OGH 1Ob193/97g

OGH1Ob193/97g15.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Thomas K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hartmut Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Dr.Peter S*****, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 169.200,-- bzw S 68.445,90 sA, infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19.Februar 1997, GZ 17 R 287/96t-29, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 19.Juli 1996, GZ 1 Cg 248/94b-23, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende und widerbeklagte Partei (im folgenden kurz klagende Partei) begehrte die Verurteilung des Beklagten (und Widerklägers, in der Folge kurz Beklagter) zur Zahlung von 169.200 S samt 10 % Zinsen seit 1.6.1994 und brachte vor, der Eigentümer einer Liegenschaft habe sie am 23.3.1994 mit der Vermittlung deren Verkaufs beauftragt. Am 9.4.1994 habe der Beklagte nach eingehender Besichtigung des Verkaufsobjekts das verbindliche Anbot gestellt, die Liegenschaft entweder um 4,7 Mio S unter Übernahme der bestehenden Bestandverhältnisse oder um den Kaufpreis von 5,5 Mio S zu erwerben, wenn die Liegenschaft bestandfrei übergeben werde. Er habe es dem Verkäufer überlassen, eine der beiden Varianten auszuwählen. Der Verkäufer habe von diesem Wahlrecht insoweit Gebrauch gemacht, als er das Anbot des Kaufs um 4,7 Mio S unter Übernahme der bestehenden Bestandverhältnisse akzeptiert habe. Mit Unterfertigung des Anbots habe sich der Beklagte verpflichtet, der klagenden Partei bei Annahme des Anbots eine Provision von 3 % des vereinbarten Kaufpreises (den Klagsbetrag) zu bezahlen.

Der Beklagte wendete ein, daß ihm das Wahlrecht eingeräumt sein sollte, zu welchen der oben genannten Bedingungen er die Liegenschaft erwerben möchte. Zwischen ihm und dem Liegenschaftseigentümer sei ein Konsens nicht zustandegekommen. Entgegen der Ankündigung der klagenden Partei hätten sich im Verkaufsobjekt mehr als zwei vermietete Kleinwohnungen befunden. Über den Bauzustand des Hauses und die Möglichkeit dessen Abbruchs zur Errichtung eines neuen Gebäudes sei der Beklagte von der klagenden Partei arglistig in Irrtum geführt worden. Der Beklagte habe kein verbindliches Offert abgegeben. Die klagende Partei habe ihren Provisionsanspruch auch dadurch verwirkt, daß sie ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sei.

Darauf erwiderte die klagende Partei, sie habe auf die Vermietung zweier Wohnungen ebenso hingewiesen wie darauf, daß es sich um ein überaus renovierungsbedürftiges „Abbruchhaus“ handle. Damit sei klargestellt gewesen, daß einerseits mit einem hohen Reparaturaufwand gerechnet werden müsse und andererseits ein Abbruch des Gebäudes nur nach Auflösung der Mietverhältnisse in Betracht käme. Im Kaufanbot sei eindeutig dem Verkäufer das Wahlrecht zwischen den beiden Verkaufsvarianten eingeräumt worden. Die klagende Partei habe dem Beklagten alle ihr zur Verfügung gestandenen Informationen wahrheitsgemäß weitergegeben. Von einer „Täuschung oder gar arglistigen Irreführung“ könne nicht die Rede sein.

Der Beklagte machte in seiner Widerklage, mit der er die Zahlung von S 68.445,90 sA begehrte, geltend, er habe sich rechtsfreundlicher Hilfe bedienen müssen, weil ihm die klagende Partei ein Kaufobjekt angeboten habe, das die zugesagten Eigenschaften der Bestandfreiheit bzw der Möglichkeit, es bestandfrei zu machen, nicht aufgewiesen habe.

Die klagende Partei hielt dem entgegen, daß der Beklagte keiner rechtsfreundlichen Hilfe bedurft hätte, weil die Sach- und Rechtslage völlig klar gewesen sei. Der Beklagte wolle sich nur der von ihm eingegangenen Verpflichtung zur Provisionszahlung entziehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und wies das Widerklagebegehren ab.

Es stellte fest, der Beklagte habe am 9.4.1994 gemeinsam mit dem Geschäftsführer der klagenden Partei und einer deren Mitarbeiterinnen die in einem Zeitungsinserat zum Kauf angebotene Liegenschaft besichtigt. Eine Mieterin habe sie und noch andere Personen durch das Haus geführt. Mit dieser Mieterin sei auch über eine Ausmietung gesprochen worden, doch habe sie daran kein großes Interesse gezeigt. Im Haus hätten damals außer dieser Mieterin noch eine Frau mit zwei Kindern und der Vater dieser Frau - letzterer in einem Kellerabteil, das zur Wohnung seiner Tochter gehört habe, für das er aber einen gesonderten Hauptmietvertrag mit einem früheren Hauseigentümer geschlossen habe - gewohnt. Der Umstand, daß ein dritter Mietvertrag - über das Kellerabteil - vorgelegen sei, sei den Parteien erst im Laufe dieses Verfahrens bekannt geworden. Noch vor Beendigung des Rechtsstreits sei dieser dritte Mieter aus dem Kellerabteil ausgezogen. Der Beklagte habe den Geschäftsführer der klagenden Partei gefragt, was die Ausmietung der zwei damals bekannten Hauptmieter kosten werde, was von diesem mit etwa S 800.000 beziffert worden sei. Der Beklagte habe gemeint, man könne diesen für die Ausmietung erforderlichen Betrag vom geforderten Kaufpreis (5,5 Mio S) abziehen. Schließlich habe der Beklagte auch noch angeboten, 5,5 Mio S für die Liegenschaft zu zahlen, falls der Verkäufer die Ausmietung vornehme. In diesem Sinn sei das bindende Anbot erstellt worden. Der Eigentümer der Liegenschaft habe das Anbot des Beklagten in der Variante angenommen, daß ein Kaufpreis von 4,7 Mio S zu bezahlen sei und der Beklagte die bestehenden Bestandverhältnisse übernehme. Hievon sei der Beklagte am 13.4.1994 verständigt worden. Über Ersuchen des Beklagten seien dessen Rechtsvertreter zur Errichtung des Kaufvertrags die erforderlichen Unterlagen übermittelt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Vertrag sei mit der Annahme des Anbots des Beklagten durch den Liegenschaftsverkäufer rechtswirksam zustandegekommen. Die klagende Partei habe alle ihr zur Verfügung stehenden Informationen an den Beklagten weitergegeben, sodaß eine „Täuschung oder arglistige Irreführung“ des Beklagten nicht vorliege. Der Beklagte habe vom Bestehen der Mietverhältnisse ebenso gewußt wie vom Bauzustand. Er habe den (verbücherungsfähigen) Abschluß des Kaufvertrags ohne wichtigen Grund abgelehnt. Entsprechend dem Vertragsinhalt habe er daher die Provision bzw den Verdienstentgang zu bezahlen. Die ihm aufgelaufenen Kosten eines Rechtsbeistands müsse er selbst tragen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache und sprach aus, daß die ordentliche Revision unzulässig sei. Es führte aus, wohl müßte die Beschaffenheit eines von einem Makler vermittelten Objekts richtig beschrieben werden, doch sei der klagenden Partei keine relevante Fehlbeschreibung anzulasten. Der Umstand, daß im Haus drei statt zwei Mieter gewohnt hätten, sei deshalb ohne Bedeutung, weil er erst im Zuge des Rechtsstreits bekannt geworden sei und weil der dritte Mieter noch vor Schluß der Verhandlung das Mietobjekt verlassen habe. Auf die Willensbildung (offensichtlich des Beklagten als Käufer) habe die Tatsache des Vorhandenseins eines dritten Mieters somit keinen Einfluß gehabt. Dem Kaufanbot sei eindeutig zu entnehmen, daß der Liegenschaftskäufer (der Beklagte) das Anbot erstellt habe. Danach sei dem Verkäufer der Liegenschaft das Wahlrecht (zwischen höherem Kaufpreis und Übernahme der Ausmietung oder geringerem Kaufpreis unter Übernahme der bestehenden Bestandrechte) zugestanden. Durch die Annahme des Anbots sei der Kaufvertrag rechtswirksam zustandegekommen. Daß der Verkäufer der Liegenschaft später auf der Erfüllung des Kaufvertrags nicht bestanden habe, sei bedeutungslos. Der Beklagte sei daher zur Entrichtung der vereinbarten Vermittlungsprovision verpflichtet.

Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Evident ist, daß das Verkaufsobjekt in Ansehung der daran bestehenden Hauptmietrechte unrichtig beschrieben wurde. Festgestellt wurde, daß das dritte Hauptmietverhältnis den Parteien erst im Zuge dieses Rechtsstreits bekannt wurde. Gemäß § 2 HVG und § 1009 ABGB (§ 2 ImmMV) - das Maklergesetz, BGBl 1996/262, ist auf den vorliegenden Sachverhalt noch nicht anzuwenden - hat der Vermittler die Interessen des Auftraggebers mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (Treuepflicht) wahrzunehmen. Zu den Pflichten eines Immobilienmaklers gehört es auch, daß er sich - insbesondere bei Vorliegen objektiven Anhaltspunkten - Klarheit über die tatsächlichen Mietverhältnisse im Vermittlungsobjekt verschafft (vgl dazu ImmZ 1995, 351). Ob der klagenden Partei eine Verletzung dieser Treuepflicht anzulasten ist, läßt sich aufgrund des festgestellten Sachverhalts noch nicht verläßlich beurteilen. Mag auch dem Verkäufer der Liegenschaft das dritte Hauptmietverhältnis nicht bekannt gewesen sein (siehe Beilage A), weshalb er der klagenden Partei hievon keine Mitteilung machen konnte, so ergaben sich doch aus dem Umstand, daß der Vater einer Mieterin ein - wenn auch nur 25 m2 großes - Kellerabteil bewohnte, Anhaltspunkte dafür, daß ein solches bestehen könnte; dem Geschäftsführer der klagenden Partei war der Umstand, daß ein Mann gesondert in Kellerräumlichkeiten wohnte aufgrund der Besichtigung des Hauses bekannt.

Entgegen der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz ist es keineswegs allein streitentscheidend, daß das dritte Mietverhältnis den Streitteilen erst später (im Verlauf des Rechtsstreits) bekannt wurde bzw daß dieser in der Zwischenzeit bereits ausgezogen ist, für den Streitausgang ist es vor allem erheblich, ob die klagende Partei durch zweckentsprechende Nachforschungen, die sich bei der Besichtigung des Verkaufsobjekts geradezu aufdrängten, vom Bestehen eines weiteren Mietverhältnisses hätte Kenntnis erlangen können: Das Erstgericht wird daher nach Ergänzung des Verfahrens Feststellungen darüber zu treffen haben, ob und inwieweit die klagende Partei zielführende Nachforschungen (vor allem durch Befragung der Mieter, insbesondere des dritten Hauptmieters) anstellte, weil sich erst danach beurteilen lassen wird, ob der klagenden Partei die tatsächlich erfolgte Fehlbeschreibung des Kaufobjekts in Ansehung der vorhandenen Mietrechte anzulasten ist.

Es kann aber auch noch nicht gesagt werden, daß das Wissen um den dritten Hauptmieter keinen Einfluß auf die Willensbildung des Beklagten bei der Erstellung des Kaufanbots gehabt hätte. Gerade der Umstand, daß für die Ausmietung der zwei bekannten Mieter ein Abzug von S 800.000 vom Kaufpreis veranschlagt wurde, läßt darauf schließen, daß, wäre auch das dritte Hauptmietverhältnis bekannt gewesen, ein weiterer Abzug - in welcher Höhe auch immer - vorgenommen worden wäre. In jedem Fall scheinen sich die Parteien zum Zeitpunkt der Anbotserstellung in einem beachtlichen, nach den §§ 871 f ABGB zu beurteilenden Kalkulationsirrtum (vgl hiezu 3 Ob 2043/96d) befunden zu haben.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht nach Erörterung mit den Parteien (§ 182 ZPO) geeignete Feststellungen zu treffen haben, die die Frage, ob der Irrtum von der klagenden Partei insofern veranlaßt wurde, als sie es unterlassen hat, zweckentsprechende Nachforschungen über das Bestehen eines weiteren Mietverhältnisses anzustellen, sodaß sie deshalb außerstande war, den Beklagten darüber aufzuklären, verläßlich klären lassen. Erst danach wird zu prüfen sein, ob der Beklagte den bereits geschlossenen Kaufvertrag wegen dieses Irrtums erfolgreich anfechten (§ 871 ABGB) oder ob er dessen Anpassung an die wahren Verhältnisse (§ 872 ABGB) mit Erfolg begehren könnte; zu klären werden auch die näheren Umstände dafür sein, weshalb der dritte Mieter in der Folge - also erst nach Vertragsabschluß - auszog, weil auch das für die Willensbildung beim Beklagten hätte bedeutsam sein können.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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