OGH 1Ob585/88

OGH1Ob585/8819.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** K***, wider die beklagten Parteien 1. Pin G***

(geb. A***, verehel. M*** bzw. M***), Hausfrau,

derzeit unbekannten Aufenthaltes, vertreten durch Dr. Hans Paternioner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, und 2. Somboon M***, unbekannten Aufenthaltes, vertreten durch den Kurator Dr. Herwig Medwed, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Nichtigkeit der Ehe infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5. Februar 1988, GZ 2 R 2/88-52, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 24. September 1987, GZ 25 Cg 220/84-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden insoweit, als die Nichtigkeit der zwischen Pin G*** und Somboon M*** geschlossenen Ehe ausgesprochen wurde, als nichtig aufgehoben; das Verfahren wird ab Klagszustellung für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die im Juni 1949 in Buriram (Thailand) geborene Pin A*** (Erstbeklagte) ging mit dem Zweitbeklagten, der thailändischer Staatsbürger ist, eine Lebensgemeinschaft ein, aus der der im Jahre 1970 geborene Sohn Lei stammt. Am 11. November 1974 schloß sie mit Alfred M***, der die Erstbeklagte als Tourist in Bangkok kennengelernt hatte, vor dem Amphur Standesamt Phyathai in Bangkok die unter Nr. 3741/24529 registrierte Ehe. Alfred M*** lebte mit der Erstbeklagten im Jahre 1975 zwei Monate zusammen und kehrte dann in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Im März 1976 lernte die Erstbeklagte den am 25. Jänner 1944 geborenen österreichischen Staatsbürger Karl G***, der sich als Urlauber in Thailand aufhielt, kennen. Am 30. März 1976 schlossen die Erstbeklagte und Karl G*** vor dem Standesamt Bangkapi in Bangkok die Ehe, die unter Nr. 668/11682 registriert wurde. Karl G*** kehrte nach der Eheschließung nach Österreich zurück. Er hatte mit der Erstbeklagten vereinbart, daß er sie, sobald er über die erforderlichen Reisedokumente verfüge, nach Österreich mitnehmen werde. Am 21. Mai 1976 schloß die Erstbeklagte unter dem Namen Pin A*** bzw. A*** mit dem Zweitbeklagten vor dem Standesamt Bangkok Noi die unter Nr. 993/26895 registrierte Ehe. Im November 1976 begab sich Karl G*** zur Erstbeklagten nach Bangkok. Die österreichische Botschaft Bangkok stellte der Erstbeklagten am 6. Dezember 1976 einen Einreisesichtvermerk nach Österreich mit zweijähriger Dauer aus. Die Erstbeklagte lebte seit Dezember 1976 mit Karl G*** in Klagenfurt. Ihr wurde gemäß § 9 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 auf Grund ihrer Eheschließung mit Karl G*** und der von ihr gegebenen Erklärung, der Republik Österreich als getreue Staatsbürgerin angehören zu wollen, vom Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft bescheinigt.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt begehrte die Nichtigerklärung der von der Erstbeklagten mit Karl G*** und dem Zweitbeklagten geschlossenen Ehen. Die Erstbeklagte habe am 11. November 1974 mit Alfred M*** eine nach thailändischem und österreichischem Recht gültige Ehe geschlossen, so daß die mit Karl G*** am 30. März 1976 und mit dem Zweitbeklagten am 21. Mai 1976 geschlossenen Ehen sowohl nach österreichischem als auch nach thailändischem Recht mit dem Nichtigkeitsgrund der Doppelehe behaftet seien. Im Hinblick auf die österreichische Staatsbürgerschaft der Erstbeklagten und die zu erwartende Anerkennung der Entscheidung des österreichischen Gerichtes nach dem Heimatrecht des Zweitbeklagten sei die inländische Gerichtsbarkeit gegeben.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Die Erstbeklagte brachte vor, daß sie im Zeitpunkt der Eheschließung mit Karl G*** nicht verheiratet gewesen sei. Mit dem Zweitbeklagten habe sie keine Ehe geschlossen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Aktivlegitimation der klagenden Partei zur Erhebung der Nichtigkeitsklage sei gegeben. Die inländische Gerichtsbarkeit sei auch in Ansehung des (nunmehr) Zweitbeklagten im Hinblick auf die österreichische Staatsbürgerschaft der Erstbeklagten und die zu erwartende Anerkennung der österreichischen Entscheidung nach dem (thailändischen) Heimatrecht des Zweitbeklagten gegeben. Die Gültigkeit einer im Ausland geschlossenen Ehe sei gemäß § 16 Abs. 2 IPRG nach dem Personalstatut jedes Verlobten zu beurteilen; es genüge jedoch die Einhaltung der Ortsform. Beide Anknüpfungsmomente stünden gleichberechtigt nebeneinander und könnten wahlweise herangezogen werden. Gemäß Sekt. 1449 des thailändischen Familienrechtes sei eine "unter diesem Gesetz vollzogene Eheschließung nur wirksam, wenn die Eintragung erfolgt ist". Diese Voraussetzung treffe sowohl auf die Ehe der Erstbeklagten mit Alfred M*** als auch auf ihre Ehen mit Karl G*** und dem Zweitbeklagten zu. Die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung wie das erforderliche Alter, das Nichtbestehen von Ehehindernissen sowie die Voraussetzungen der Nichtigkeit seien gemäß § 17 Abs. 1 IPRG für jeden Verlobten nach seinem Personalstatut im Zeitpunkt der Eheschließung zu beurteilen. Gemäß Sekt. 1445 Z 3 des thailändischen Familienrechtes in der im Zeitpunkt der Eheschließungen der Erstbeklagten gültigen Fassung könne eine Ehe nur geschlossen werden, wenn der Mann oder die Frau nicht bereits mit einer anderen Person verheiratet ist. Eine unter Verletzung des Sekt. 1445 Z 3 des thailändischen Familienrechts geschlossene Ehe ist für nichtig zu erklären (Sekt. 1490, 1491). Gemäß § 24 EheG sei eine Ehe nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung mit einem Dritten in gültiger Ehe lebte. Die Erstbeklagte habe mit Alfred M*** eine gültige Ehe geschlossen gehabt, so daß sowohl die mit Karl G*** als auch die mit dem Zweitbeklagten geschlossene Ehe nichtig sei.

Karl G*** zog die von seinem Vertreter Rechtsanwalt Dr. Hans P*** gegen das Urteil des Erstgerichtes erhobene Berufung mit Schriftsatz vom 26. November 1987 (ON 49) zurück. In dem von Rechtsanwalt Dr. Hans P*** auch namens der Erstbeklagten eingebrachten Schriftsatz wird ausgeführt, daß die Erstbeklagte den Willen gehabt habe, in ihre Heimat zurückzukehren. Karl G*** habe sie nach Thailand zurückgebracht; während er nach Österreich zurückgekehrt sei, sei die Erstbeklagte in Thailand geblieben, ihr derzeitiger Aufenthaltsort sei nicht bekannt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Zweitbeklagten kommt Berechtigung zu.

Der Zweitbeklagte macht geltend, es stehe (nunmehr) fest, daß die zwischen der Erstbeklagten und Karl G*** geschlossene Ehe nichtig sei. Demnach habe die Erstbeklagte die österreichische Staatsbürgerschaft rückwirkend verloren. Im Zeitpunkt der Eheschließung seien beide Beklagte thailändische Staatsbürger gewesen. Da die vom österreichischen Gericht zu fällende Entscheidung vom Heimatstaat des Zweitbeklagten nicht anerkannt werde, sei die inländische Gerichtsbarkeit nicht mehr gegeben. Die Erstbeklagte hat die Entscheidung des Berufungsgerichtes über den Ausspruch der Nichtigkeit ihrer mit Karl G*** geschlossenen Ehe nicht bekämpft, diese Entscheidung ist sohin in Rechtskraft erwachsen. Die Nichtigerklärung der Ehe hat zur Folge, daß die auf Grund einer Erklärung gemäß § 9 Abs. 2 StbG 1965 bescheinigte österreichische Staatsbürgerschaft der Erstbeklagten als nicht erworben anzusehen ist (VwSlg. 11.921/A; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 7 zu §§ 29 bis 32 EheG; Koziol-Welser, Grundriß8 II 183; Schwind, Kommentar zum österr. Eherecht2 135).

§ 76 Abs. 3 JN in der Fassung vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983 (vgl. deren Art. XVII § 2 Abs. 6) ist die inländische Gerichtsbarkeit für eine Klage auf Nichtigerklärung der Ehe dann, wenn keiner der Ehegatten die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, nur gegeben, wenn der gewöhnliche Aufenthaltsort des Mannes oder der Frau im Inland gelegen ist und nach dem Heimatrecht des Mannes die von dem österreichischen Gericht zu fällende Entscheidung anerkannt werden wird oder auch nur einer der Ehegatten staatenlos ist. Die Bestimmung der Z 2 des § 76 Abs. 3 JN ist nicht anwendbar, da die Erstbeklagte im Zeitpunkt der Eheschließung mit Karl G*** nicht österreichische Staatsbürgerin war.

Das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit ist gemäß § 42 Abs. 1 JN in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen. Eine perpetuatio fori tritt gemäß § 29 zweiter Satz JN (jedenfalls in Ehesachen) nicht ein (SZ 48/129; SZ 23/293; SZ 22/137; Fasching, Lehr- und Handbuch2 Rz 79; Fasching, Kommentar I 402 Anm. 13; Rechberger-Simotta, Zivilprozeßrecht3 Rz 56). Der Vertreter der Erstbeklagten und des Karl G*** teilte mit Schriftsatz vom 26. November 1987 (ON 49) mit, daß die Erstbeklagte den Willen gehabt habe, wieder in ihre Heimat zurückzukehren; sie habe dies auch getan, ihr derzeitiger Aufenthaltsort in Thailand sei nicht bekannt. Die klagende Partei hat zu diesem Vorbringen über Aufforderung des Obersten Gerichtshofes dahin Stellung genommen, daß ihr keine Umstände bekannt seien, die gegen die Richtigkeit dieser Mitteilung sprechen. Durch die Nichtigerklärung der Ehe der Erstbeklagten mit Karl G*** hat sie, wie bereits ausgeführt, die österreichische Staatsbürgerschaft verloren. Keiner Klärung bedarf, ob sie damit wieder die thailändische Staatsbürgerschaft oder aber zufolge ihrer Ehe mit Alfred M*** die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Ein gewöhnlicher Aufenthaltsort der Erstbeklagten in Österreich besteht nicht mehr. Dies hat, wie der Zweitbeklagte zu Recht geltend macht, zur Folge, daß die inländische Gerichtsbarkeit für die Nichtigerklärung der Ehe der Erst- mit dem Zweitbeklagten weggefallen ist.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kosten des Abwesenheitskurators des Zweitbeklagten werden vom Erstgericht zu bestimmen sein (vgl. Fasching Kommentar II 174).

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