Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Kaufvertrag vom 2. Juli 1984 verkaufte die Klägerin dem Beklagten die in ihrem grundbücherlichen Eigentum gestandene Liegenschaft EZ 1633 KG Breitenfurth mit den Grundstücken 299/13 und 299/14 je Garten und 758 Baufläche. Vereinbart wurde der Kaufpreis von S 250.000,--. In Punkt IV räumte der Beklagte der Klägerin das "lebenslängliche, höchstpersönliche und unentgeltliche Fruchtgenußrecht" an dieser Liegenschaft "samt allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör" ein und bestellte die Liegenschaft "zur Verdinglichung dieses Fruchtgenußrechtes". In der Folge änderte der Beklagte die Schlösser der Eingangstür (zum Garten); die Klägerin ist nicht im Besitz des neuen Schlüssels.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 29. Mai 1985, 3 SW 15/85-10, wurde Dr. Alfred S*** zum Sachwalter der Klägerin bestellt. Vorher hatte Univ.Prof.Dr. Friedrich S*** nach Untersuchung der Klägerin ein Gutachten erstattet, wonach bei der Klägerin ein zerebraler Abbauprozeß im Sinne einer fortschreitenden organischen Demenz bestehe. Diese Demenz begann schleichend und langsam seit dem Jahr 1979 im Anschluß an den plötzlichen Tod ihres Mannes. Schon 1982 war sie nach einem Bericht des Facharztes Dr. W*** zeitlich mangelhaft orientiert, in ihrem Gedankengang verlangsamt und schwerfällig; sie zeigte Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörungen. Zwischen der Untersuchung durch Dr. W*** am 4. Dezember 1982 und der Untersuchung durch den Sachverständigen am 21. Mai 1985 durchlief die Klägerin eine Entwicklung bis zur vollkommenen zeitlichen, örtlichen und persönlichen Desorientierung. Sie war am 21. Mai 1985 nicht mehr in der Lage zu beurteilen, in welcher Situation sie ist, einfache Fragen zu beantworten oder irgendwelche Rechenleistungen zu erbringen. Der Intelligenzabbau erfolgte bis zu einem Grad, bei dem nur noch die Fassade der Persönlichkeit erhalten ist. Schon bei Abschluß des Kaufvertrages war sie unfähig, die Bedeutung dieser Handlung zu erkennen.
Die Klägerin - deren Klage vom Bezirksgericht Fünfhaus mit Beschluß vom 11. Februar 1986, 3 SW 15/85-20, gerichtlich genehmigt worden ist, begehrt - , den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr die Liegenschaft EZ 1633 KG Breitenfurth geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben (Punkt 1.) und Störungen der Ausübung des Fruchtgenußrechtes an dieser Liegenschaft dadurch, daß er das Schloß an dem Gartentor oder Gartenhaus dieser Liegenschaft auswechsle, oder Störungen ähnlicher Art in Hinkunft zu unterlassen (Punkt 2.). Im Hinblick auf ihre mangelnde Handlungsfähigkeit bei Abschluß des Kaufvertrages fechte sie diesen zu 32 Cg 374/84 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien an. Allein der Fruchtnießer sei zur Ausübung der Eigentümerrechte berechtigt und dürfe die Sache vermieten und verpachten. Die Klägerin habe daher das Recht, von der Sache jeden beliebigen Gebrauch zu machen und das auf dem dienstbaren Grund befindliche Gebäude zu bewohnen. Sie könne aber diese Liegenschaft nicht mehr benützen, weil der Beklagte das Schloß des Gartentores habe ändern lassen. Sie erhebe daher die Servitutenklage (ON 1). Ihr stehe sowohl als Eigentümerin als auch als Fruchtnießerin das Recht auf Benützung der Liegenschaft zu (ON 7, S. 21).
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei bei Vertragsabschluß voll geschäftsfähig gewesen. Bei dem durch Punkt IV des Kaufvertrages eingeräumten Fruchtgenußrecht handle es sich nicht um ein ausschließliches Fruchtgenußrecht, sondern um ein höchstpersönliches, so daß Vermietungen und Verpachtungen nicht in Betracht kämen. Das Räumungsbegehren bestehe nicht zu Recht, weil eine physische Übergabe der Liegenschaft an den Beklagten vereinbart worden sei. Da das frühere Gartenschloß kaputt gewesen sei, habe er im Wege einer Ersatzinvestition einen neuen Schloßzylinder einbauen müssen. Er habe die Ausübung des Fruchtgenusses der Klägerin niemals gestört, weil diese das Betreten der Liegenschaft nie versucht oder auch nur angestrebt und ihn auch nicht zu einer entsprechenden Gestattung aufgefordert habe. Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Der Beklagte habe sich mit Vertrag vom 2. Juli 1984 verpflichtet, der Klägerin das lebenslängliche, höchstpersönliche und unentgeltliche Fruchtgenußrecht an der umstrittenen Liegenschaft einzuräumen; dieses Recht sei auch verdinglicht worden. Nach § 509 ABGB sei die Fruchtnießung das Recht, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkung zu genießen. Gemäß § 523 ABGB könne gegen den Eigentümer das Recht der Servitut behauptet werden. Dabei habe der Kläger die Erwerbung der Servitut zu beweisen. Da ein bücherliches Recht mit Einverleibung im Grundbuch erworben werde, sei dieser Beweis erbracht. Die Klägerin habe als Fruchtnießerin das ausschließliche Recht auf Ausübung der Rechte auf Nutzung und Verwaltung der in Fruchtgenuß gegebenen Liegenschaft sowie das Recht auf eigene Benützung, sohin auch das Recht auf Vermietung. Die Änderung des Schlosses der Eingangstüre durch den Beklagten bedeute wegen der Aussperrung der Klägerin eine Störung ihres Fruchtgenußrechtes. Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe niemals einen Schlüssel verlangt, sei unbeachtlich, weil spätestens mit Einbringung der Klage eindeutig klargestellt gewesen sei, daß die Klägerin auf Ausübung ihres Fruchtgenußrechtes bestehe. Die Bestreitung der Unterlassungspflicht im Prozeß sei ein Anzeichen für die Gefahr einer Wiederholung der Störung; die Zusage der Nichtstörung im Prozeß reiche in der Regel nicht aus. Der Grund für die Einbringung der Servitutenklage wäre allenfalls dann weggefallen, wenn der Beklagte zu Beginn des Prozesses der Klägerin den Schlüssel angeboten und übergeben hätte; aus der weiteren Bestreitung des Klagebegehrens ergebe sich eindeutig die Berechtigung der Klageführung. Das auf den Vertrag vom 2. Juli 1984 gestützte Klagebegehren bestehe somit zu Recht. Die Frage der Gültigkeit des Vertrages könne offen bleiben; es bleibe der Klägerin unbenommen, anstelle des sich aus der Ungültigkeit des Kaufvertrages ergebenden Eigentumsrechtes das ihr vom Beklagten eingeräumte Fruchtgenußrecht in Anspruch zu nehmen; in beiden Fällen sei der Beklagte zur Räumung der Liegenschaft und zur Unterlassung von Störungen verpflichtet.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es im Unterlassungsausspruch die Wortfolge "der Ausübung des Fruchtgenußrechtes" entfallen ließ. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Die vom Kläger vermißte Feststellung, er habe der Beklagten zu Beginn des Verfahrens (offenbar zu 32 Cg 374/84 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien) die Schlüssel angeboten, sei rechtlich unerheblich, weil auch zu diesem Zeitpunkt die Klägerin nicht mehr rechtswirksam einen geschäftlichen Willen habe äußern können, so daß auch aus der Verweigerung der Annahme der Schlüssel durch die Klägerin keine rechtlichen Konsequenzen gezogen werden könnten. Die Klägerin gehe zwar einerseits von der Rechtswirksamkeit des Kaufvertrages vom 2. Juli 1984 aus, wenn sie ihr Begehren auf das darin eingeräumte Fruchtgenußrecht stütze, verweise aber gleichzeitig auf ihre mangelnde Geschäftsfähigkeit bei Abschluß des Vertrages, was die Nichtigkeit des gesamten Vertragswerkes und damit auch der Vereinbarung des Fruchtgenußrechtes zur Folge hätte. Die Klägerin stütze ihre Klage demnach auch auf ihr Eigentumsrecht als weiteren Rechtsgrund. Ihr Begehren sei schon allein aus diesem Grunde berechtigt. Die Klägerin sei schon bei Vertragsabschluß unfähig gewesen, die Bedeutung rechtsgeschäftlicher Handlungen zu erkennen; sie sei damit einem Kind unter sieben Jahren gleichgestellt gewesen. Solche Personen seien geschäftsunfähig; von ihnen geschlossene Verträge seien absolut nichtig und könnten auch nicht durch den gesetzlichen Vertreter wirksam genehmigt werden. Selbst wenn man der Klägerin eine beschränkte Geschäftsfähigkeit zubilligen wollte, gelangte man im vorliegenden Fall zu demselben Ergebnis, weil im konkreten Fall eine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zum Abschluß des Vertrages auch im nachhinein nicht erteilt, sondern vielmehr der Vertrag wegen Nichtigkeit angefochten worden sei. Für die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes könne daher nicht von einem gültig zustandegekommenen Vertrag ausgegangen werden. Der Vereinbarung des Fruchtgenußrechtes sei daher gleichfalls der Boden entzogen. Dem stehe auch die bereits erfolgte Verdinglichung dieses Vertrages nicht entgegen, weil sich die Parteien inter partes darauf nicht berufen könnten. Soweit die Klägerin ihren Anspruch aus dem Eigentumsrecht ableite, sei er berechtigt. Nach § 366 ABGB könne jeder Eigentümer einer ihm vorenthaltenen Sache von jedem Inhaber die Sache mit der Eigentumsklage fordern. Die Räumungsklage eines Hauseigentümers gegen den titellosen Inhaber einer Wohnung sei als Eigentumsklage zu beurteilen, bei der der Kläger nur den Beweis zu führen habe, daß der Beklagte die eingeklagte Sache in seiner Macht habe und daß diese Sache Eigentum des Klägers sei. Sache des Beklagten sei es hingegen, sein Recht zur Benützung der Liegenschaft zu beweisen. Dem Beklagten sei der Beweis, er benütze die Liegenschaft kraft seines Eigentumsrechtes, nicht gelungen, weil der geschlossene Vertrag nicht wirksam zustande gekommen sei. Er verfüge daher über keinerlei Rechtsgrundlage, so daß die Klägerin ihn sowohl mit der Räumungsklage als auch auf Grund der von ihm vorgenommenen Schloßänderung, die einen unberechtigten Eingriff in ihr Eigentumsrecht bilde, mit der Klage auf Unterlassung in Anspruch nehmen könne. Der Abs. 2 des Spruches der angefochtenen Entscheidung sei durch Entfall der Worte "der Ausübung des Fruchtgenußrechtes" zu verdeutlichen, weil es sich hiebei um keine Konkretisierung eines Sachverhaltes, sondern um einen Rechtsbegriff handle.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt. Nach Meinung des Beklagten habe das Berufungsgericht, indem es dem Klagebegehren auf Grund des Eigentumsrechtes der Klägerin stattgegeben habe, gegen § 405 ZPO verstoßen, weil sich die Klägerin ausschließlich auf das ihr eingeräumte Fruchtgenußrecht gestützt und ihre Klage folgerichtig als Servitutenklage bezeichnet habe. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht nicht nur an die Sachanträge des Klägers gebunden, sondern auch an den geltend gemachten Anspruch. Ist kein bestimmter Rechtsgrund geltend gemacht worden, dann verstößt das Gericht nicht gegen die Vorschrift des § 405 ZPO, wenn es unter den im einzelnen Fall möglichen Ansprüchen die Wahl trifft. Nur soweit ein bestimmter Rechtsgrund ausdrücklich und ausschließlich geltend gemacht wird, ist das Gericht daran gebunden und darf dem Klagebegehren nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben (SZ 42/144; SZ 23/74; JBl. 1986, 537 uva, aM Fasching III 647 und LB Rz 1448). Das gilt aber nur dann, wenn der Klage unzweifelhaft entnommen werden kann, daß der Kläger eine andere rechtliche Beurteilung ausschließen wollte (SZ 56/94; SZ 42/144 ua; 1 Ob 652/87 uva). Dies trifft aber hier nicht zu. Die Klägerin hat schon in der Klage ihre mangelnde Handlungsfähigkeit bei Abschluß des Kaufvertrages behauptet; aus ihrem Vorbringen in der Tagsatzung vom 25. Juni 1986, ihr stehe auch als Eigentümerin das Benützungsrecht an der Liegenschaft zu, geht klar hervor, daß sie sich von Anfang an nicht auf den Rechtsgrund des Fruchtgenußrechtes beschränken wollte. Das Berufungsgericht hat daher der Klägerin mit seinem Zuspruch auf Grund ihres Eigentumsrechtes nicht etwas zugesprochen, was nicht beantragt gewesen wäre (§ 405 ZPO).
Rechtlich meint der Beklagte, die Klägerin habe es unterlassen, ihr Eigentum an der Liegenschaft zu beweisen; sie hätte einen entsprechenden Grundbuchsauszug vorzulegen gehabt. Der Beklagte hat aber in erster Instanz zugegeben, daß das Eigentumrecht der Klägerin an der Liegenschaft EZ 1633 KG Breitenfurth im Grundbuch bis zu dem Zeitpunkt einverleibt gewesen war, zu dem er als Eigentümer eingetragen wurde (ON 4, S. 8). Dieser Umstand war daher nicht beweisbedürftig (§ 266 ZPO). Daß die Klägerin aber derzeit nicht im Grundbuch als Eigentümerin der Liegenschaft eingetragen ist, hat sie selbst schon in der Klage vorgebracht; dies ist aber die Folge des Vertrages, bei dessen Abschluß sie bereits geschäftsunfähig (§ 865 ABGB; Koziol-Welser8 I 48 und 52) gewesen war. Dieser Mangel der Handlungsfähigkeit wirkt absolut, also auch gegenüber dem, der davon nichts wußte oder wissen mußte (JBl. 1962, 500; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 13 zu § 865). Der Beklagte kann sich ihr gegenüber nicht auf die grundbücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechtes berufen. Der grundbuchsrechtliche Vertrauensgrundsatz gilt nur einem gutgläubigen Dritten gegenüber, nicht aber zwischen dem wirklich Berechtigten und seinem Nachmann (Koziol-Welser8 II 97; Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 431). Da der Kaufvertrag vom 2. Juli 1984 nichtig ist, hat der Beklagte trotz Einverleibung seines Eigentumsrechtes an der Liegenschaft nicht Eigentum erworben. Die bücherliche Eintragung macht den nach den §§ 380 und 424 ABGB erforderlichen gültigen Titel nicht entbehrlich, sein Mangel hindert demnach den Rechtsübergang (SZ 45/35; SZ 23/346 ua; Spielbüchler aaO Rz 5). Auf Grund ihres Eigentumsrechtes steht aber der Klägerin sowohl der Anspruch auf Übergabe der Liegenschaft als auch auf Unterlassung der Störung ihrer Besitzausübung zu. Diesen Anspruch hatte sie in der Klage zu 32 Cg 374/84 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, deren Begehren nur auf Einwilligung des Beklagten in die Einverleibung der Löschung seines Eigentumsrechtes an der Liegenschaft EZ 1633 KG Breitenfurth gerichtet gewesen war, nicht geltend gemacht.
Aus diesen Erwägungen ist das angefochtene Urteil zu bestätigen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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