OGH 1Ob331/98b

OGH1Ob331/98b23.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine B*****, vertreten durch Mag. Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei G***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Bösch, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin H***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Susanne Michalek, Rechtsanwältin in Wien, wegen 172.000 S sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichts vom 23. Juli 1998, GZ 39 R 253/98i-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 21. Jänner 1998, GZ 5 C 1004/97a-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 9.135 S (darin 1.522,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte - neben dem bereits mittels Teilanerkenntnisurteils vom 21. Jänner 1998 (ON 16 S. 2) zuerkannten Betrag von 38.830 S sA - noch „abstrakte Ersatzwohnungskosten“ von 172.000 S für den Zeitraum der „Generalsanierung“ ihrer Mietwohnung (Reihenhaus) vom 25. September bis zum 20. Dezember 1995. Sie brachte vor, die beklagte Partei habe die von einem Bauunternehmen verschuldeten Wohnungsmängel, die eine „Generalsanierung“ notwendig gemacht hätten, gemäß § 1313a ABGB zu vertreten und habe diese zunächst sogar listig verschwiegen. Demnach wäre sie als Mieterin berechtigt gewesen, während der Sanierungsarbeiten auf Kosten des Ersatzpflichtigen in eine andere Unterkunft zu ziehen, weil ihr tatsächlicher (freiwilliger) Weiterverbleib im Bestandobjekt in Wahrheit unzumutbar gewesen sei. Durch dieses Verhalten habe sie aber die beklagte Partei, die im Ausmaß nicht aufgewendeter Ersatzwohnungskosten ungerechtfertigt bereichert sei, nicht entlasten wollen. Infolge ihrer Mithilfe bei den Sanierungsarbeiten durch ständige Reinigungsarbeiten, deren Wert bereits im Teilanerkenntnisurteil vom 21. Jänner 1998 zuerkannt wurde, habe sie der beklagten Partei außerdem „eine Kostenminimierung“ durch eine schnellere Sanierung ermöglicht. Auch diese Ersparnis dürfe nicht der beklagten Partei, sondern müsse ihr zugutekommen.

Die beklagte Partei wendete ein, für bloß fiktive Kosten einer Ersatzwohnung gebühre keine Entschädigung. Der Umstand, daß das Bestandobjekt während der Sanierungsarbeiten nicht voll gebrauchsfähig gewesen sei, sei bereits durch die von der Klägerin begehrte - und im Teilanerkenntnisurteil vom 21. Jänner 1998 schließlich auch zugesprochene - Mietzinsminderung von 10 % abgegolten.

Das Erstgericht wies das restliche Klagebegehren ab, weil die bloße Gebrauchsmöglichkeit einer Sache nach herrschender Ansicht kein selbständiger Vermögenswert sei. Das schließe aber einen gesonderten Ersatz für den Verlust einer Gebrauchsmöglichkeit aus. Der Entgang von Annehmlichkeiten sei ideeller Schaden. Habe der Geschädigte die Anmietung eines Ersatzobjekts unterlassen, so habe er - mangels eines Aufwands - keinen Vermögensschaden erlitten, weshalb fiktive Ersatzwohnungskosten nicht zuzuerkennen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, fiktive Schäden seien nicht ersatzfähig. So habe etwa ein Geschädigter keinen Anspruch auf den Ersatz fiktiver Mietwagen- oder Heilungskosten, weil der Grundsatz der konkreten Schadensberechnung Ersatzleistungen für bloß abstrakte Schäden ausschließe. Die Beeinträchtigung des ungestörten Wohnungsgebrauchs während der Sanierungsarbeiten sei als entgangene Annehmlichkeit ein reiner immaterieller Schaden. Ein solcher Schaden sei nur in gesetzlich geregelten Fällen auszugleichen. Zwischen fiktiven Mietwagen- und fiktiven Ersatzwohnungskosten bestehe kein „prinzipieller Unterschied“. Solchen fiktiven Kosten sei daher auch deren mangelnde Ersatzfähigkeit gemeinsam. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu fiktiven Ersatzwohnungskosten mangle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, wie sich aus den folgenden Erörterungen ergeben wird, unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof befaßte sich jüngst in der Entscheidung eines verstärkten Senats (2 Ob 82/97s = SZ 70/220) ausführlich mit dem Problemkreis fiktiver Heilungskosten. Er sprach aus, die Auffassung, „die Kosten einer künftigen Heilbehandlung könnten nicht bloß vorschußweise, sondern schlechthin und unabhängig von der tatsächlichen Durchführung der Behandlung gefordert werden“, sei nicht weiter aufrechtzuerhalten, weil sich der Geschädigte sonst entgegen dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken ungerechtfertigt bereichern könnte. Die immateriellen bzw materiellen Nachteile des Verletzten infolge Unterbleibens der Heilbehandlung seien bei Bemessung des Schmerzengelds zu berücksichtigen bzw durch eine Verunstaltungsentschädigung abzugelten. Deshalb gelangte der verstärkte Senat zu folgendem im Rechtssatz seiner Entscheidung zusammengefaßten Ergebnis:

„Die Kosten einer künftigen Heilbehandlung können vom Geschädigten, der die Heilbehandlung ernstlich beabsichtigt, nur vorschußweise begehrt werden. Dem Geschädigten gebührt daher kein Ersatz von Heilbehandlungskosten, wenn feststeht, daß die Heilbehandlung unterbleibt.“

Auf dem Boden schadenersatzrechtlicher Grundsätze wird also die Ersatzfähigkeit rein fiktiver Aufwendungen zur Schadensbehebung, denen eine reale Vermögenseinbuße nicht gegenübersteht, verneint.

Anders ist die Rechtslage dagegen bei Sachschäden, die jedenfalls eine reale Vermögenseinbuße verursachen. Nur bei derartigen Schäden kann der Geschädigte den Ersatz bloß fiktiver Wiederherstellungskosten beanspruchen, mag er die Schadensbehebung schließlich tatsächlich durchführen oder über den Ersatzbetrag sonstwie verfügen, ist doch dessen Verwendung allein Sache des Geschädigten. Aber auch solche fiktiven Schadensbehebungskosten sind - nach der neueren Rechtsprechung - nur mehr bis zur Höhe der Minderung des gemeinen Werts der beschädigten Sache zu ersetzen, weil eine darüber hinausgehende Leistung gleichfalls eine den Aufgaben des Schadenersatzrechts widersprechende Bereicherung des Geschädigten auf Kosten des Schädigers bewirken würde (SZ 68/101 mzwN). Es entspricht überdies seit der Entscheidung SZ 42/33 ständiger Rechtsprechung (SZ 59/165; SZ 48/22 uva), daß der bloße Verlust bzw die bloße Beeinträchtigung des Gebrauchs einer Sache für sich allein noch keine Entschädigung rechtfertigt, was etwa auch schon beim Verlust des Wohnungsgebrauchs ausgesprochen wurde. Auch insoweit sind daher nur solche Beträge ersatzfähig, die der Geschädigte „tatsächlich aufwenden mußte und muß, um eine seinem nicht ausübbaren Wohnungsrecht adäquate Ersatzlage zu schaffen“ (SZ 59/165).

Die Klägerin strebt eine Entschädigung als Abgeltung der reinen „Gebrauchsentbehrung“ an, die seit der Beendigung der Sanierungsarbeiten am Bestandobjekt jedenfalls zu bestehen aufhörte und der kein realer Vermögensschaden in Form von Aufwendungen für eine Ersatzunterkunft gegenübersteht. Es widerspräche den durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits geprägten, eingangs dargestellten Grundsätzen des Schadenersatzrechts, der Klägerin den begehrten Betrag zuzuerkennen, ist doch dem Gesetz auch ein „Schmerzengeld“ für die Unbill einer bloßen „Sachgebrauchsentbehrung“ fremd und immaterieller Schadenersatz nur auf Basis einer konkreten gesetzlichen Grundlage zu leisten (allgemein dazu SZ 62/77 mwN [unter Ablehnung der „Kommerzialisierungsthese“ nach deutschem Recht]).

Der erkennende Senat vermag daher im vorliegenden Fall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu erkennen, die der Oberste Gerichtshof noch nicht beantwortet hätte.

Diese Rechtslage erkannte auch die Klägerin. Die dagegen ins Treffen geführten Gründe sind für den erkennenden Senat kein Anlaß, von der ständigen Rechtsprechung in den hier maßgeblichen Fragen abzugehen.

Die Revision ist somit unter Hinweis darauf zurückzuweisen, daß der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO bei der Zulässigkeitsprüfung nicht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO gebunden ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Die Revisionsbeantwortung diente der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, weil in ihr auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin hingewiesen wurde.

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