European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00039.21Y.0421.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO
mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Eine Nichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die der Kläger daraus ableitet, dass das Erstgericht das abgewiesene Feststellungsbegehren abweichend von seinem Klagebegehren formuliert habe, liegt schon deshalb nicht vor, weil der damit behauptete Verstoß gegen § 405 ZPO nach ständiger Rechtsprechung keine Nichtigkeit sondern nur einen Verfahrensmangel begründet (RS0041089 [T1, T2]), der nur aufgrund einer – hier unterbliebenen – Mängelrüge in nächsthöherer Instanz wahrgenommen werden könnte (vgl nur 3 Ob 82/08t). Dem erstinstanzlichen Urteil ist im Übrigen zu entnehmen, dass das Feststellungsbegehren mit dem vom Kläger formulierten Inhalt abgewiesen werden sollte.
[2] 2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft;
sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[3] 3. Der Behandlung der Rechtsrüge ist voranzustellen, dass dieser nicht deutlich entnommen werden kann, auf welche vom Kläger erhobenen Ansprüche sich die jeweiligen Revisionsausführungen beziehen und welche (Teil-)Schäden er aus welchen der Beklagten vorgeworfenen Handlungen ableitet. Dies erschwert nicht nur ganz allgemein die Beurteilung des Rechtsmittels, sondern lässt insoweit auch die konkrete Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 2 ZPO nicht erkennen. Im Übrigen werden die Revisionsgründe teilweise vermengt ausgeführt; diesbezügliche Unklarheiten gehen zu Lasten des Revisionswerbers (RS0041761).
[4] 4.1. Zu den aus der behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigung des Klägers abgeleiteten Ansprüchen (jedenfalls jenen auf Schmerzengeld sowie auf Ersatz von Behandlungskosten; soweit erkennbar auch zum Feststellungsbegehren) ist auf die – soweit ersichtlich in der Literatur nicht kritisierte – Rechtsprechung des Fachsenats hinzuweisen, wonach Gesundheitsschäden grundsätzlich nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dienstrechtlichen Maßnahmen oder Unterlassungen stehen, wenn sich diese als unberechtigt erweisen sollten, es sei denn, es handle sich dabei um Mobbing bzw Bossing (vgl 1 Ob 214/15z; 1 Ob 173/17y; 1 Ob 71/19a).
[5] 4.2. Der Revisionswerber argumentiert im Wesentlichen, dass er – wie andere (Post-)Beamte – nur deshalb anderen Dienststellen bzw Arbeitsplätzen zugeteilt worden sei, weil er sich geweigert habe, auf ein neues Gleitzeitmodell umzusteigen. Es habe sich dabei – wie auch bei anderen dienstrechtlichen Maßnahmen – um als Mobbing zu qualifizierende „Retorsionsmaßnahmen“ gehandelt.
[6] 4.3. Für Mobbing bzw Bossing ist ein systematisches, ausgrenzendes und prozesshaftes Geschehen über einen längeren Zeitraum, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen oder Rufschädigung, typisch (RS0124076 [T2]), wobei es darauf ankommt, ob die vom Vorgesetzten gesetzten Maßnahmen objektiv geeignet waren, beim Untergebenen einen Effekt des Verdrängens aus dem Arbeitsverhältnis – der hier aber gar nicht eingetreten ist – zu bewirken, auch wenn darauf nicht abgezielt wurde (RS0124076 [T7]). Ob Mobbing bzw Bossing vorliegt, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0124076 [T6]).
[7] 4.4. Dass die Vorinstanzen einen solchen Vorwurf im vorliegenden Fall verneint haben, begründet keine Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Ebenso wie in der Entscheidung zu 1 Ob 71/19a ist auch hier ein Sachverhalt zu beurteilen, bei dem das behauptete Mobbing bzw Bossing aus einer Organisationsänderung der Österreichischen Post AG abgeleitet wird, in deren Rahmen sämtliche Zusteller (jedenfalls solche mit fixen Zustellrayons) im neuen Gleitzeitmodell tätig werden sollten. Jene Zusteller, die – wie der Kläger – nicht in das neue Arbeitszeitsystem wechseln wollten, wurden aus der Zustellung abgezogen (wobei sie zunächst noch als „Springer“ ohne fixen Rayon eingesetzt wurden), womit nach Ansicht des Klägers eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verbunden gewesen sei. Während im Fall der genannten (Vor-)Entscheidung feststand, dass diese Zuteilung „abrechnungstechnische Gründe“ hatte, stellte das Erstgericht hier „betriebswirtschaftliche Gründe“ (sowie das fehlende Kalkül der Organe der Beklagten, die betroffenen Mitarbeiter aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen; soweit der Kläger Gegenteiliges behauptet, ist sein Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt) dafür fest. Diese konkretisierte es – was der Revisionswerber übergeht – dahin, dass Mitarbeiter mit (der neuen Betriebsvereinbarung entsprechender) Gleitzeitregelung aufgrund der „im Jahresverlauf stark schwankenden Zustellmengen“ besser als Zusteller einsetzbar waren, als jene mit einer fixen Dienstzeit. Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers deutet dies – ebenso wie die in der Entscheidung 1 Ob 71/19a zu beurteilenden „abrechnungstechnischen Gründe“ – darauf hin, dass es der Beklagten gerade nicht auf eine systematische Herabsetzung und Ausgrenzung des Klägers (oder jener Mitarbeiter, die nicht in das neue Gleitzeitmodell wechseln wollten) ankam, was sich auch aus der Feststellung ergibt, dass es sich beim „Abzug der Mitarbeiter aus der Zustellung“ um keine „Retorsionsmaßnahme“ handelte. Damit hält sich die Ansicht der Vorinstanzen, wonach die vom Kläger kritisierten dienstrechtlichen Maßnahmen nicht als Mobbing bzw Bossing anzusehen seien, im Rahmen des bei dieser Beurteilung bestehenden Entscheidungsspielraums. Soweit der Revisionswerber meint, die Vorinstanzen hätten die gesetzwidrige Betriebsvereinbarung (als Grundlage der gegenüber dem Kläger getroffenen dienstrechtlichen Maßnahmen) „als rechtskonform gebilligt“, verkennt er den bei der Prüfung eines Verhaltens als Mobbing bzw Bossing anzulegenden Maßstab. Mit seiner unsubstanziierten Behauptung, die in der Entscheidung zu 1 Ob 71/19a geäußerte Rechtsansicht sei „generell zu hinterfragen“, zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 501 Abs 2 ZPO auf.
[8] 4.5. Auf die umfangreichen Revisionsausführungen, mit denen die Rechtswidrigkeit der inkriminierten dienstrechtlichen Maßnahmen begründet wird, die der Kläger vor allem daraus ableitet, dass die Maßnahmen auf Basis einer seiner Ansicht nach rechtswidrigen bzw unwirksamen Betriebsvereinbarung getroffen worden und ihm gegenüber – auch aufgrund seiner Stellung als Personalvertreter (Betriebsratsmitglied) – unzulässig gewesen seien, muss schon deshalb nicht näher eingegangen werden, weil die dadurch (nach dem Vorbringen des Klägers) verursachten Gesundheitsbeeinträchtigungen damit nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehen. Auch bei einer angenommenen Rechtswidrigkeit der dienstrechtlichen Maßnahmen könnte aus diesen keine Amtshaftung der Beklagten für die behaupteten Gesundheitsschäden und die sich daraus ergebenden weiteren Nachteile abgeleitet werden. Es kommt demnach auch nicht darauf an, inwieweit die Betriebsvereinbarung vom Verwaltungsgerichtshof bzw dem Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig beurteilt wurde und ob diese auf den Kläger überhaupt anzuwenden wäre. Worauf der Revisionswerber mit seinem (schon angesichts des klaren Wortlauts des § 1 Abs 1 AHG nicht nachvollziehbaren) Argument, der Amtshaftungsanspruch setze bloß „ein rechtswidriges Vorgehen einer Behörde voraus, das nicht unbedingt hoheitlich sein muss,“ hinaus will, erschließt sich nicht. Daran, dass die vom Kläger kritisierten dienstrechtlichen Maßnahmen (insbesondere die in Form von Weisungen erfolgten Dienstzuteilungen; vgl RS0123083 [T2]) hoheitlicher Natur waren, besteht – unabhängig von den teilweise unklaren und widersprüchlichen Revisionsausführungen zur Einordnung der Betriebsvereinbarung als privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Rechtsakt – angesichts seiner Beamtenstellung kein Zweifel.
[9] 4.6. Soweit der Revisionswerber behauptet, insoweit Opfer eines „individuellen“ Mobbings bzw Bossings geworden zu sein, als seine Krankenstände vom Dienstgeber regelmäßig überprüft wurden, legt er nicht nachvollziehbar dar, warum die Rechtsansicht der Vorinstanzen (das Berufungsgericht schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichts unter Verweis auf § 500a ZPO an), die dies als sachlich gerechtfertigt ansahen, korrekturbedürftig sein soll. Der Rechtsmittelwerber übergeht die Feststellung, wonach schon die erste vom Dienstgeber angeordnete Untersuchung ergab, dass er dienstfähig sei; ebenso, dass sich auch bei darauffolgenden Kontrolluntersuchungen teilweise – entgegen den Krankenstandsmeldungen des Klägers – seine Dienstfähigkeit herausstellte und er das gesamte Jahr 2017 durchgehend im Krankenstand war, sodass ein Verfahren nach § 14 BDG zur Versetzung in den Ruhestand eingeleitet wurde. Ausgehend von diesem – hier nur auszugsweise wiedergegebenen – Sachverhalt kann in den von der Dienstbehörde angeordneten ärztlichen Überprüfungen des Gesundheitszustands des Klägers kein Mobbing bzw Bossing erblickt werden. Ob deren Vorgehen in jedem Fall den Vorgaben des BDG entsprach, muss im Zusammenhang mit dem vom Kläger erhobenen Mobbing- bzw Bossingvorwurf nicht geprüft werden.
[10] 4.7. Wenn der Revisionswerber argumentiert, dass der auf ihn anzuwendende § 43a BDG nicht nur „systematisches Mobbing“ verbiete, sondern „jede Verletzung der Verpflichtung zum achtungsvollen Umgang der Bediensteten untereinander“ und Arbeitsbedingungen „zu unterlassen“ seien, welche die menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind, so liegt darin die im BDG gewählte Umschreibung von Mobbing bzw Bossing. Mit diesem Vorwurf haben sich die Vorinstanzen – wie bereits dargelegt – eingehend befasst und diesen ohne Korrekturbedarf im Einzelfall verneint. Vom Rechtsmittelwerber angeführte Beispiele aus der Rechtsprechung zur Verschlechterung von Arbeitsbedingungen bezogen sich jeweils nicht auf § 43a BDG. Zum Mobbingverbot nach dieser Bestimmung liegt bereits Judikatur des Fachsenats vor (vgl etwa 1 Ob 106/15t; 1 Ob 202/20t).
[11] 5. Soweit der Revisionswerber in den – als gesundheitlich belastend empfundenen – Dienstzuteilungen eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstgebers erblickt, legt er in seinem Rechtsmittel nicht nachvollziehbar dar, worin seine Belastung konkret bestanden haben soll und welchen konkreten Schaden er daraus ableitet. Mit der bloß pauschalen Bezugnahme auf seine „Persönlichkeitsrechte“ (die er undifferenziert mit „Leben, Gesundheit, Eigentum“ umschreibt) bzw seine „menschliche Würde“ vermag er weder eine konkrete Fürsorgepflichtverletzung noch ein Mobbing- bzw Bossinggeschehen aufzuzeigen. Ganz allgemein übersieht der Revisionswerber auch bei seinen Ausführungen zur behaupteten Fürsorgepflichtverletzung neuerlich, dass Gesundheitsschäden grundsätzlich nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit allenfalls rechtswidrigen dienstrechtlichen Maßnahmen oder Unterlassungen stehen.
[12] 6. Die Behauptung, der Kläger sei aufgrund seines Alters diskriminiert worden, blieb schon in erster Instanz gänzlich unsubstanziiert. Auch in der Revision finden sich dazu keine konkreten Darlegungen, mit denen eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt würde. Der Revisionswerber lässt auch offen, auf welche konkreten, im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche er sich hier beziehen möchte.
[13] 7. Auf den von den Vorinstanzen abgewiesenen Anspruch auf Ersatz des Verdienstentgangs (im Wesentlichen entgangene „Nebengebühren“), geht der Revisionswerber nicht näher ein. Er setzt sich insbesondere nicht mit der rechtlichen Begründung der Vorinstanzen auseinander, wonach er seinen Verdienstentgang in erster Instanz (ON 18) daraus abgeleitet hatte, dass er bestimmte Gehaltsbestandteile von insgesamt 21.951,55 EUR wegen seiner – durch dienstrechtliche Maßnahmen der Beklagten verursachten – Krankenstände nicht erhalten hätte, solche (behaupteten) Folgeschäden einer Gesundheitsbeeinträchtigung aber nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit den kritisierten dienstrechtlichen Maßnahmen stünden. Zum Ersatzbetrag von 37.134,53 EUR (Mehrdienstleistung) stützte er sich ausschließlich auf die Verursachung durch Mobbing (ON 25), das aber eben in unbedenklicher Weise verneint wurde.
[14] 8. Auf sein Begehren auf Ersatz von rechtswidrig vorenthaltenem Entgelt (3.931,05 EUR) wegen – nach Ansicht des Klägers zu Recht in Anspruch genommener – Dienstfreistellungen als Personalvertreter kommt er in dritter Instanz nicht zurück; auch zum Feststellungsbegehren enthält die Revision keine konkreten Ausführungen.
[15] 9. Dass „die Vorinstanzen“ das Amtshaftungsverfahren nach § 11 Abs 1 AHG im Hinblick auf anhängige verwaltungsgerichtliche Verfahren (betreffend seine Dienstzuteilungen sowie seine Gehaltsnachforderungen) unterbrechen hätten müssen, ist schon deshalb unzutreffend, weil der (in diesen Verfahren zu beurteilenden) Frage der Rechtswidrigkeit der vom Kläger beanstandeten Weisungen (betreffend seine Dienstzuteilungen) für den daraus abgeleiteten Gesundheitsschaden (sowie sich daraus ergebende Folgeschäden) – mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs (dazu 4.), den allein das Amtshaftungsgericht zu beurteilen hat – keine Bedeutung zukommt (vgl nur Schragel , AHG 3 Rz 270 mwN). Soweit es um offene Ansprüche („Gehaltsnachzahlungen“) geht, die er ohnehin im Verwaltungsweg verfolgt, kann dem Kläger kein – im entgangenen Verdienst gelegener – Schaden entstanden sein. Er scheint insoweit die verfehlte Auffassung zu vertreten, dass ein (schuldhafter) Verzug mit der Begleichung von Geldforderungen inhaltsgleiche Schadenersatzansprüche begründet.
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