OGH 1Ob355/99h

OGH1Ob355/99h22.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Justizverwaltungssache betreffend die Bestellung des Richteramtsanwärters Dr. Thomas Salfelner zum Vertreter der Antragsteller Brigitte P***** und Giuseppe D*****, in der Pflegschaftssache des minderjährigen Giulio D*****, geboren am 28. März 1998, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsteller, beide vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgerichts vom 18. November 1999, GZ 14 R 581/99f-8, womit der Rekurs der Antragsteller gegen den als Beschluss bezeichneten Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichts Linz-Land vom 30. August 1999, GZ Jv 661/99-3, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Kind befindet sich seit Sommer 1998 in der Obhut seiner im Sprengel des Bezirksgerichts Linz-Land wohnhaften Großeltern. Am 23. August 1999 übersandte das Bundesministerium für Justiz dem Vorsteher des Bezirksgerichts Linz-Land den Antrag der Antragsteller auf Rückgabe des Kindes nach dem Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (im folgenden nur HKÜ) zur weiteren Verfügung nach § 5 Abs 2 des Bundesgesetzes zur Durchführung des HKÜ, BGBl 1988/513. Der Vorsteher des Bezirksgerichts bestellte daraufhin den an diesem Gericht tätigen Richteramtsanwärter Dr. Thomas Salfelner zum Vertreter der Antragsteller.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der beiden Antragsteller, womit die Bestellung eines Rechtsanwalts, in eventu eines anderen Richteramtsanwärters oder aber eines kundigen Angestellten des Gerichts als Vertreter beider Antragsteller beantragt wurde, mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurück und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

Der Revisionsrekurs der beiden von ihrem Verfahrenshelfer vertretenen Antragsteller ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Auch Gerichte haben sich im Rahmen der Justizverwaltung mit Verwaltungsaufgaben zu befassen: Gemäß Art 87 Abs 2 B-VG befindet sich ein Richter bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluss der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind, in Ausübung seines richterlichen Amts. Bei der Besorgung von "Justizverwaltungssachen" sind Einzelrichter somit nicht in Ausübung ihres richterlichen Amts und damit nicht im Rahmen der Gerichtsbarkeit, sondern der Verwaltung tätig und dabei gemäß Art 20 Abs 1 B-VG weisungsgebunden. Insoferne stellt Art 87 Abs 2 B-VG für die Justizverwaltung durch Einzelrichter eine verfassungsrechtliche Ausnahme von dem im Art 94 B-VG normierten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (auch in formeller Hinsicht) dar, weil ein Einzelrichter - und zwar dasselbe Organ - bei Besorgung seiner richterlichen Geschäfte weisungsfrei, bei Erledigung seiner Justizverwaltungsagenden hingegen weisungsgebunden ist. Aus Art 87 Abs 2 B-VG folgt aber auch, dass jene Justizverwaltungsgeschäfte, die von Richterkollegien (Senaten oder Kommissionen) zu besorgen sind, zur Gerichtsbarkeit gehören. Derartige Kollegien sind daher unabhängige Gerichte (6 Ob 544/90 = JBl 1991, 732). Der Oberste Gerichtshof hat ferner bereits gerade im Hinblick auf den erwähnten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art 94 B-VG), der insbesondere die Einrichtung eines Instanzenzugs zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden (und umgekehrt) verbietet, ausgesprochen, dass nur Maßnahmen der Justizverwaltung, die in Senaten zu erledigen sind, gemäß Art 87 Abs 2 B-VG als in Ausübung des richterlichen Amts der Senatsmitglieder erflossen und als Akte der Gerichtsbarkeit daher mit den rechtlichen Mitteln der Prozessordnungen bekämpfbar sind (SZ 40/41 = EvBl 1967/405 = JBl 1968, 87; JBl 1991, 732; 5 Ob 79/97x; RIS-Justiz RS0059565, RS0106950). Wenn hingegen ein Richter Agenden der Justizverwaltung (im materiellen Sinn) monokratisch besorgt, ist er als weisungsgebundenes Verwaltungsorgan tätig; in diesem Fall richtet sich die Anfechtbarkeit seiner Entscheidung nicht nach den Prozessordnungen, sondern nach den für den Verwaltungsweg maßgebenden Vorschriften (5 Ob 79/97x mwN).

b) Unter den Begriff der "Justizverwaltungssachen" fällt die Vollziehung der Gesetze, die ihrem Inhalt nach das Funktionieren der Gerichtsbarkeit sicherstellen soll, oder - anders gesagt - die Vorsorge für die persönlichen und sachlichen Erfordernisse der Justiz (1 Ob 41/97d = SZ 70/260; RIS-Justiz RS0109257; H.Mayer, Kurzkommentar B-VG2 Art 87 Anm II.1. mwN; Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 69). Das sind die in § 11 Abs 1 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz, BGBl 1951/264 idF BGBl 1991/479, genannten, aber auch sonstige Geschäfte.

Gemäß § 5 Abs 2 erster Satz des Bundesgesetzes BGBl 1988/513 hat der Vorsteher des Bezirksgerichts einen an diesem Gericht tätigen Richteramtsanwärter oder Rechtspraktikanten oder einen in Vormundschaftsangelegenheiten erfahrenen Bediensteten des Gerichts zum Vertreter des Antragstellers zu bestellen und sodann die Akten an den zur Durchführung des Verfahrens zuständigen Richter weiterzuleiten. Dabei wird der Vorsteher des örtlich zuständigen Pflegschaftsgerichts als Organ der Justizverwaltung tätig (vgl EB zur RV, 471 BlgNR 17.GP, 7). Von einem Fall des § 9 ZPO kann dabei entgegen den Rechtsmittelausführungen keine Rede sein.

Die Bestellung eines Richteramtsanwärters nach § 5 Abs 2 des erwähnten Gesetzes erfolgt durch den Vorsteher des zuständigen Bezirksgerichts, der gemäß § 25 Abs 1 GOG idF des BGBl 1994/507 das Gericht leitet, die Dienstaufsicht über das gesamte Personal ausübt und die anderen Justizverwaltungsgeschäfte für das Gericht führt. Die Erledigung einer derartigen Justizverwaltungssache ist somit zufolge ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung dem Kompetenzbereich eines nach dem § 73 Abs 2 GOG zusammengesetzten richterlichen Kollegialorgans entrückt. Bei der Bestellung eines Richteramtsanwärters zum Vertreter des Antragstellers nach § 5 Abs 2 erster Satz des Bundesgesetzes zur Durchführung des Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, BGBl 1988/513, wird der Vorsteher des Bezirksgerichts als monokratisches Organ der Justizverwaltung tätig. Seine Entscheidung ist nur im administrativen Weg anfechtbar. Der betreffende - hier als Beschluss bezeichnete - Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichts kann daher im prozessualen Rechtsmittelweg nicht bekämpft werden; zu Recht hat die zweite Instanz die "Berufung" der beiden Antragsteller mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen.

Ob die Berufung der beiden Antragsteller dem Präsidenten des Landesgerichts Linz zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung vorzulegen gewesen wäre, ist angesichts des Antrags im außerordentlichen Revisionsrekurs nicht zu entscheiden.

Dem Rechtsmittel ist nicht Folge zu geben.

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