OGH 1Ob2/91

OGH1Ob2/9110.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) *****,

2.) H*****, 3.) R*****, sämtliche vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1.) A*****, 2.) G*****, beide vertreten durch Dr. Rudolf

K. Fiebinger und Dr. Peter M. Polak, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung (Gesamtstreitwert S 1,500.000,--) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. März 1990, GZ 14 R 126/89-6, womit infolge Berufung der zweitbeklagten Partei das Versäumungsurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 27.Februar 1989, GZ 23 Cg 322/88-2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

1.) Die Parteibezeichnung der erstbeklagten Partei wird von Amts wegen auf "A*****" richtiggestellt.

2.) Der Revision der klagenden Parteien wird teilweise Folge gegeben.

Soweit das Berufungsgericht das auf Unterlassung gerichtete Klagebegehren abgewiesen hat, wird dieser Teil der Entscheidung ersatzlos aufgehoben.

Die Abweisung des Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehrens zu Punkt 2 c des Urteilsantrages ("Der Zweitkläger leide angeblich, wenn man ihm vorwerfe, sein Blatt - gemeint: ***** - schreibe antisemitisch") wird bestätigt.

Im übrigen wird das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem Punkt 2 dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien an Prozeßkosten und Kosten der Rechtsmittelverfahren den Betrag von S 98.457,79 (darin enthalten S 5.443,07 Umsatzsteuer und S 56.600 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 29.12.1988 eingebrachten Klage beantragten die Kläger, beide beklagten Parteien (die erstbeklagte Partei wird von ihr als ***** bezeichnet) seien schuldig, die Tatsachenbehauptungen, die Erstklägerin und der Drittkläger witzeln über jüdische Namen, der Drittkläger greife in diese - gemeint: Witzeln über jüdische Namen - tiefste Schublade des Antisemitismus; der Zweitkläger leide angeblich, wenn man ihm vorwerfe, sein Blatt - gemeint:

***** - schreibe antisemitisch; die Erstklägerin und der Drittkläger verbreiteten in der auflagenstärksten

Zeitung - gemeint: ***** - offen Antisemitismus; der Drittkläger habe mit jüdischen Namen seinen Spaß getrieben; und der Drittkläger sei bei antisemitischem Gewitzel ertappt worden, zu unterlassen; der Zweitbeklagte sei weiters schuldig, diese Tatsachenbehauptungen zu widerrufen und die Veröffentlichung des Widerrufs in der periodischen Druckschrift N***** auf S.3 vorzunehmen.

Die Klagserzählung enthält nachstehende, auf den Gegenstand des Rechtsstreites bezügliches tatsächliches Vorbringen:

"Die Erstklägerin ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift *****. Es ist gerichtsbekannt, daß die ***** die auflagenstärkste Tageszeitung Österreichs ist.

Der Zweitbeklagte ist angestellter Journalist der Erstbeklagten und als Kolumnist für die ***** tätig; insbesondere kommentiert der Zweitbeklagte politische und tagespolitische Ereignisse.

Die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte haben in der Woche vom 19. bis 24.Dezember 1988 schwere ehrenrührige und kreditschädigende Äußerungen gegen die Kläger erhoben.

Bevor auf diese einzelnen, schwer ehrenrührigen und kreditschädigenden Äußerungen eingegangen wird, sei zunächst festgehalten, daß dem für die Erstklägerin schreibenden Drittkläger, R*****, folgender Fehler unterlief: Der Drittkläger nahm in seiner Kolumne in der *****, in der Ausgabe vom 17. Dezember 1988, Stellung zu den in amerikanischen Tageszeitungen, insbesondere in der New York Times, gegen Österreich und die ***** (gemeint wohl: erschienen Artikeln). Dabei nannte der Drittkläger namentlich den Verfasser eines Artikels in der New York Times, nämlich A.M.Rosenthal. Aus unerklärlichen Gründen - und wohl aus menschlichem

Versagen - unterlief dabei dem Drittbeklagten ein Fehler: Er nannte den Journalisten der New York Times in der Folge einmal "Rosenbaum" und später "Rosenberg". Festgehalten sei jedoch, daß sofort nach Entdecken dieses Fehlers in der ersten Abendausgabe der ***** vom 17.Dezember 1988 der Satz korrigiert wurde und die folgenden Ausgaben der ***** vom 17.Dezember 1988 den Namen des Journalisten der New York Times richtig mit A.M. Rosenthal wiedergeben.

Am Montag, dem 19.Dezember 1988 schreibt der Zweitbeklagte in seiner Kolumne auf Seite drei unter "Politik" in der ***** folgenden Kommentar:

*****

Kommentar

Jud' ist Jud'

Man macht keine Witze über Namen. Das lernt jeder journalistische Anfänger. Das ist nicht lustig. Sondern ordinär. Witzeln über jüdische Namen ist das Allerletzte. Der "Stürmer" die berüchtigte Nazi-Gazette, war darin Spezialist. Seitdem wagt nicht einmal die rechtsradikale Presse, in diese tiefste Schublade des Antisemitismus zu greifen. R***** doch.

Er polemisiert in der Samstag-***** gegen einen US-Journalisten, der sich kritisch mit Österreich auseinandersetzt. Der Beginn der *****-Polemik liest sich dann so: "In der einschlägig so sattsam bekannten "New York Times" schreibt ein Herr A.M. Rosenthal..."

So weit, so schlecht. Der Kolumnist sagt dann dem Mann von der Ostküste deutlich, wo der Bartel den Most herholt, und in der Hitze des Gefechts nennt ***** ihn "Herr Rosenbaum". Nachdem eine Passage aus der "New York Times" zitiert wird, steht dann in der ***** süffisant: "Küß d' Hand, Herr Rosenberg, für diesen wahrhaft blühenden Unsinn." Rosenthal, Rosenbaum, Rosenberg. Alles gleich. Jud' ist Jud'.

Und niemand sage, der Setzer sei schuld. Oder das sei einfach ein Versehen. Man kann sich einmal irren. Aber diese Systematik war gewollt. Eine Ungeheuerlichkeit.

Als solche empfanden dies offenbar nicht nur wir: Auch in der ***** hat man's bemerkt. Und in der Morgenausgabe stand dann nur mehr "Rosenthal". Aber was liegt, das pickt. Herr *****, der angeblich so leidet, wenn man ihm vorwirft, sein Blatt schreibe antisemitisch, sollte sich überlegen, ob er sich einen solchen, eh schon längst für die Pension reifen Kolumnisten leisten kann.

Für Österreich ist jedenfalls dieser in der auflagenstärksten Zeitung verbreitete offene Antisemitismus absolut unerträglich.

Dieser Artikel enthält nachstehende, unrichtige Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, den Kredit, den Erwerb und das Fortkommen der Kläger in existentieller Weise zu beeinträchtigen bzw. zu gefährden:

1) "Man macht keine Witze über Namen. Das lernt jeder journalistische Anfänger. Das ist nicht lustig. Sondern ordinär. Witzeln über jüdische Namen ist das Allerletzte. Der "Stürmer", die berüchtigte Nazi-Gazette, war darin Spezialist. Seitdem wagt nicht einmal die rechtsradikale Presse, in diese tiefste Schublade des Antisemitismus zu greifen. R***** doch."

Die Beklagten werfen der Erstklägerin und dem Drittkläger somit

2) "H*****, der angeblch so leidet, wenn man ihm vorwirft, sein Blatt schreibe antisemitisch, sollte sich überlegen, ob er sich einen solchen, eh schon längst für die Pension reifen Kolumnisten leisten kann."

Die Beklagten werfen dem Zweitkläger somit vor, nur vorzutäuschen, daß er leide, wenn man ihm ***** vorwerfe, daß in der ***** Artikel mit antisemitischer Haltung veröffentlicht werden. Damit wird aber gegen den Zweitkläger vielmehr der Vorwurf erhoben, sich zu verstellen, und in Wirklichkeit Artikel mit einer antisemitischen Tendenz in der ***** zu fördern zumindest aber gutzuheißen.

3) "Für Österreich ist jedenfalls dieser in der auflagenstärksten Zeitung verbreitete offene Antisemitismus absolut unerträglich."

Demgemäß werfen die Beklagten der Erstklägerin vor, offen - also für jedermann erkennbar - Antisemitismus zu verbreiten.

Am Dienstag, den 20.Dezember 1988, wurde in der ***** wiederum auf Seite drei, unter der fett und gesperrt gedruckten

Überschrift:

"Empörung über *****-Artikel

Wiesenthal: "Antisemitismus" - Grüne kündigen

Parlamentsinitiative an"

nachstehender Artikel veröffentlicht:

Wien (plo, *****). Empörung hat ein Artikel von ***** in der ***** hervorgerufen. Wie berichtet, hat der Kolumnist in einer Polemik gegen einen Artikel in der "New York Times" den Namen des US-Journalisten "ironisch" einmal richtig "Rosenthal" genannt, ihn dann aber in "Rosenbaum" und "Rosenberg" verändert.

Gegen die Schreibweise haben sich nun mehrere Personen und Organisationen gewendet. "Witzeln über jüdische Namen hat in Österreich Tradition. Es ist die Tradition des offenen Antisemitismus", erklärten die "Jüdischen Hochschüler", die den Artikel als "Skandal" empfanden. Ebenso sieht der grüne Abgeordnete Pilz die Angelegenheit und kündigt eine parlamentarische Anfrage an den Bundeskanzler an, in der dieser gefragt werden soll, "ob er bereit ist, sicherzustellen, daß Medien, die antisemitische Schreiben dulden oder fördern, die Presseförderung gestrichen werde."

Der Präsident der israelischen Kultusgemeinde, Paul Grosz, meint, die ***** benütze seit geraumer Zeit Antisemitismen, um Sympathie der Leute zu gewinnen. Es werde wieder "Stimmung gegen Juden" gemacht. Simon Wiesnthal ist ebenfalls über den antisemitischen Artikel empört: "Man will nicht nur einen Juden, man macht drei daraus, dann kommt man näher an den Begriff "alle Juden" ", analysiert Wiesenthal in einem Gespräch mit *****.

Auch die junge Generation der SPÖ und der Republikanische Club/Neues Österreich verurteilen die ***** Auslassungen als skandalös.

Festgehalten sei, daß die Beklagten in diesem Artikel den Klägern neuerlich eine antisemitische Haltung vorwerfen. Die Beklagten stützen ihren Vorwurf gegen die Kläger ausschließlich auf eine Fülle von Zitaten. Auffallend ist, daß die Zitierten gerade und genau die Worte des Zweitbeklagten aus seiner Kolumne vom 19. Dezember 1988 wiederholen. Demgemäß berichten aber die Beklagten wohl nicht in einer wertfreien, distanzierten und jede Identifikation ausschließenden Form, sondern trachten vielmehr ihre eigene Meinung - wiedergegeben in der Kolumne des Zweitbeklagten am 19.Dezember 1988 - durch solche Zitate zu stützen.

Am Mittwoch, den 21.Dezember 1988, erschien, abermals auf Seite 3, in der ***** nachstehender Artikel unter der Überschrift:

"Kanzler zu *****-Artikel"

In Zusammenhang mit Protesten jüdischer Organisationen gegen einen Artikel des *****-Kolumnisten ***** und einer von den "Grünen" angekündigten parlamentarischen Anfrage (die ***** berichtete) an ihn, erneuerte Dienstag Bundeskanzler Vranitzky seine entschiedene Ablehnung jeder Art von Antisemitismus und auch jeder Art "von Wortwahl, die in diese Richtung deutet". Diese sei von jenen zu verantworten, die sich ihrer bedienen. "Töne in dieser Richtung", so der Kanzler, "sind zivilsatorisch und demokratiepolitisch gefährlich."

Am Donnerstag, den 22.Dezember 1988 schrieb der Zweitbeklagte unter seinen Initialen ***** folgende Glosse in der ***** auf Seite drei:

In flagranti

In flagranti Erwischte reagieren zuweilen besonders heftig.

So auch *****, der mit jüdischen Namen seinen Spaß getrieben hat. Bei antisemitischem Gewitzel ertappt - er hatte systematisch einen von ihm angegriffenen US-Journalisten mit dem Namen Rosenthal "ironisch" in Rosenbaum und dann in Rosenberg "umbenannt" - wehrt sich der *****-Kolumnist fast hysterisch.

"Ein bescheidener Irrtum", entschuldigt er sich. Lächerlich: Ein so erfahrener und sorgfältiger Journalist wie er, irrt sich nicht so läppisch. Seine Schimpforgie gegen die ***** und gegen mich zeugt von großer Nervosität. Verständlich. In der BRD reagiert man empfindlicher auf Antisemitismus als bei uns. Ob der Miteigentümer an der *****, der *****, sich über österreichische Schreiber ***** freut, muß bezweifelt werden.

*****

Diese Glosse enthält nachstehende, unrichtige Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, den Kredit, den Erwerb und das Fortkommen der Erstklägerin und des Drittklägers in existentieller Weise zu beeinträchtigen bzw. zu gefährden:

4) "So auch *****, der mit jüdischen Namen seinen Spaß getrieben hat. Bei antisemitischem Gewitzel ertappt..."

Demgemäß werfen die Beklagten der Erstklägerin und dem Drittbeklagten vor,

5) "In der BRD reagiert man empfindlicher auf Antisemitismus als bei uns. Ob sich der Miteigentümer an der *****, sich über österreichische Schreiber ***** freut, muß bezweifelt werden."

Dadurch werfen die Beklagten der Erstklägerin und insbesondere dem für sie schreibenden Drittkläger eine antisemitische Schreibweise vor.

Zusammenfassend sei somit festgehalten, daß die Beklagten den Klägern - ausgehend von einem dem Drittkläger unterlaufenen Fehler, der auf menschliches Versagen zurückzuführen ist - eine antisemitische Haltung vorwerfen."

Auf Grund dieses Vorbringens leiten die klagenden Parteien gemäß § 1330 Abs.2 ABGB einen Anspruch auf Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufes ab.

Das Erstgericht trug den beklagten Parteien die Beantwortung der Klage binnen drei Wochen mit schriftlichem Beschluß auf. Dieser Beschluß und die Klage wurde an die erstbeklagte Partei unter der Bezeichnung N***** adressiert. Nach einem ersten Zustellversuch am 3.1.1989 wurden die Schriftstücke am 4.1.1989 von der "S*****" an derselben Anschrift entgegengenommen. Keine der beklagten Parteien erstattete eine Klagebeantwortung. Die klagenden Parteien beantragten daraufhin am 24.2.1989 die Fällung eines Versäumungsurteiles, das am 27.2.1989 im stattgebenden Sinn erlassen wurde. Das an "N*****" adressierte Versäumungsurteil wurde wiederum von der ***** entgegengenommen.

Am 18.4.1989 erhob (richtig nur:) der Zweitbeklagte, soweit dem Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren stattgegeben wurde, Berufung gegen dieses Versäumungsurteil, beide beklagten Parteien erhoben aber gemäß § 397 a ZPO Widerspruch. Die erstbeklagte Partei bezeichnete sich in diesem Schriftsatz als *****.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der beklagten Parteien Folge und änderte das Versäumungsurteil dahin ab, daß es das gesamte

Klagebegehren - also auch das Unterlassungsbegehren - abwies. Es sprach aus, der Wert des Streitgegenstandes übersteige S 50.000, die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt. Das Berufungsgericht führte aus, Gegenstand der Widerrufsklage könnten nur Tatsachen, nicht aber schädigende Wertungen und Urteile sein. Unter Tatsachen seien Umstände, Ereignisse und Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bestimmter oder doch von ihm zu ermittelnder Umstände objektiv auf seine Richtigkeit hin überprüfbaren Inhalt zu verstehen. Der Begriff der Tatsachenbehauptung sei weit auszulegen. Auch Urteile, die auf entsprechende Tatsachen schließen ließen, gelten als Tatsachenmitteilungen. Sie werden als konkludente Tatsachenbehauptungen bezeichnet und seien dadurch gekennzeichnet, daß ihnen entnommen werden könne, daß sie von bestimmten Tatsachen ausgingen. Das, was objektiv überprüfbar werden könne, sei der im Tatsachen- bzw. Werturteil explicit zum Ausdruck gebrachte oder ihm wenigstens implicit zugrundeliegende Tatsachenkern. Dieser sei als sachliches Substrat einer objektiven Überprüfung zugänglich, während die darauf aufbauende ethische oder ästhetische Wertung oder die auf Grund einer Gesamtschau vorgenommene Bewertung einer solchen Überprüfung entzogen sei. Der inkriminierte Artikel enthalte als Tatsachenbehauptung lediglich die Mitteilung, daß der Drittkläger in seiner Glosse anstelle des Namens "Rosenthal" die Namen "Rosenberg" und "Rosenbaum" verwendet habe. Alle anderen daran geknüpften Erwägungen seien nicht Tatsachenmitteilungen, sondern als Schlüsse und Erwägungen des Zweitbeklagten btw. der von ihm zitierten Personen erkennbar. Daß die zweimalige Namensverwechslung nicht auf einem Irrtum beruhe, sondern auf der Absicht, über jüdische Namen zu witzeln, sei ein Tatsachenurteil. Bei den daran anknüpfenden Aussagen handle es sich durchwegs um Wertungen moralischer und politischer Art. Diese Wertungen fänden im Tatsachenkern eine hinreichende Grundlage. Auf konkludente konkrete Tatsachen, die über diesen Tatsachenkern hinausgingen, nehmen die Schlußfolgerungen des Zweitbeklagten nicht Bezug. Da auch nach dem Vorbringen in der Klage feststehe, daß der Drittkläger tatsächlich anstelle des Namens Rosenthal auch die Namen Rosenberg und Rosenbaum verwendet habe, werde nicht behauptet, daß eine falsche Tatsachenmitteilung erfolgt sei, sondern lediglich, daß die vom Zweitbeklagten und den von ihm zitierten Personen daran geknüpften Erwägungen unrichtig seien. Da aber nur der Widerruf von Tatsachenmitteilungen Gegenstand des Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehrens sein können, gehe schon allein aus diesem Grund das auf § 1330 Abs.2 ABGB gestützte Klagebegehren fehl. Was das Unterlassungsbegehren betreffe, vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, daß die Grenzen zulässiger journalistischer Meinungsäußerung nicht überschritten worden seien.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Parteien. In ihr wird, soweit das Berufungsgericht über den Unterlassungsanspruch entschieden hat, der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs.1 Z 3 ZPO geltend gemacht.

Die beklagten Parteien weisen in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hin, daß den Vorinstanzen insoweit eine Nichtigkeit unterlaufen sei, weil eine Person namens ***** nicht existiere. Es sei auch in keinem Stadium des Verfahrens eine Berichtigung der Parteibezeichnung erfolgt. Damit mangle es aber der erstbeklagten Partei an der Prozeßfähigkeit, somit an einer allgemeinen Prozeßvoraussetzung.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 235 Abs.5 ZPO ist es weder eine Änderung der Klage noch eine Änderung der Partei, wenn die Parteibezeichnung auf diejenige Person richtiggestellt wird, von der oder gegen die nach dem Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise, etwa durch die Anführung der Bezeichnung ihres Unternehmens, das Klagebegehren erhoben worden ist. Eine solche Berichtigung ist auch von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens vorzunehmen. Ein prozeßfähiges Gebilde mit der Bezeichnung ***** ist nicht existent. die klagenden Parteien bezeichneten offenbar irrtümlich den Titel der periodischen Druckschrift anstelle des Medieninhabers als Partei (vgl. den Sachverhalt in 4 Ob 169/89, in dem es unstreitig war, daß der ***** Medieninhaber war). Die Klage und später auch das Versäumungsurteil wurden von der unter HRA ***** des Handelsgerichtes Wien registrierten Personengesellschaft *****mbH & Co KG*****"AZ ***** geändert wurde. Unter dieser Bezeichnung erstattete die erstbeklagte Partei auch ihre Revisionsbeantwortung. Wird offensichtlich irrtümlich anstelle des Medieninhabers der Titel der periodischen Druckschrift als Partei bezeichnet, ist der Fall den im § 235 Abs.5 ZPO als typisch (WBl.1987, 41; Fasching, Lehrbuch2 Rz 328) erwähnten vergleichbar, daß anstelle des Unternehmers die beklagte Partei mit der Unternehmensbezeichnung angeführt wird. Da der Medieninhaber durch unbeanstandete Entgegennahme von Klage und Versäumungsurteil sowie Erhebung eines Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil selbst davon ausging, daß nur eine unrichtige Parteibezeichnung durch die klagenden Parteien vorliegt, ist diese auch noch vom Obersten Gerichtshof gemäß § 235 Abs.5 ZPO richtigzustellen.

Die Revision der klagenden Parteien ist teilweise berechtigt.

Zutreffend wird in der Revision geltend gemacht, daß die beklagten Parteien das Versäumungsurteil im Umfang der Stattgebung des Unterlassungsbegehrens nicht mit Berufung bekämpft haben. Es liegt damit zwar weder der angeführte Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs.1 Z 3 ZPO vor, weil das Oberlandesgericht Wien funktionell zur Entscheidung von Berufungen gegen Urteile des Erstgerichtes zuständig ist, noch der im § 477 ZPO nicht ausdrücklich angeführte (SZ 30/48; SZ 22/173 uva; Fasching aaO Rz 1761) Nichtigkeitsgrund eines Verstoßes gegen die Teilrechtskraft des Versäumungsurteiles der ersten Instanz, weil durch rechtzeitige Erhebung eines Widerspruches nach § 397 a ZPO gegen das Versäumungsurteil auch dieser Teil des Versäumungsurteiles formell noch nicht rechtskräftig geworden war (vgl. Fasching aaO 1493); wohl aber wird der Sache nach eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen Verstoßes gegen die Vorschrift des § 405 ZPO (Spruch 50 neu; SZ 59/133 mwN) geltend gemacht. Auch für das Rechtsmittelverfahren gilt, daß das Berufungsgericht nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was sie nicht beantragte. Das Berufungsgericht ist an den Sachantrag der Parteien gebunden (8 Ob 271/80, 66/81 ua; Fasching, Kommentar IV 64). Lag ein Sachantrag der beklagten Parteien auf Abänderung des Versäumungsurteiles im Umfang des Unterlassungsbegehrens nicht vor, ist die dennoch ergangene Entscheidung des Berufungsgerichtes über diesen Teil des Versäumungsurteiles ersatzlos aufzuheben.

Das Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren stützten die klagenden Parteien auf § 1330 Abs.2 ABGB. Voraussetzung ist die Verbreitung von Tatsachen, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit der Schädiger kannte oder kennen mußte. Der Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß das gestellte Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren deshalb unschlüssig sei, weil mit den inkriminierten Stellen keine Tatsachen verbreitet worden seien, kann nicht gefolgt werden. Im Sinne dieser Gesetzesstelle wird nach ständiger Rechtsprechung und einheitlicher Lehre jede Aussage als Tatsache verstanden, deren Inhalt auf ihre Wahrheit hin objektiv nachgeprüft werden kann (ecolex 1990, 765; MuR 1990, 184; ÖBl 1990, 18; MuR 1990, 66; MuR 1990, 68; MuR 1989, 64;

SZ 61/193; SZ 60/255; JBl.1980, 481 uva, Koziol, Haftpflichtrecht2 II 174 f; Harrer in Schwimann, ABGB Rz 6 zu § 1330; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 1330;

Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 39; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 Bd.II 113 f; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16 Rz 4 zu § 14 dUWG; Mertens in Münchener Kommentar2 Rz 9 zu § 824 BGB); die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muß grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein (Karl Schäfer in Staudinger12 Rz 14 zu § 824 BGB; Schwerdtner in Münchener Kommentar2 Rz 253 zu § 12 BGB; Soergel-Zeuner12 Rz 7 zu § 824 BGB; Steffen in BGB-RGRK2 Rz 13 zu § 824), so daß das Verbreitete nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (Karl Schäfer aaO Rz 15). Wird eine sonst subjektive Wertung, die allein einen Anspruch nach § 1330 Abs.2 ABGB nicht begründen könnte, auf Grund konkreter dargestellter unwahrer Tatsachen gezogen, wird darin insgesamt das Verbreiten von Tatsachen erblickt (MuR 1990, 66; MuR 1989, 64; SZ 60/255; JBl.1980, 481 uva; Koziol aaO; Harrer aaO Rz 11; Baumbach-Hefermehl aaO; Karl Schäfer aaO Rz 15). Diese unwahren Tatsachen müssen die Schlußfolgerungen tragen, die sich damit von der entsprechenden Tatsachengrundlage sinnvollerweise nicht ablösen lassen (Mertens aaO Rz 22). Bei der Beurteilung, ob Tatsachen verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch ermittelten Gesamteindruck an, die die inkriminierten Äußerungen hinterlassen (MuR 1990, 184; Steffen aaO Rz 14).

Geht man von diesen Grundsätzen aus, enthält der inkriminierte Artikel als Tatsachenbehauptung nicht nur die Mitteilung, daß der Drittkläger in seiner Glosse anstelle des Namens Rosenthal auch die Namen Rosenberg und Rosenbaum verwendet hat, sondern daß diese Vorgangsweise, wie sich aus dem Gesamteindruck des Artikels ergibt, vom Drittkläger bewußt in Anlehnung an eine berüchtigte NS-Zeitschrift deshalb eingeschlagen wurde, um durch Verwendung einer Mehrzahl jüdischer Namen für eine einzige Person, die jüdische Abstammung des Artikelverfassers der New York Times und damit auch seine geistige Haltung zu den dargestellten, Österreich betreffenden Problemen zu dokumentieren. Damit ist aber auch die Behauptung, der Drittkläger witzle über jüdische Namen, er sei bei antisemitischem Gewitzel ertappt worden, objektiv nachprüfbar und demnach verifizierbar, so daß das Tatbestandsmerkmal der Verbreitung von Tatsachen gegeben ist. Dann unterliegt aber auch die auf Grund dieser Tatsachenbehauptung gezogene Schlußfolgerung, nämlich der Vorwurf des Antisemitismus als substantiiertes Urteil der Vorschrift des § 1330 Abs.2 ABGB (vgl. Mertens aaO Rz 14).

Daß die inkriminierten Äußerungen bereits einen Schaden hervorgerufen haben, ist nicht Tatbestandsmerkmal. Es genügt, daß sie dazu geeignet waren, den Kredit, Erwerb oder das Fortkommen der klagenden Parteien zu gefährden (MuR 1988, 87 mwN; 4 Ob 541/89). Für den Drittkläger liegt eine solche Gefährdung schon deshalb auf der Hand, weil den anderen klagenden Parteien vom Zweitbeklagten geraten wird, ihn wegen dieses Artikels in Pension zu schicken, für die erstklagende Partei, weil - im Gegensatz zu den nicht weiter begründeten Behauptungen in der Revisionsbeantwortung - der Absatz einer österreichischen Massenzeitung sehr wohl gefährdet werden kann, wenn man ihr zu Unrecht auf Grund bestimmter unwahrer Tatsachen antisemitische Schreibweise vorwirft. An einer Gefährdung mangelt es allerdings für die einzig den Zweitkläger betreffende inkriminierte Äußerung, er "leide angeblich, wenn man ihm vorwerfe, sein Blatt - gemeint: ***** - schreibe antisemitisch". Die Kreditschädigung erblickt der Zweitkläger ausschließlich darin, daß er nur vortäusche, zu leiden, sich also verstelle und daher in Wirklichkeit Artikel mit einer antisemitischen Tendenz fördere zumindest aber gutheiße. Dem Wort "angeblich" kommt aber, wenn es wie hier prädikativ bzw. adverbial verwendet wird, diese Bedeutung nicht zu. Vielmehr ist es in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit dem Ausdruck "wie behauptet wird" (Duden, Bedeutungswörterbuch2, 50; Brockhaus, Deutsches Wörterbuch Bd.I 222 mit Erklärung der verwendeten Zahlen auf S.20). Eine Behauptung, der Zweitkläger verstelle sich, er fördere antisemitische Tendenzen, wurde mit dieser Aussage daher nicht aufgestellt. Die inkriminierte Behauptung auf die in der Revision auch nicht mehr zurückgekommen wird, ist daher nicht geeignet, den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen des Zweitklägers zu gefährden.

Die klagenden Parteien sind auch der ihnen auferlegten Behauptungslast nachgekommen. Sie haben dargestellt, daß die Behauptung, der Drittkläger witzle über jüdische Namen, unrichtig ist, weil dem Drittkläger aus unerklärlichen Gründen, wohl aus menschlichem Versagen nur eine Namensverwechslung unterlaufen sei. Trifft dies zu, sind aber auch die daran geknüpften weiteren Behauptungen des Zweitbeklagten unwahr.

Es mangelt aber auch nicht an der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Zweitbeklagten. Der Zweitbeklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Vorschrift des Art.10 MRK berufen. Wie der Oberste Gerichtshof, folgend der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 25.3.1985, EuGR 1985, 170, 173 ff, deren Aufbau auch Bammer, Sittenwidrige Herabsetzung und Freiheit der Meinungsäußerung, ecolex 1990, 253 folgt, bereits mehrfach (ecolex 1990, 765; 4 Ob 153/90) darlegte, kann nach Art.10 MRK die Ausübung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung durch Gesetz zur Wahrung bestimmter wichtiger

Rechtsgüter - darunter auch zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer - so weit beschränkt werden, als es zur Wahrung dieser Rechtsgüter unentbehrlich ist. Ein solcher materieller Gesetzesvorbehalt ist dann konventions- und somit verfassungskonform, wenn er allen drei Bedingungen der Gesetzesvorbehalte entspricht, der Eingriff also gesetzlich vorgesehen ist, einen zulässigen Zweck verfolgt und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Daß der gute Ruf und die wirtschaftliche Lage derjenigen, die von unwahren herabsetzenden Tatsachenbehauptungen oder Äußerungen betroffen sind, leiden können, liegt auf der Hand, ihr Schutz ist deshalb ohne Zweifel notwendig und damit konventionsgemäß (Frowein-Peukert, EMRK-Kommentar 238 Rz 32 zu Art.10 sowie die bereits zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes). Es kann keinesfalls im Interesse der Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft liegen, geschweige denn zu ihrer Entfaltung notwendig sein, daß einer pointierten Schreibweise in einer periodischen Druckschrift mit unwahren Tatsachenbehauptungen entgegengetreten wird, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen des Medieninhabers oder des Verfassers des Artikels gefährden können.

Um Ansprüche aus § 1330 Abs.2 ABGB ableiten zu können, hat der Kläger nicht nur zu beweisen, daß die Tatsachen, durch die sein Kredit, sein Erwerb oder sein Fortkommen gefährdet worden sind, unwahr sind, er hat auch zu behaupten, daß die Unkenntnis des Beklagten von der Unrichtigkeit seiner Mitteilung zumindest auf Fahrlässigkeit beruht, dem Beklagten dies also bei durchschnittlicher, jedermann zumutbarer Auffassung erkennbar gewesen wäre (ÖBl 1979, 134; SZ 50/86; SZ 46/114 uva, zuletzt 4 Ob 541/89; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 27 zu § 1330). Dieser Behauptungslast sind die klagenden Parteien aber nachgekommen. Sie haben vorgebracht, daß die dem Drittkläger unterlaufene Fehlleistung, nachdem sie in der Abendausgabe vom 17.12.1988 entdeckt worden war, korrigiert wurde und daher in den folgenden Ausgaben der periodischen Druckschrift nicht mehr enthalten waren. Damit wird aber behauptet, daß für den Zweitbeklagten als Journalisten erkennbar gewesen wäre, daß die veränderte Schreibweise zur Ausmerzung eines wem auch immer unterlaufenen Irrtums zurückzuführen war, ein Umstand, den er selbst bedachte, legt er doch in seiner inkriminierten Kolumne dar, daß die Namensverwechslung jedenfalls nicht auf einen Irrtum des Setzers zurückgeführt werden könne.

Der gegen das Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren gerichteten Revision ist daher teilweise Folge zu geben und mit Ausnahme des ausschließlich den Zweitkläger betreffenden Urteilsantrages das Versäumungsurteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten und die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 43 Abs.1, 50 ZPO bzw. 43 Abs.1 ZPO. Die klagenden Parteien sind, geht man von den von ihnen angegebenen Streitwerten aus, mit rund 5 % unterlegen. Sie haben daher Anspruch, 90 % ihrer Kosten ersetzt zu erhalten. Für die Berechnung der Barauslagen wurde § 43 Abs 1 Schlußsatz ZPO angewendet.

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