Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die vorinstanzlichen Entscheidungen werden dahin abgeändert, daß der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs Folge gegeben und die Klage zurückgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 12.652,32 S (darin 2.108,72 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 11.157,12 S (darin 1.859,52 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung
Ein praktischer Arzt aus Tirol ist seit vielen Jahren Vertragspartner der beklagten Partei als Krankenversicherungsträger. Aus diesem Rechtsverhältnis entstehen laufend Honoraransprüche des Vertragsarztes.
Am 31.Mai 1957 vereinbarten die Ärztekammer für Tirol und der Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger einen Gesamtvertrag gemäß den §§ 338, 341 und 342 ASVG iVm § 21 Abs 2 lit h ÄrzteG in den jeweils geltenden Fassungen für die beklagte Partei zur Bereit- und Sicherstellung einer ausreichenden ärztlichen Versorgung der bei letzterer sozialversicherten Personen und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen. Der § 31 dieses Vertrags hat folgenden Wortlaut:
„1. Streitigkeiten zwischen dem Vertragsarzt und der....(beklagten Partei)..... sollen einvernehmlich beigelegt werden. Hiebei wird die.....(beklagte Partei)....., soweit ärztliche Fragen berührt werden, durch den Chefarzt vertreten. Kommt eine einvernehmliche Beilegung der Streitigkeit nicht zustande, so wird der Streitfall in einem Schlichtungsausschuß nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verhandelt.
2. Der Schlichtungsausschuß besteht aus je einem ärztlichen Vertreter der zuständigen Ärztekammer und der......(beklagten Partei)...... . Dem Schlichtungsausschuß können Referenten beigezogen werden; der beteiligte Vertragsarzt kann zu einer schriftlichen Stellungnahme oder zur Teilnahme an der Verhandlung eingeladen werden.
3. Der Schlichtungsausschuß trifft bei übereinstimmender Auffassung beider Mitglieder eine Vorentscheidung..... .
4. Die Vorentscheidung ist entsprechend zu begründen und dem Vertragsarzt sowie der......(beklagten Partei) ....mittels eingeschriebenen Briefes bekanntzugeben, wobei auf die Möglichkeit eines Einspruchs gemäß Abs 5 hinzuweisen ist.
5. Der Vertragsarzt und die ....(beklagte Partei).... können binnen 14 Tagen nach Erhalt der Vorentscheidung des Schlichtungsausschusses mittels eingeschriebenen Briefes bei der paritätischen Schiedskommission eine Entscheidung dieser Kommission beantragen. Wird ein solcher Antrag nicht fristgerecht gestellt, so gilt die Vorentscheidung des Schlichtungsausschusses als bindender Schiedsspruch.“
In § 33 des Gesamtvertrags wird im übrigen bestimmt, „daß Streitigkeiten, die sich aus diesem Gesamtvertrag oder aus einem aufgrund dieses Gesamtvertrags abgeschlossenen Einzelvertrag zwischen den Vertragsparteien dieser Verträge ergeben, unbeschadet der Bestimmungen des § 31 dem in den §§ 344 bis 348 ASVG geregelten Verfahren unterliegen“.
Auf dieser Bestimmung des Gesamtvertrags beruht auch der zwischen dem Tiroler Arzt und der beklagten Partei abgeschlossene Einzelvertrag. Gemäß § 4 dieses Vertrags ergeben sich die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Gesamtvertrag aus den in Hinkunft abgeschlossenen Zusatzvereinbarungen und aus dem Einzelvertrag.
Der Vertragsarzt trat seine „Gehalts-/Honorar-/Pensionsansprüche“ gegen die beklagte Partei am 18.Mai und 17.November 1982 sowie am 26.Mai 1983 zur Sicherstellung aller Forderungen und Ansprüche aus der Gewährung von Krediten über 500.000 S, 250.000 S und 260.000 S samt Nebenverbindlichkeiten an eine Tiroler Bank ab. Die beklagte Partei wurde von diesen Abtretungen in den Jahren 1982 und 1983 verständigt.
Anfang 1990 kam es zwischen den Vertragspartnern des Einzelvertrags zu einem Streit über die Abrechnung ärztlicher Honorare, was schließlich zu den Verfahren 1 bis 3/90 der Landesberufungskommission für Tirol führte. Am 4.März 1992 schlossen die Streitteile im Verfahren 2/90 anläßlich einer Sitzung der Landesberufungskommission folgenden Vergleich:
1. Die.....(beklagte Partei)....ist berechtigt, in den nächsten sechs Abrechnungsmonaten, beginnend ab 1.4.1992, in sechs gleichen Teilbeträgen insgesamt 30 % der durch die Bescheide der paritätischen Schiedskommission bereinigten Honorarbeträge (Zeitraum September 1989 bis einschließlich Jänner 1991) zu verrechnen.
2. Sämtliche derzeit zwischen den Streitteilen bei den Schlichtungsstellen (paritätische Schiedskommission) behängenden Verfahren werden im Einvernehmen zwischen den Streitteilen unterbrochen.
3. Die für den Monat September 1991 bereits eingereichten Abrechnungsscheine werden durch die.....(beklagte Partei).....beeinsprucht. Nach Durchführung des Verfahrens bei der Schlichtungsstelle und bei der paritätischen Schiedskommission wird bei der Landesberufungskommission folgende Vorgangsweise bereits jetzt einstimmig festgelegt:
Aus dem Abrechnungsmonat September 1991 können beide Parteien nach ihrer Wahl 10 Krankenscheine einem noch zu bestimmenden Sachverständigen zur Frage, ob Überarztung vorliegt, vorlegen.
Die Parteien kommen überein, daß der Sachverständige Facharzt für Innere Medizin und in der naturwissenschaftlichen Qualifikation habilitiert sein muß. Weiters soll er nicht in einem Naheverhältnis zu einem Sozialversicherungsträger stehen und kein gewählter Kammermandatar sein.
4. Durch diesen Vergleich sind auch die Verfahren LBK 1/90 (Berufung gegen den Bescheid der paritätischen Schiedskommission vom 17.4.1991, Honorarabrechnung Jänner bis einschließlich Juli 1990) und LBK 3/91 (Berufung gegen den Bescheid der paritätischen Schiedskommission betreffend die Abrechnungsmonate September bis Dezember 1990 und Jänner 1991 mitverglichen.“
Die beklagte Partei übersandte dem Vertragsarzt in der Folge eine Abrechnung. Danach sollte vom ausgewiesenen Honorar von 282.784,06 S der Betrag von 100.087,86 S (30 % zuzüglich 20 % Umsatzsteuer abzüglich 2 % Ärztekammerumlage) einbehalten werden. Der Abzug wurde sodann auch tatsächlich durchgeführt.
Im Jahr 1993 veranlaßte der Vertragsarzt eine Umschuldung seiner Bankkredite auf eine andere Tiroler Bank. Die zur Sicherung der Kreditverbindlichkeiten abgetretenen Forderungen gegen die beklagte Partei wurden an die neue Kreditgläubigerin weiterzediert. Davon wurde die beklagte Partei im Dezember 1993 verständigt. Am 12.Dezember 1995 unterzeichneten der Vertragsarzt, ein Vertreter seiner Kreditgläubigerin und der Geschäftsführer der klagenden Partei einen Aktenvermerk, der unter anderem folgenden Wortlaut hat:
„In Kenntnis und mit Abstimmung mit ......(dem Vertragsarzt).... begehrt die ....(klagende Partei)......, vertreten durch den Geschäftsführer...., den Eintritt in die Forderungszession ausschließlich auf den vorgenannten Betrag von 100.087,86 S. Der.....(Vertragsarzt)....hinterlegt der Bank als ersatzweise Sicherstellung dafür eine Spareinlage eigener Ausgabe mit einem Stand von 30.000 S per 12.12.1995. Sowohl die....(Kreditgläubigerin).... als auch der.....(Vertragsarzt).....und die....(klagende Partei).....nehmen diesen Sicherheitentausch durch Unterfertigung dieses Protokolles an.“
Die klagende Partei begehrte den Zuspruch von 99.987,86 S sA und brachte vor: Der Vergleich vom 4.März 1992 sei unwirksam. Das Verfahren der Landesberufungskommission sei durch zwingendes Recht geregelt. Die Vergleichspunkte seien eine Einheit. Die Unwirksamkeit der Punkte 2. bis 4. habe daher auch die Nichtigkeit des Punktes 1. zur Folge. Der Vergleich sei im Verhältnis zu den Zessionaren der Honorarforderungen des Vertragsarztes nicht verbindlich, weil letzterer nicht berechtigt gewesen sei, über Forderungen zu verfügen, deren Rechtszuständigkeit bereits seinerzeit bei dessen Kreditgläubigerin gelegen sei. Die beklagte Partei habe demnach von den 1992 fällig gewordenen Arzthonoraren 100.087,86 S ohne taugliche Rechtsgrundlage abgezogen. Strittige Honoraranteile seien gemäß § 29 des Gesamtvertrags als vorläufige Zahlung anzuweisen. Ein Honorarabzug dürfe nur aufgrund einer rechtskräftigen Streichung durch den Schlichtungsausschuß bzw die paritätische Kommission erfolgen. Nach Rückzession einer Forderung von 122,86 S an den Vertragsarzt habe die beklagte Partei den Klagebetrag an die klagende Partei als letzte Zessionarin der den Streitgegenstand bildenden ärztlichen Honorarforderungen zu leisten.
Die beklagte Partei erhob die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtswegs und der rechtskräftig entschiedenen Streitsache. Sie brachte vor, daß der ordentliche Rechtsweg für die Durchsetzung ärztlicher Honoraransprüche nach dem Gesamt- und dem Einzelvertrag verschlossen sei. Über solche Ansprüche habe die paritätische Schiedskommission - eine Verwaltungsbehörde - zu entscheiden. Wegen des Vergleichs vom 4.März 1992, der unangefochten geblieben sei, läge überdies „entschiedene Streitsache“ vor, sollte die klagende Partei überhaupt berechtigt sein, den geltend gemachten Anspruch im streitigen Rechtsweg geltend zu machen.
Das Erstgericht sprach die Unzulässigkeit des Rechtswegs sowie seine Unzuständigkeit aus und wies die Klage „als unzulässig“ zurück. Nach dessen Rechtsansicht wurde zwischen dem Vertragsarzt und der beklagten Partei in „einer der Schiedsgerichtsbarkeit unterliegenden Angelegenheit....ein rechtskräftiger Vergleich über die Honorarabrechnung“ des Vertragsarztes geschlossen. Dieser Vergleich binde auch die klagende Partei als „Rechtsnachfolger der Vertragsparteien“. Für die verglichenen Honoraransprüche könne „nur die im Schiedsvertrag für Streitigkeiten vereinbarte Vorgangsweise gewählt werden, weshalb das ordentliche Gericht unzuständig und der Rechtsweg unzulässig“ sei. Im übrigen existiere für den Honoraranspruch „ein rechtskräftiger Schiedsvergleich und somit ein Exekutionstitel im Sinne der Exekutionsordnung“. Der Versuch der klagenden Partei, die verglichene Streitsache „auf dem Umweg über die ordentlichen Gerichte wieder aufzurollen“, müsse scheitern.
Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung ab. Es verwarf die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtswegs und der „entschiedenen Streitsache“, ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu und erwog in rechtlicher Hinsicht: Der Geltendmachung eines Anspruchs im streitigen Rechtsweg, dessen Klärung die Parteien einem schiedsgerichtlichen Verfahren vorbehalten hätten, stehe die Unzuständigkeit der ordentlichen Gerichte entgegen. Diese sei jedoch durch Unterlassung der Unzuständigkeitseinrede - so wie hier - heilbar. Überdies komme der Regelung des § 31 des Gesamtvertrags über den Versuch der Beilegung von Streitfällen in einem Schlichtungsausschuß „nicht die Wirkung der Vereinbarung eines Schiedsgerichts“ zu. Gemäß § 344 Abs 1 ASVG sei zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, in jedem Bundesland eine paritätische Schiedskommission einzurichten. Im Verfahren vor dieser Verwaltungsbehörde seien die Parteien des Einzelvertrags antragsberechtigt. Gemäß § 345 ASVG sei in jedem Bundesland überdies eine Landesberufungskommission zu errichten, die über Berufungen gegen Bescheide der paritätischen Schiedskommission und Devolutionsanträge zu erkennen habe. Unzutreffend sei die Ansicht der klagenden Partei, sie könne als Zessionarin ärztlicher Honorarforderungen die paritätische Schiedskommission mangels Vertragspartnerstellung im Einzelvertrag nicht anrufen. Die gesetzliche Bestimmung über die Antragsberechtigung diene nur der Klarstellung, daß den Parteien des Gesamtvertrags kein Antragsrecht zukomme. Hätte dagegen die erörterte Regelung die ihr von der klagenden Partei unterstellte Bedeutung, wären „im Falle einer Rechtsnachfolge die ordentlichen Gerichte oder die paritätische Schiedskommission zur Entscheidung zuständig....., je nachdem, ob der Rechtsnachfolger (des Arztes) oder der Versicherungsanstalt den Antrag auf Einleitung eines Verfahrens“ stelle. Die paritätische Schiedskommission sei zuständig für Honorareinbehalte, Forderungsaufrechnungen und Schuldeinlösungen gemäß § 1422 ABGB sowie ähnliche Rechtshandlungen, solange diese im Zusammenhang mit dem Vertragspartnerverhältnis stünden. Die Beantwortung der Frage der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs hänge daher davon ab, ob der Klageanspruch in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehe. Gemäß § 1394 ABGB seien die Rechte des Übernehmers mit den Rechten des Überträgers einer Forderung dieselben. Eine Vollzession führe zum Übergang der Rechtszuständigkeit vom Zedenten auf den Zessionar. Der Zedent scheide aus dem Schuldverhältnis zur Gänze aus. Er könne nach dem Forderungsübergang keine Rechtshandlungen zugunsten oder zu Lasten des Zessionars mehr vornehmen, dieser könne aber auch nicht mehr Rechte erwerben, als der Zedent besessen habe. Mit dem strittigen Abzug habe die beklagte Partei gegen ärztliche Honorarforderungen aufgerechnet, die ab April 1992 fällig geworden seien. Der Vertragsarzt habe jedoch - wirksame Zessionen vorausgesetzt - über ab April 1992 fällig gewordene Honoraransprüche nicht mehr rechtsgeschäftlich verfügen können. Er sei daher nicht berechtigt gewesen, eine Kompensation „zur Bereinigung einer möglicherweise zwischen September 1989 und Jänner 1991 erfolgten Überzahlung der beklagten Partei“ zu vereinbaren. Soweit sei daher der Inhalt des Einzelvertrags und der Honorarordnung nicht von Belang. Für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit sei vielmehr allein maßgeblich, ob der Vertragsarzt (Zedent) und die beklagte Partei (Schuldnerin) die erörterte Aufrechnung mit Wirksamkeit für die Zessionarin hätten vereinbaren können. Es bedürfe dagegen keiner Überprüfung, welchen Honoraranspruch der Vertragsarzt im Zeitraum September 1989 bis Jänner 1991 nach den Bestimmungen des Einzelvertrags erworben habe. Es mangle daher an einem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang des Klageanspruchs mit dem Einzelvertrag, weshalb die Zulässigkeit des Rechtswegs zu bejahen sei. Es liege auch keine verglichene Streitsache vor, weil die klagende Partei durch die Verfügung des Zedenten nach Forderungsabtretung nicht gebunden sein.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Der Verfassungsgerichtshof sprach mit Erkenntnis vom 14.Juni 1988, G 48/87, V14/87 (VfSlg 11.729), unter anderem aus, daß die paritätische Schiedskommission gemäß § 344 ASVG in der seinerzeit geltenden Fassung kein Tribunal im Sinne des Art 6 EMRK sei, und hob jene Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig auf. Diese Kommission war nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Einzelvertrag zwischen Arzt und Krankenversicherungsträger „und den daraus erwachsenden Rechten und Pflichten“ berufen. Sie hatte in Auslegung dieses privatrechtlichen Vertrags „über die strittigen, ihrer rechtlichen Natur dem Zivilrecht in engster Bedeutung und damit dem Kernbereich der civil rights zuzuzählenden Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden, eine Entscheidung in der Sache selbst, die einem Tribunal iS der EMRK zwingend vorbehalten - und nicht bloß von einem Tribunal nachzuprüfen - ist“. In Weiterführung dieser Rechtsprechung erkannte der Verfassungsgerichtshof am 20.Juni 1989, G 228/88, G 3/89, G 4/89, V 202/88, V 1/89, V 2/89 (VfSlg 12.083), daß die Landesschiedskommission gemäß § 345 ASVG in der damals geltenden Fassung, soweit sie über „civil rights“ zu entscheiden hatte, ebenso nicht als Tribunal im Sinne des Art 6 EMRK zu qualifizieren sei, und hob den Satzteil „und zur Entscheidung in den Fällen des Überganges der Zuständigkeit nach § 344 letzter Satz“ in § 345 Abs 1 erster Satz sowie den zweiten Satz in § 345 Abs 2 ASVG, der einen Tatbestand nach Übergang der Entscheidungskompetenz gemäß § 344 letzter Satz ASVG regelte, als verfassungswidrig auf.
Diese Erkenntnisse waren Anlaß für den Gesetzgeber, die Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit dem Einzelvertrag zwischen Arzt und Krankenversicherungsträger in der 48.Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz BGBl 1989/642 in dessen § 344 (paritätischen Schiedskommission) und § 345 (Landesberufungskommission) neu zu regeln. Vorrangiges Ziel der Novellierung war, die Landesberufungskommissionen als „neu zu errichtende Verwaltungsbehörden ... als Tribunale im Sinne der EMRK“ einzurichten und damit die „Verfassungskonformität des Schlichtungsverfahrens“ in Entsprechung der Ansicht des Verfassungsgerichtshofs zu „garantieren“ (RV 1098 BlgNR 17.GP, 17). Unter Hinweis auf eine ähnliche Kompetenz der Arbeitsgerichte gemäß § 50 Abs 1 Z 1 ASGG wurde jedoch auch die Zuständigkeit der paritätischen Schiedskommission auf Streitigkeiten erstreckt, die - nach den Gesetzesmaterialien - „nicht konkret aus einem Einzelvertrag entstehen, sondern mit einem solchen Vertrag in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang stehen“. Als Anwendungsfälle eines solchen Zusammenhangs werden dort vertragliche Schadenersatzansprüche und Streitigkeiten „über ein Vertragserlöschen“ genannt (RV 1098 BlgNR 17.GP, 17; dem folgend die Rsp: RdM 1996/4 [Schadenersatz]; 2 Ob 7/95 [Unwirksamkeit einer Honorarordnung - Eventualbegehren ua auf Feststellung der Haftung für Schäden]; 7 Ob 504/94 [Provisorialverfahren zur beantragten Sicherung eines Anspruchs auf Weiterbestehen eines Einzelvertrags]; SZ 63/11 [ua Schadenersatz und Fortbestehen des Einzelvertrags]). Im Schrifttum wird diese Erweiterung überdies expressis verbis auf Honorareinbehalte (zu besonderen Honorarkürzungen siehe etwa LBK Burgenland SozSi 1996, 972; Fink/Grömmer/Oberhofer, Honorarkürzungsregelungen in Gesamtverträgen [1996], 46 ff), die Aufrechnung und Forderungseinlösung gemäß § 1422 ABGB im Zusammenhang mit einzelvertraglichen Rechten und Pflichten bezogen (Mosler in Strasser, Arzt und gesetzliche Krankenversicherung [1995] 400; Souhrada, Die neue Schiedskommissionsorganisation, SozSi 1990, 18 [19 f]) und für die Beurteilung des nach dem Gesetz zu prüfenden rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhangs mit dem Einzelvertrag in sonstigen Fällen auf die Praxis zu § 50 Abs 1 Z 1 ASGG (Mosler in Strasser aaO 401; Souhrada, SozSi 1990, 20) und zu § 55 Abs 1 JN (Souhrada, SozSi 1990, 20) verwiesen. Die Kompetenz der paritätischen Schiedskommission ist zwingend. Sie umfaßt die uneingeschränkte Jurisdiktion über die dieser Kommission zugewiesenen Streitigkeiten, sodaß deren qualitative Zerlegung durch Zuweisung der Entscheidung über bestimmte Sachfragen an andere Behörden oder Spruchkörper ausscheidet (Fink/Grömmer/Oberhofer aaO 49). Diese Kompetenz ist jedoch, wie noch näher zu begründen sein wird, auch nicht je nach der Person des Antragstellers teilbar, soweit Streitgegenstand ein einzelvertraglicher Anspruch im Sinne des § 344 Abs 1 ASVG ist.
Jede Zession bewirkt den Übergang der Rechtszuständigkeit vom Zedenten auf den Zessionar (SZ 68/36). Es kommt jedoch zu keiner inhaltlichen Veränderung der abgetretenen Forderung (SZ 66/81; Honsell/Heidinger in Schwimann, ABGB2 Rz 1 zu § 1394; Wolff in Klang2 VI 309). Das gilt in gleicher Weise für die Forderungseinlösung gemäß § 1422 ABGB (SZ 66/81) als „notwendige“ Zession (SZ 64/178). Der Schuldner erhält demnach lediglich einen neuen Gläubiger (Honsell/Heidinger in Schwimann aaO). Die festgestellte Zessionskette bis zur klagenden Partei als Zessionarin von Honorarforderungen, die durch ärztliche Leistungen in Erfüllung eines Einzelvertrags zwischen Arzt und Krankenversicherungsträger entstanden, ließ daher die Rechtsnatur der abgetretenen Forderungen als ärztliche Honorarforderungen aus der erörterten einzelvertraglichen Rechtsbeziehung unberührt. Die klagende Partei macht daher als Zessionarin nicht etwa bloß Ansprüche in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag, sondern Ansprüche geltend, die unmittelbar aus Rechten und Pflichten des Einzelvertrags abgeleitet werden. Im rechtlichen Zusammenhang damit steht die aufgrund der Klagebehauptungen maßgebliche Frage, ob der Vergleichsabschluß vor der Landesberufungskommission für Tirol am 4.März 1992 über bereits vorher abgetretene ärztliche Honorarforderungen aus dem Einzelvertrag im Verhältnis zur klagenden Partei als Zessionarin wirksam ist und daher die in der Klage behauptete Schuld der beklagten Partei durch den in Punkt 1) des Vergleichs zwecks Aufrechnung mit Gegenforderungen vereinbarten und durchgeführten Einbehalt ärztlicher Honorare erlosch oder ob die eingeklagte Honorarschuld wegen (gänzlicher oder partieller) Unwirksamkeit des Vergleichs nach wie vor in bestimmter und noch zu klärender Höhe ungetilgt ist. Die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Vergleichs ist also in jeder denkbaren Variante als Vorfrage der Entscheidung über die Hauptfrage zu lösen. Die Begründung des Rekursgerichts für die Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs beruht auf einer Verwechslung von Vor- und Hauptfrage. Nur über das Bestehen oder Nichtbestehen von Honorarforderungen aufgrund ärztlicher Leistungen in Erfüllung eines Einzelvertrags ist als Hauptfrage abzusprechen. Dieser Streitgegenstand bestimmt die Rechtsnatur des Klageanspruchs. Die Verhandlung und Entscheidung über einen derartigen Anspruch ist jedoch der paritätischen Schiedskommission vorbehalten, wenn die klagende Partei als Zessionarin der ärztlichen Honorarforderungen im Verfahren vor dieser Behörde antragsberechtigt wäre.
Gemäß § 344 Abs 1 letzter Satz ASVG in der hier bedeutsamen Fassung - gemäß § 128 B-KUVG gilt der Sechste Teil des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes mit der Maßgabe der Z 1 und 2 auch im Anwendungsbereich des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes - sind im Verfahren vor der paritätischen Schiedskommission „die Parteien des Einzelvertrages“ antragsberechtigt. Das ist jedoch - entgegen der Ansicht der klagenden Partei - nicht in diesem engen wörtlichen Sinn, sondern in historisch-teleologischer Auslegung (dazu F Bydlinski in Rummel, ABGB2 Rz 19 zu § 6 mN aus der Rsp) so zu verstehen, daß sich die Antragslegitimation auf jeden erstreckt, der entweder als Vertragspartner, Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger einen Direktanspruch aus dem Einzelvertrag oder als Vertragspartner oder Rechtsnachfolger einen Anspruch in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag geltend machen will. Das bezieht sich auch auf die Einzelrechtsnachfolge in Ansehung bestimmter Forderungen, die auf dem Einzelvertrag als Dauerschuldverhältnis beruhen. Anderenfalls wäre die gesetzliche Regelung des Zusammenhangs ineffektiv, führt doch beispielsweise jede Forderungsabtretung bzw -einlösung zu einem Gläubigerwechsel und damit zum Transfer der Rechtszuständigkeit einer Forderung aus dem Einzelvertrag auf eine Person, die nicht Partnerin dieses Vertrags, aber dennoch Gläubigerin eines solchen vertraglichen Anspruchs ist. Dieser Auslegung entsprechen die soweit zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts, wonach die Entscheidungskompetenz der paritätischen Schiedskommission über einen bestimmten Anspruch aus oder im Zusammenhang mit dem Einzelvertrag nicht davon abhängen kann, ob ein Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger des Arztes oder ein Krankenversicherungsträger als Antragsteller auftritt, wären doch sonst je nach der Person des Antragstellers entweder die ordentlichen Gerichte oder die paritätische Schiedskommission zur Verhandlung und Entscheidung einer bestimmten einzelvertraglichen Streitigkeit berufen. Dieses Ergebnis ist, wie in Erörterung einer verfassungsrechtlichen Dimension zu ergänzen ist, deshalb zwingend, weil der Gesetzgeber eine bestimmte Aufgabe der Vollziehung nach dem Grundsatz der Gewaltentrennung (Art 94 B-VG) nur entweder der Gerichtsbarkeit oder der Verwaltung, dagegen nicht sowohl der Gerichtsbarkeit als auch der Verwaltung übertragen kann. Es dürfen also nicht Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Entscheidung in derselben Sache berufen werden (Mayer, B-VG2 [1997] Art 94 B-VG I.d mzN aus der Rsp des VfGH). Das bereits historisch-teleologisch erzielte Auslegungsergebnis des § 344 Abs 1 letzter Satz ASVG wird daher durch die gebotene verfassungskonforme Interpretation des Gesetzes (F Bydlinski in Rummel, ABGB2 Rz 21 zu § 6 mwN) entscheidend gestützt. Deshalb kann die der ausdrücklichen Regelung der Antragsbefugnis zugrundeliegende Absicht des Gesetzgebers nur die Klarstellung gewesen sein, daß
a) jedenfalls die Parteien des Gesamtvertrags in einer auf die Auslegung bzw Anwendung des Einzelvertrags bezogenen Streitigkeit nicht antragslegitimiert sind (die Darlegungen Souhradas, SozSi 1990, 20, beruhen offenbar auch auf diesem gedanklichen Hintergrund), und
b) jeder antragsberechtigt ist, der - wie bereits dargelegt - entweder als Vertragspartner, Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger einen Direktanspruch aus dem Einzelvertrag oder als Vertragspartner oder Rechtsnachfolger einen Anspruch in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag geltend machen will.
Die paritätische Schiedskommission ist eine Verwaltungsbehörde (RdM 1996/4; EvBl 1995/89; SSV-NF 8/B 8; 7 Ob 504/94; SZ 63/11). Die gegenteilige Entscheidung 6 Ob 2148/96t, die diese Kommission „als Schiedsgericht im Sinn des § 577 ZPO“ qualifizierte, blieb vereinzelt. Der Oberste Gerichtshof sprach jedoch bereits in 2 Ob 7/95 aus, daß gegen „das Schiedskommissionsverfahren, wie es vom Gesetzgeber durch die 48.ASVG-Novelle eingerichtet wurde, aus der Sicht der Verfassung keine Bedenken“ bestehen, weil gegen einen Bescheid der nicht als Tribunal organisierten paritätischen Schiedskommission Berufung an „die als ein Gericht im Sinne des Art 6 EMRK“ eingerichtete Landesberufungskommission (§ 345 ASVG) erhoben werden kann. Der erkennende Senat schließt sich dieser Ansicht an.
Ist aber Streitgegenstand - wie hier - ein Anspruch, der in die Entscheidungskompetenz der paritätischen Schiedskommission als Verwaltungsbehörde fällt, ist der ordentliche Rechtsweg nach ständiger Rechtsprechung unzulässig (RdM 1996/4; EvBl 1995/89 [Honorarforderung]; 2 Ob 7/95; SSV-NF 8/B 8 [Honorarforderung]; 7 Ob 504/94; SZ 63/11).
Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben und die in der Frage der Unzulässigkeit des Rechtswegs im Ergebnis zutreffende Entscheidung des Erstgerichts teilweise wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens stützt sich auf §§ 41 und 50 ZPO.
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