OGH 1Ob28/14w

OGH1Ob28/14w22.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** P*****, vertreten durch Dr. Michael Pacher, Mag. Jörg Vollmann, Mag. Maria Friedrich, Dr. Matthias Löschnigg, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei L***** E*****, vertreten durch Dr. Gerhard Halbreiner, Rechtsanwalt in Graz, wegen 38.900 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 4. Dezember 2013, GZ 7 R 46/13h‑30, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Juli 2013, GZ 16 Cg 188/10t‑26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.967,58 EUR (darin enthalten 327,93 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Über Vermittlung der Beklagten, einer behördlich konzessionierten Immobilienmaklerin, erwarb der Kläger mit Kaufvertrag vom 15. Mai 1996 ein Zinshaus, für das weder eine Bau- noch eine Benützungsbewilligung vorlag.

Der Kläger begehrt von der Beklagten den Ersatz der Kosten für die Erlangung der Bau- und Benützungsbewilligung für das von ihm erworbene Objekt. Die Beklagte habe ihn pflichtwidrig nicht über das Fehlen der behördlichen Bewilligungen informiert.

Das Berufungsgericht bestätigte das Zwischenurteil des Erstgerichts, mit dem dieses die Haftung der Beklagten für die Forderung des Klägers dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannt hatte, und ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, „ob die Haftung des Immobilienmaklers für eine unzureichende Information über Unklarheiten betreffend das Vorliegen einer Benützungsbewilligung für ein Ertragszinshaus wegfällt, wenn der Käufer den endgültigen Vertragsabschluss und die Unterfertigung des Kaufvertrags ohne Einbeziehung des Maklers vornimmt“.

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Das mit 1. 7. 1996 in Kraft getretene Maklergesetz (MaklerG ‑ BGBl 1996/262) ist nach der Übergangsbestimmung seines Art III Abs 2 auf vor seinem Inkrafttreten abgeschlossene Maklerverträge überwiegend nicht anzuwenden. Zutreffend haben die Vorinstanzen das Vertragsverhältnis daher nach § 29 Handels-vertretergesetz 1993 (HVertrG 1993, BGBl 1993/88) den für Geschäftsvermittler geltenden Rechtsvorschriften des Handelsvertretergesetzes 1921, BGBl 1921/348 idgF, unterstellt. Danach haftete der Immobilienmakler für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und war verpflichtet, dem Auftraggeber des Maklervertrags die erforderlichen Nachrichten zu geben. Aus der Verordnung über die Ausübungsregeln für Immobilienmakler (ImmMV) wurden darüber hinaus weitere Anhaltspunkte für die Art und den Umfang der Sorgfaltspflicht eines Maklers gegenüber dem Auftraggeber erschlossen und aus § 4 Abs 1 Z 13 ImmMV eine allgemeine Informationspflicht des Maklers abgeleitet. Nach dieser Bestimmung verhielten sich Immobilienmakler im Geschäftsverkehr mit ihren Auftraggebern standeswidrig und verletzten Sorgfaltspflichten, wenn sie „über das zu vermittelnde Rechtsgeschäft oder über Umstände, die für die Beurteilung des Rechtsgeschäftes wesentlich sind (zB die Beschaffenheit des Hauses oder der Wohnung, Immissionen von einem Nachbarn), unzutreffende oder unzureichende Mitteilungen machen“. Damit wurde die Informationspflicht des Maklers beschrieben, wie sie sich grundsätzlich aus dem Wesen des Maklervertrags ergibt (6 Ob 227/99x mwN). Bereits zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Maklergesetzes wurde daher judiziert, dass

es zu den

Pflichten eines Immobilienmaklers gehört, dass er sich ‑ insbesondere bei Vorliegen objektiver Anhaltspunkte ‑ Klarheit über die tatsächlichen Verhältnisse im Vermittlungsobjekt verschafft (1 Ob 193/97g = RIS‑Justiz RS0109138 = ecolex 1998, 467; vgl auch 6 Ob 570/95; siehe auch Jabornegg, Handelsvertreterrecht und Maklerrecht, 93).

2. Die Beklagte betont zwar zu Recht, dass nicht festgestellt worden sei, sie hätte dem Kläger eine Fehlinformation erteilt. Eine solche haben ihr die Vorinstanzen auch nicht angelastet, sondern ihre Haftung damit begründet, dass sie den Kläger auf bestehende Unklarheiten im Zusammenhang mit den behördlichen Bewilligungen nicht hingewiesen hat. Deren Beurteilung, dass für sie objektive Anhaltspunkte gegeben waren, die eine Abklärung erfordert hätten, ob für das Objekt überhaupt eine Bau- und Benützungsbewilligung vorlag, tritt die Beklagte in ihrem Rechtsmittel zu Recht nicht entgegen. Solche Anhaltspunkte bestanden für sie bereits Monate, bevor der Kläger ihr sein erstes Kaufanbot für das Objekt übermittelte. Obwohl sie den Kläger über die unklare Lage hinsichtlich der behördlichen Bewilligungen nicht in Kenntnis setzte, meint sie, nicht zur Haftung herangezogen werden zu können, weil sie dem Kaufabschluss selbst nicht mehr beigezogen war.

3. Inhalt des Maklervertrags ist ‑ und zwar auch vor dem Inkrafttreten des Maklergesetzes 1996 ‑ die Vermittlung, also das Zusammenführen der potentiellen Vertragspartner. Dazu gehören alle Aktivitäten, die geeignet sind, Vertragsinteressenten zu finden und deren Abschlusswillen zu fördern (Jabornegg aaO, 544; ähnlich 8 Ob 502/80 = RIS‑Justiz RS0062577). Auch für die Rechtslage vor dem Maklergesetz 1996 kann in diesem Zusammenhang nicht in Zweifel gezogen werden, dass die Informationspflicht des Maklers gerade den Zweck verfolgt, dem Geschäftsherrn (Auftraggeber des Maklers) über alle für die Willensbildung bei Erstellung des Kaufanbots entscheidenden Umstände in Kenntnis zu setzen (vgl 1 Ob 193/97g). Über die für die Beurteilung des Rechtsgeschäfts wesentlichen Umstände war daher entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch nach der hier anzuwendenden Rechtslage vor Abgabe des Angebots durch den Geschäftsherrn aufzuklären.

4.1 Die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass Unklarheiten über das Bestehen einer Bau‑ bzw Benützungsbewilligung zu jenen Umständen zählen, die für den Abschluss eines Immobiliengeschäfts wesentlich sind. Dass sie den Kläger ungeachtet objektiver Anhaltspunkte darüber nicht bereits vor dessen Anbotlegung aufklärte, begründet daher einen Verstoß gegen die Informationspflichten aus dem Maklervertrag. Ein Mitwirken des Maklers am eigentlichen Abschluss des Vertrags ist zur Einhaltung der Pflichten aus dem Maklervertrag hingegen nicht erforderlich (vgl Fromherz, Kommentar zum MaklerG § 1 Rz 13). Ohne gesonderte Abrede ‑ für die hier keine Anhaltspunkte bestehen ‑ bestand auch keine Verpflichtung des Klägers, die Beklagte dem endgültigen Vertragsabschluss und der Unterfertigung der Vertragsurkunde beizuziehen. Dass die Beklagte subjektiv der Auffassung gewesen sein mag, der Kaufabschluss werde nicht zustande kommen, ist damit für die hier zu beurteilende Frage ihrer Haftung dem Grunde nach ebenso wenig relevant, wie die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage. Bereits die fehlende Relevanz für die Entscheidung schließt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus (vgl RIS‑Justiz RS0088931 [T4, T8]). Auf den von der Beklagten erstmals im Revisionsverfahren erhobenen Mitverschuldenseinwand, weil er sie von der weiteren Tätigkeit ausgeschlossen habe, ist als unzulässige Neuerung nicht näher einzugehen.

4.2 Mit ihrem Hinweis auf eine mögliche Aufklärungspflichtverletzung durch den vom Kläger beauftragten Vertragsverfasser führt die Beklagte lediglich eine weitere mögliche Ursache an, die den vom Kläger aus der unterlassenen Information über das Fehlen der behördlichen Bewilligungen abgeleiteten Schaden ebenfalls verhindern hätten können. Ihre Haftung dem Kläger gegenüber bliebe aber selbst bei Zutreffen dieser Behauptungen unberührt, weil in einem solchen Fall alle Schädiger solidarisch haften, sofern allen ein schuldhaftes oder sonst einen Haftungsgrund bildendes Verhalten anzulasten ist (vgl 1 Ob 105/13t; RIS‑Justiz RS0022712; RS0026600). Da die Beklagte daher insgesamt keine Rechtsfragen von der Erheblichkeit des § 502 Abs 1 ZPO anspricht, ist ihr Rechtsmittel zurückzuweisen (vgl RIS‑Justiz RS0042392).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO.

Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, weswegen ihm die darauf entfallenden Kosten zu ersetzen sind.

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