Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 2.744,72 (darin EUR 457,45 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger und Widerbeklagte (in der Folge: Kläger) war seit 1978 als Rechtsanwalt vom beklagten und widerklagenden Bankunternehmen (in der Folge: Beklagte) bzw dessen Rechtsvorgängerin mit der Einbringlichmachung notleidender Kredite mittels Klags- und Exekutionsführung beauftragt gewesen. Mit seiner am 29. 12. 2000 eingebrachten Klage begehrte er letztlich an unbeglichen gebliebenen Rechtsanwaltshonorar EUR 312.446,39 s.A.
Gemäß der 1978 abgeschlossenen Vereinbarung übernahm der Kläger sämtliche Rechtsfälle aus den Sektoren Warengeschäft und Reifenkredite. In Fällen, in denen sich die Forderung als uneinbringlich erwies, sollte er lediglich die Barauslagen ersetzt erhalten. In der Kanzlei des Klägers eingehende Zahlungen der Schuldner waren binnen einer Woche an die Rechtsvorgängerin der Beklagten weiterzuleiten. Weil ein neuer Vorstandsdirektor der Beklagten die Situation, „volle" Kosten zahlen zu müssen, einer Änderung zuführen wollte, kam es 1980 zum Abschluss einer neuen Vereinbarung. Bei Ergehen eines Versäumungsurteils sollte der Kläger (neben dem Barauslagenersatz) Honorar nur mehr in jenem Verhältnis erhalten, in dem es ihm gelungen war, die betriebene Forderung einbringlich zu machen; in streitigen Verfahren und Passivprozessen der Beklagten sowie in jenen Fällen, in denen trotz vorhersehbarer Uneinbringlichkeit die Beklagte aus internen Gründen auf einer Klagsführung bestand, sollte der Kläger weiterhin nach den AHR (ohne Abschläge) honoriert werden. Die Entscheidung, ob Exekutionsmaßnahmen im jeweiligen Fall sinnvoll und aussichtsreich erscheinen, sollte beim Kläger liegen. Er war ermächtigt, Exekutionsschritte auch noch nach 10 oder 20 Jahren einzuleiten, sofern die Einbringlichmachung der aushaftenden Forderungen aussichtsreich erschien. Bei Uneinbringlichkeit der Forderung galt ein Fall dann als abgeschlossen, wenn der Kläger den Akt rückgemittelt und die Barauslagen abgerechnet hatte. Eine Berichtspflicht traf ihn nur dann, wenn die Beklagte im Einzelfall einen Bericht abforderte. Entsprechend dem Wunsch der Vertreter der Beklagten bzw deren Rechtsvorgängerin sollte der Kläger die Gegenverrechnung von Geldeingängen mit Honorarforderungen vornehmen, um laufende Geldtransaktionen zu vermeiden. Der Kläger sollte die Beklagte über die einzelnen Zahlungseingänge lediglich informieren. Grundlage dieser gesamten Honorarvereinbarung war, dass der Kläger in Hinkunft mindestens 50 % der anfallenden Rechtsfälle zugeteilt erhalte. Dem Vorstandsdirektor war klar, dass dies eine Bedingung für die Gewährung des Nachlasses durch den Kläger war, andernfalls dieser befugt sein sollte, sein Honorar zur Gänze in Rechnung zu stellen. Als der Kläger 1984 aus einigen Großkreditfällen ein Honorar von ATS 736.842,59 begehrte, kam es zum Abschluss einer weiteren Vereinbarung, die für alle bestehenden und noch nicht abgerechneten sowie zukünftigen Fälle galt. Als Gegenleistung dafür, dass der Kläger auf das Honorar in den Großkreditfällen (mit Ausnahme der Barauslagen) verzichtete, sollte er mit 2/3 der Hypothekarkreditfälle beteiligt werden, andernfalls er befugt war, neuerlich Honorarnoten zu legen. Weiters wurde vereinbart, dass die Regelung der aliquoten Honorierung nunmehr auch für streitige Aktivprozesse gelten sollte. Der Kläger erhielt aber schon ab 1985 keine weiteren Fälle zugeteilt; mit einem neuen Vorstandsdirektor wurde 1986 vereinbart, dass die Beklagte bestimmte Akten abrufen und der Kläger insoweit Kostennoten legen werde. In den verbleibenden Akten sollte er wie bisher - nach Erforderlichkeit - Exekutionsanträge einbringen. Ab 1986 rief die Beklagte tranchenweise Akten ab. Auf Grund eines Personalengpasses in der Kanzlei des Klägers kam es bei der Übermittlung der Akten anfänglich zu Schwierigkeiten, späterhin traten keine nennenswerten Probleme auf. Unter anderem wurden im August 1991, im Juli, August, September und November 1997 Akten abgerufen. Der Kläger stellte jeweils „volle" Kosten in Rechnung. Die Mitarbeiter der Beklagten überprüften, ob die Kosten vom Gericht bewilligt und die dem Kläger bereits überwiesenen Barauslagen in Abzug gebracht waren. Abgesehen von geringfügigen Korrekturen wurden die Honorarnoten im Hinblick auf die verzeichneten Leistungen nicht beanstandet. Die Beklagte rechnete die Honorare aber entsprechend dem eingebrachten Betrag nur anteilig mit dem Hinweis ab, dass im Falle der künftigen exekutiven Einbringung weiterer Beträge Honorare nachverrechnet würden. Der Kläger stellte daraufhin wiederholt die getroffenen Vereinbarungen schriftlich dar, insbesondere wies er auf die Bedingung der Beteiligung mit 50 % der Klagsfälle und 2/3 der Hypothekarklagen hin und forderte die Bezahlung des von ihm „tarifmäßig" verzeichneten (vollen) Honorars. Trotzdem rechnete die Beklagte weiterhin „anteilig" ab. Der Kläger hatte seit Beginn seiner Tätigkeit bei ihm einlangende Zahlungen zur Verrechnung mit seinen Honorarforderungen einbehalten. Dies war der Beklagten bzw deren Rechtsvorgängerin jedenfalls seit 1994 bekannt. Bei Gesprächen 1994 und 1996 stimmte der damalige Vorstandsdirektor der Beklagten zu, dass der Kläger weiterhin derartige Gegenverrechnungen vornehmen dürfe. In den nachfolgenden Abrechnungen gab der Kläger jeweils die Höhe der von den Schuldnern geleisteten Zahlungen und den Umstand bekannt, dass er die Zahlungen für Kosten seiner Kanzlei in diversen anderen Eintreibungsakten einbehalten habe. Teilweise nahm er auf die 1994 und 1996 mit dem damaligen Vorstandsdirektor geführten Gespräche ausdrücklich Bezug. Die Beklagte reagierte jeweils mit Schreiben, in denen sie erklärte, mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden zu sein, und forderte den Kläger auf, künftig bei ihm einlangende Zahlungen unverzüglich an sie weiterzuleiten und die einbehaltenen Beträge an sie zu überweisen. Mit Schreiben vom 26. 2. 1998 kündigte die Beklagte die Vollmachten in sämtlichen beim Kläger noch verbliebenen Akten auf. Die Rückstellung der Akten erfolgte verzögert, sodass die Beklagte einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung betraute, wodurch Kosten von ATS 12.972 aufliefen. Die letzten Akten wurden schließlich im November 1998 zurückgestellt. Die in den einzelnen Rechtssachen verzeichneten Honorare, die Daten der Honorarnoten, die Leistungszeiträume, die Höhe der von den Verpflichteten geleisteten und vom Kläger einbehaltenen Zahlungen sowie die Höhe der von der Beklagten bereits geleisteten Barauslagen ergeben sich aus den im Ersturteil enthaltenen Feststellungen auf dessen Seiten 45 bis 64.
Der Kläger brachte zusammengefasst vor, er sei nach den 1980 und 1985 getroffenen Honorarvereinbarungen zu entlohnen gewesen. Diese Vereinbarungen hätten aber nur so lange gegolten, als 50 % aller anfallenden Klagsfälle bzw zwei Drittel der Hypothekarkreditfälle an ihn weitergeleitet worden seien. Ab Jänner 1985 habe er keine Hypothekarkredite betreffenden Rechtssachen zugeteilt erhalten, weswegen die vereinbarten Kostennachlässe irrelevant geworden seien. Die Beklagte habe daher das gesamte klagsweise geltend gemachte Honorar zu zahlen. Sämtliche Tätigkeiten seien im Interesse der Beklagten und deren Auftrag entsprechend ausgeführt worden. Nach Vollmachtskündigung sei die Aktenabrechnung nach Tunlichkeit und Möglichkeit erfolgt. Die letzten Akten seien der Beklagten am 27. 11. 1998 übergeben worden.
Die Beklagte wendete ein, Grundlage der Zusammenarbeit mit dem Kläger sei die Vereinbarung aus dem Jahr 1978, deren Inhalt unter anderem gewesen sei, dass bei teilweiser Einbringlichkeit nur anteilige Kosten bezahlt würden. Eine Aufrechnung mit Honoraransprüchen sei nicht zulässig gewesen. Seit 1986 habe der Kläger gewusst, dass die Beklagte nur von einer erfolgsaliquoten Honorierung ausgehe; trotzdem habe er seine Tätigkeit fortgesetzt. Er sei seiner „sich aus § 9 RAO und § 1009 ABGB ergebenden Warnpflicht" nicht nachgekommen, sodass ihm kein Honorar zustehe. Sollte der Kläger tatsächlich weniger Akten zugeteilt erhalten haben, als ihm zugesagt worden sei, dann sei die gesamte Vereinbarung hinfällig gewesen. Der Kläger hätte für jeden weiteren Betreibungsschritt die Genehmigung der Beklagten einholen müssen. Die nach 1985 erfolgten Betreibungsschritte seien deshalb ohne Auftrag und zum Teil ohne Wissen der Beklagten erfolgt, weswegen ihm kein Honoraranspruch zukäme. Zudem habe er offensichtlich wirtschaftlich sinn- und nutzlose Exekutionsführungen betrieben. Nach Vollmachtskündigung habe er die Akten nur verzögert zurückgestellt und sie unvollständig und nicht nachvollziehbar abgerechnet. Einzelne Honorarforderungen seien verjährt. Zwischen dem 21. 11. 1994 und dem 18. 6. 1998 habe der Kläger Zahlungseingänge in Höhe von ATS 2,123.087,73 (= EUR 154.290,80) mit bestrittenen Honoraransprüchen aufgerechnet, ohne dazu befugt gewesen zu sein. Diesen Betrag wendete die Beklagte als Gegenforderung kompensando gegen die Klagsforderung ein; zugleich bildet diese Forderung den Streitgegenstand der Widerklage.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Betrag von EUR 287.608,78 sA statt und wies das Mehrbegehren von EUR 24.837,61 sA sowie das Widerklagebegehren ab. Anzuwenden sei die Honorarvereinbarung aus dem Jahr 1980 in der 1985 modifizierten Form. Da der Kläger weder mit 50 % der Klagsfälle noch mit 2/3 der Hypothekarklagen beteiligt worden sei, stehe ihm das Honorar in den abgerechneten Großkreditfällen und auch in den sonstigen, damals noch nicht abgeschlossenen Fällen zur Gänze zu. Nachdem die Auffassungsdifferenzen über die Art und Weise der Honorarberechnung offensichtlich geworden seien, habe der Kläger seinen Standpunkt bereits 1986 bekannt gegeben. Es sei nicht an ihm gelegen gewesen, einen „Dissens" über diese Frage zu beseitigen, sondern allenfalls an der Beklagten. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe wirtschaftlich sinnlose Einbringungsschritte gesetzt, sei nicht ausreichend konkretisiert, weil ein Vorbringen fehle, welche Leistungen dies im Einzelnen betroffen habe. Dem Umstand, dass in einigen Rechtsfällen ein Missverhältnis zwischen den in Rechnung gestellten Honoraren und der Höhe der betriebenen Forderung aufgezeigt worden sei, komme keine Aussagekraft in dieser Richtung zu. Im Hinblick auf das Datum der Klagseinbringung sei in jenen Rechtsfällen, in denen dem Kläger die Vollmacht bereits 1991 sowie im Juli, August und September 1997 gekündigt worden war, Verjährung der Honorarforderung eingetreten. Auf Grund der 1980, 1985, 1994 und 1996 getroffenen Vereinbarungen sei der Kläger zum Einbehalt der Fremdgelder berechtigt gewesen, weswegen das Widerklagebegehren abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht erkannte die Forderung des Klägers mit EUR 288.336,71 als zu Recht bestehend, die Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend, und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 288.336,71 sA. Das Mehrbegehren von EUR 24.109,68 wies es ab; es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Verfahrensmängel lägen nicht vor. Die Verletzung der Vereinbarung, dem Kläger 50 % der anfallenden Akten bzw 2/3 der Hypothekarkreditfälle zuzuweisen, bewirke, dass dieser an die Zusage der Kürzung seines Honorars nicht mehr gebunden gewesen sei. Soweit die Beklagte Sittenwidrigkeit der Honorarvereinbarung geltend mache, verkenne sie das Wesen dieser Abrede, die für den Fall einer dauernden Beauftragung des Klägers zu einer deutlichen Reduzierung dessen Honorars geführt hätte. Dass dem Kläger im Fall des Nichteinhaltens der Vereinbarung angemessenes Honorar zu zahlen sei, führe weder zu einer Unwiderrufbarkeit des Vollmachtsverhältnisses, noch zu einem groben Missverhältnis oder einer Knebelung der Beklagten. Die nach Vertragsabschluss entstandenen Auffassungsunterschiede über den Gegenstand der Honorarvereinbarung seien nicht geeignet, eine „Warnpflicht" des Klägers auszulösen; der Kläger habe seinen Standpunkt ohnehin mehrfach dargelegt. § 19 Abs 3 RAO stehe einer nachträglichen Vereinbarung, die den Rechtsanwalt berechtige, Fremdgelder mit offenen Honorarforderungen aufzurechnen, nicht entgegen. Ein konkretes Prozessvorbringen, die Honorarforderungen des Klägers, mit denen er aufgerechnet habe, seien nicht nur im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung, sondern schon im Zeitpunkt des Entstehen des Herausgabeanspruchs der Rechtsvorgängerin der Beklagten verjährt, sei nicht erstattet worden. Die Klägerin habe ferner keine konkreten Behauptungen dazu aufgestellt, welche der vom Kläger erbrachten Leistungen mangelhaft gewesen sein sollten. Der Vorwurf, der Kläger habe die Akten verzögert zurückgestellt, beträfe nur den Verzug mit der Erbringung unselbstständiger - nicht im Entgeltverhältnis stehender - Nebenleistungspflichten. Ein Entgeltminderungsanspruch stehe der Beklagten aus diesem Titel nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision nicht zulässig.
1. Die unterbliebene Erledigung einer Rüge des Verfahrens erster Instanz im Berufungsverfahren kann in der Revision mit Aussicht auf Erfolg nur dann geltend gemacht werden, wenn das Berufungsgericht die Verfahrensrüge mit aktenwidriger oder rechtlich unhaltbarer Scheinbegründung verworfen hätte (NZ 1996, 268; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1, § 502 Rz 102 mwN). Dies trifft aber nicht zu. Dessen Ansicht, die Verfahrensrüge sei nicht ausreichend konkretisiert gewesen, ist jedenfalls nicht unvertretbar. Der Vorwurf, es mangle an einem Beweisverfahren zur Frage der Verjährung, ist keine Rüge eines Verstoßes gegen die Prozessgesetze, sondern die Geltendmachung eines rechtlichen Feststellungsmangels, indem vorgebracht wird, das Erstgericht habe die im Hinblick auf den Verjährungseinwand erforderlichen Feststellungen (zu den Daten der Aufrechungserklärungen, den Daten der Honorarnoten etc) unterlassen. Wie die Revisionswerberin selbst erkennt, stellt auch ihr weiters Vorbringen, weder das Erstgericht noch das Berufungsgericht habe Feststellungen zur Verrechnung von schon verjährten Honorarforderungen mit Fremdgeldern sowie zur „Mangelhaftigkeit" der Leistungen des Klägers getroffen, die Geltendmachung eines rechtlichen Feststellungsmangels, nicht aber eines Mangels des Berufungsverfahrens dar.
2. Gem. § 19 RAO ist der Rechtsanwalt nur berechtigt, von den für seine Partei bei ihm eingegangenen Barschaften die Summe seiner Auslagen und seines Verdienstes, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt sind, in Abzug zu bringen, sofern seine Honorarforderungen nicht strittig sind.
Entgegen der Meinung der Revisionswerberin ist die zwischen den Streitteilen getroffene - von § 19 RAO abweichende - Vereinbarung über die Aufrechnung von Fremdgeldern mit auch bestrittenen Honorarforderungen wirksam. Aufrechnungsverbote sind im Rahmen der Privatautonomie nämlich grundsätzlich abdingbar; Schranken bestehen nur dort, wo die Vereinbarung der Rechtsordnung selbst oder den in ihr verankerten Grundwerten widerspricht (Koziol/Welser13 Bürgerliches Recht I 96). Besteht ein Aufrechnungsverbot, ist auf den Normzweck abzustellen. Soll bloß der Aufrechnungsgegner vor einer einseitigen Aufrechnung geschützt werden, kann er grundsätzlich auf diesen Schutz verzichten (Heidinger in Schwimann, ABGB3 § 1438 Rz 4). So ist etwa das Aufrechnungsverbot des § 1440 Satz 2 ABGB im Rahmen der üblichen Grenzen (§§ 864a, 879 Abs 3 ABGB) dispositiv, da sein Zweck bei entsprechender Vereinbarung nicht mehr zutrifft (Dullinger in Rummel, ABGB³ § 1440 Rz 7 mwH). Es gilt also der allgemeine Grundsatz, dass ein gegen ein gesetzliches Verbot verstoßendes Rechtsgeschäft mangels ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion im Verbotsgesetz nur dann nichtig ist, wenn dies der Verbotszweck der Norm erfordert (SZ 57/129, SZ 54/182; SZ 42/49 uva; Apathy/Riedler in Schwimann aaO, Rz 3 zu § 879). Diese Grundsätze gelten auch für § 19 RAO, unterliegt doch die Aufrechnungsbefugnis des Rechtsanwalts neben den ihm in dieser Regelung eingeräumten Sonderrechten nach einhelliger Rechtsprechung den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts (6 Ob 16/02z; SZ 71/155). Zweck des in § 19 RAO enthaltenen Verbots eines Retentions- oder Kompensationsrechts hinsichtlich strittiger Honorarforderungen ist der Schutz des Klienten, zu dessen Gunsten die von einem Rechtsanwalt gegenüber seinem Klienten zu fordernde penible Geldgebarung gewährleistet sein muss. Dem Mandanten muss es als Aufrechnungsgegner im Rahmen der Privatautonomie aber freistehen, auf diesen Schutz zu verzichten, etwa dann, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Rechtsanwalt gegeben ist oder - wie hier - laufende Geldtransaktionen vermieden werden sollen. Der Verbotszweck des § 19 RAO erfordert also keine Nichtigkeit hievon abweichender Vereinbarungen. Auch aus dem Standesrecht der Rechtsanwälte lässt sich eine solche Nichtigkeitssanktion nicht ableiten, wenngleich die Anmaßung eines Retentions- oder Kompensationsrechts ohne Vorhandensein der in § 19 RAO enthaltenen Voraussetzungen und ohne entsprechende Vereinbarung eine disziplinär zu ahndende Pflichtwidrigkeit darstellt.
3. Die Anwendung der für die Sittenwidrigkeitskontrolle bereits bestehenden höchstgerichtlichen Leitlinien auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn eine in der angefochtenen Entscheidung in Wahrheit realisierte Sittenwidrigkeit verneint wurde (Zechner aaO § 502 Rz 77 mwN). Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Honorarvereinbarungen hätten zu keinem groben Missverhältnis geführt, das einer „Knebelung" des beklagten Bankunternehmens gleich gekommen wäre, stellt jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende (grobe) Fehlbeurteilung dar.
4. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist - hier: ob der von der Beklagten erhobene Einwand der Mangelhaftigkeit der Leistungen des Klägers ausreichend spezifiziert wurde -, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828); eine grobe Fehlbeurteilung liegt jedenfalls nicht vor.
5. Eine Verletzung der sich aus § 9 RAO und § 1009 ABGB ergebenden Warnpflicht ist schon auf Grund der Feststellung, der Kläger habe unter Hinweis auf die mit dem Vorstandsdirektor getroffene Vereinbarung ausdrücklich bekannt gegeben, zur Aufrechnung auch mit bestrittenen Honorarforderungen berechtigt zu sein, zu verneinen.
6. Die Beklagte stützte ihren Verjährungseinwand unter anderem darauf, in einer Reihe näher bezeichneter Rechtsfälle seien die Honorarforderungen verjährt, weil zwischen der Mandatskündigung und der Klagseinbringung mehr als drei Jahre verstrichen seien. Ein rechtlicher Feststellungsmangel liegt in diesem Zusammenhang nicht vor, hat doch das Erstgericht auf Grund eines Konvoluts von Abrechnungen ohnedies umfangreiche und detaillierte Feststellungen getroffen und ist dem Verjährungseinwand teilweise gefolgt. Sofern die Beklagte ihren Verjährungseinwand weiters darauf stützt, der Kläger habe „verzögert" Rechnung gelegt, und vorbringt, auf Grund einzelner Urkunden wäre festzustellen gewesen, wann die letzte anwaltliche Leistung erbracht und ab wann detaillierte Honorarabrechnungen möglich gewesen wären, kommt diesem Einwand aus rechtlichen Gründen keine Relevanz zu. Für den Beginn der Verjährungsfrist für Anwaltshonorar ist die Beendigung des Auftragsverhältnisses in einer bestimmten Rechtssache maßgebend. Solange der Rechtsanwalt noch in die Lage kommen kann, pflichtgemäß im Interesse seines Klienten in dieser Rechtssache tätig zu werden - hier dadurch, dass er entsprechend der mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung allenfalls auch noch Jahre später weitere Exekutionsschritte setzt -, ist das Mandatsverhältnis nicht erloschen und daher auch die Fälligkeit des Honoraranspruchs nicht eingetreten (SZ 39/211; SZ 71/95; RIS-Justiz RS0021878). Dass - bei aufrechtem Mandatsverhältnis - in bestimmten Rechtsfällen die letzte anwaltliche Leistung mehr als drei Jahre zurücklag, setzte die Verjährungsfrist somit nicht ins Laufen.
Letztlich hält die Beklagte ihr Vorbringen aufrecht, Verjährung sei ferner deshalb eingetreten, weil Honoraransprüche, mit denen der Kläger aufgerechnet habe, nicht nur im Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärungen, sondern schon im Zeitpunkt des Entstehens des Herausgabeanspruchs der Rechtsvorgängerin der Beklagten verjährt gewesen seien. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe dazu im Verfahren erster Instanz kein konkretes Prozessvorbringen erstattet, da der Einwand, die Honorarforderungen, mit denen der Kläger aufgerechnet habe, seien „zumindest teilweise verjährt gewesen", jeglichen nachvollziehbaren Tatsachensubstrats entbehre und nicht als Grundlage für Beweisaufnahmen oder Feststellungen tauge, stellt jedenfalls keine (grobe) Fehlbeurteilung dar. Dem Revisionsvorbringen, das Erstgericht hätte auf Grund von Urkundenkonvoluten Feststellungen dazu treffen müssen, in welchen Rechtsfällen vom Kläger zur Aufrechnung gegen Fremdgeldansprüche in den Jahren 1994 bis 1998 verwendete Honoraransprüche im Zeitpunkt der Aufrechnungseinrede bereits älter als drei Jahre gewesen seien, ist entgegenzuhalten, dass die Vorlage von Urkunden - hier mehrerer umfangreicher Konvolute von Abrechnungen - entsprechende Prozessbehauptungen einer Partei niemals zu ersetzen vermag (8 ObA 90/02x ; Kodek in Fasching/Konecny2 III § 297 ZPO Rz 5 mwN). Es war nicht Aufgabe des Erstgerichts, aus den Abrechnungen „die Daten der Honorarnoten aus den neben den Aktbezeichnungen angeführten Zahlen, bei denen es sich nur um die Honorarnoten - Nummern handeln könne", zu erschließen. Außerdem blieb gänzlich unklar, ob in jenen Rechtsfällen, in denen nach dem Standpunkt der Beklagten im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung bereits Verjährung eingetreten sein soll, die Vollmacht aufrecht oder bereits aufgekündigt war. Das weitere Revisionsvorbringen, es wäre Sache des Gerichts gewesen, die Beklagte entsprechend anzuleiten, worauf dann das Vorbringen ergänzt und die Urkunden zum Inhalt des Vorbringen gemacht worden wären, hat schon deshalb unbeachtlich zu bleiben, weil dies in der Berufung nicht releviert wurde. Ein in der Berufung nicht gerügter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann aber nicht mehr als Revisionsgrund geltend gemacht werden (Kodek in Rechberger, ZPO3, § 503 Rz 8 mwN).
Ausgehend von den vorhandenen Sachverhaltsgrundlagen erübrigen sich Feststellungen zur Höhe der eingegangenen Fremdgelder.
7. Da die Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist sie als unzulässig zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb die Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich war (vgl RIS-Justiz RS0035979). Die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 Satz 2 RATG liegen nicht vor. Der Tarifansatz war dem RATG entsprechend zu korrigieren.
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