisionswerber dargelegten Ausführungen beurteilt werden kann. Ebenso entsprach es der Praxis des Höchstgerichtes nach § 16 AußStrG aF außerordentliche Revisionsrekurse, mit denen nur unrichtige rechtliche Beurteilung, die nicht das Gewicht einer offenbaren Gesetzwidrigkeit hatten, behauptet wurde, zurückzuweisen. Auch in diesem Fall mußte das Rechtsmittel sachlich geprüft werden. Letztlich kann nur bei einer solchen Auslegung sichergestellt werden, daß die Frage, ob überhaupt ein S 15.000,-- nicht übersteigender Streitwert vorliegt, von zwei Instanzen überprüft wird. Weist nämlich erst das Berufungsgericht eine mit ausschließlich unzulässigen Rechtsmittelgründen erhobene Berufung zurück, kann diese Entscheidung gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO mit Vollrekurs und ohne Beschränkung auf die Höhe des Streitwertes bekämpft werden (RZ 1992/1; EvBl. 1991/62, 1 Ob 583/92 ua). Würde bei einem S 15.000,-- nicht übersteigenden Streitwert der Berufung hingegen nicht Folge gegeben werden, erscheint es insbesondere dann, wenn der Rechtsmittelwerber behauptet, der Streitwert läge zwar über S 15.000,-- aber unter S 50.000,-- kaum möglich, der von Fasching, LB2 Rz 1840 vertretenen Rechtsansicht zu folgen, daß - so wie nach der früheren Rechtslage - zur Klärung der Frage, ob eine „Bagatellsache“ vorliege, der volle Instanzenzug offen sei.
Daraus folgt, daß sich das Berufungsgericht in der Entscheidungsform vergriffen hat. Dies beeinflußt aber nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels (SZ 46/103; JBl. 1960, 260; JBl. 1955, 21). Die Klägerin hat daher zutreffend in erster Linie den nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässigen Rekurs ergriffen um die Frage, ob der Streitwert S 15.000,-- übersteigt, an den Obersten Gerichtshof heranzutragen.
In der Sache ist der Rekurs aber nicht berechtigt.
Das Erstgericht entschied mit Endurteil über einen Streitgegenstand, der S 15.000,-- nicht überstieg. Daß dieser Streitwert ursprünglich höher lag und durch die Fällung zweier Teilurteile unter die Grenze des § 501 ZPO sank, kann nicht dazu führen, den ursprünglichen Gesamtstreitwert als maßgeblich zu erachten. Dieser Fall liegt nicht anders als hätte der Beklagte den Klagsanspruch zum Teil erfüllt und die Klägerin dann ihr Begehren entsprechend eingeschränkt. Selbst Fasching LB2 Rz 1836, der für die Fällung von Teilurteilen den gesamten noch offenen Streitwert als maßgeblich ansieht (dagegen Petrasch in ÖJZ 1985, 295 f und ÖJZ 1983, 175 sowie die nicht veröffentlichten Entscheidungen 5 Ob 709/80 und 2 Ob 145/83) vertritt die Ansicht, es komme auf den Streitgegenstand der Urteilsfällung an. Dieser überstieg aber nicht S 15.000,- -. Die Klägerin war daher nach § 501 ZPO auf die Berufungsgründe der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beschränkt, die sie aber weder ihrer Erklärung noch dem Inhalt ihres Rechtsmittels nach geltend machte.
Dem Rekurs ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.
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