OGH 1Ob24/19i

OGH1Ob24/19i3.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* D*, vertreten durch Mag. Lukas Leszkovics, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. W* H* und 2. M* H*, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer und Mag. Stefan Lichtenegger, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, wegen Beseitigung (in eventu Unterlassung), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten (als Berufungsgericht) vom 28. November 2018, GZ 21 R 210/18t‑33, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Neulengbach vom 16. August 2018, GZ 2 C 257/18s‑22, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124842

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Das Erstgericht gab dem primär gestellten Entfernungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil speziell aus zwei näher genannten höchstgerichtlichen Entscheidungen im Wege der Rechtsentwicklung ein weitergehender nachbarrechtlicher Beseitigungsanspruch gegen den gefährlichen Zustand eines Baumbestands – ohne Überhang – abgeleitet werden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Der Rekurs gegen einen Beschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist zurückzuweisen, wenn die Rechtsmittelwerberin – wie hier – nur Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RIS‑Justiz RS0048272 [T11]). Die Zurückweisung des Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO; RIS‑Justiz RS0043691):

1. Die Klägerin leitet ihren primär gestellten Beseitigungsanspruch aus einer Vereinbarung mit den Beklagten und subsidiär aus dem Nachbarrecht ab. Zur von ihr aufgestellten Behauptung einer ausdrücklichen, mehrfachen Zusage der Beklagten, die Fällung der vom Eschentriebsterben befallenen (fünf) Eschen vorzunehmen, fehlen Feststellungen. Die Begründung der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils durch das Berufungsgericht, es bedürfe zu dieser Anspruchsgrundlage einer Erörterung mit den Parteien, entsprechender Verfahrensergänzung und der Verbreiterung der Tatsachengrundlage, wird von ihr nicht bekämpft.

2. § 364 Abs 2 ABGB dient als Sonderform des negatorischen Eigentumsschutzes bei Immissionen nur der Störungsabwehr und gewährt einen Anspruch auf Unterlassung und nach ständiger Rechtsprechung sowie herrschender Lehre auf Beseitigung der Immission (4 Ob 43/11v = RdU 2012/20, 39 [zustimmend B. Lang] = bbl 2012/68, 99 [Egglmeier‑Schmolke] = immolex 2012/41, 120 [zustimmend E. Schön]; 9 Ob 7/18x = immolex 2019/20, 65 [A. Klein]; Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364 ABGB Rz 64 ff).

Das Berufungsgericht erachtete einen nachbarrechtlichen Beseitigungsanspruch der Klägerin gegen den gefährlichen Zustand eines Baumbestands auf der Nachbarliegenschaft der Beklagten zwar für grundsätzlich denkbar, hielt jedoch das primär gestellte, allein auf Entfernung der Eschen gerichtete Begehren für zu weitgehend, sodass dieses im Nachbarrecht keine Deckung finde. Die Interessen der Klägerin könnten offenbar auch durch gelindere Maßnahmen – wie durch Abstützen oder Sichern der Eschen entsprechend ihrem Sicherungsbegehren – (und nicht bloß durch eine „Totalentfernung“) gewahrt werden.

Die Klägerin geht selbst von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Reichweite eines Beseitigungsanspruchs aus und erstattet dazu (unzulässig) neues Vorbringen. Ebenso wie im Revisionsverfahren ein neues Klagebegehren nicht erhoben werden kann (3 Ob 617/85 = RIS‑Justiz RS0039377 [T13]), gilt das auch für das Rekursverfahren (§ 504 Abs 2 ZPO), sodass die von der Klägerin erstmals erhobenen zwei weiteren Eventualbegehren, mit denen sie ihr Beseitigungsbegehren modifizieren will, unbeachtlich sind. Sie bestreitet nicht, dass entsprechende Sicherungsmaßnahmen wie das Abstützen oder Sichern mit Seilen oder Gurten geeignet sind, zu verhindern, dass die fünf vom Eschentriebsterben befallenen Bäume oder Teile davon auf ihr Grundstück fallen. Selbst wenn die Klägerin berechtigt ein Begehren stellen könnte, wonach der gefährliche Zustand des Baumbestands auf der Liegenschaft der Beklagten zu beseitigen wäre (vgl dazu 4 Ob 43/11v), besteht kein Anspruch gerade auf Entfernung der Eschen auf dem Nachbargrundstück. Wenn sie meint, ihrem Hauptbegehren hätte mit der Einschränkung stattgegeben werden müssen, dass die Beklagten als Minus gegenüber der Entfernung „zur Absicherung durch Abstützen, Sichern mit Seilen oder Gurten oder Entfernen schuldig“ zu erkennen gewesen wären, ist ihr entgegenzuhalten, dass damit gegen § 405 ZPO verstoßen würde. Nach dieser Bestimmung ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Ob ein solches Aliud vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen dem gestellten Begehren und dem Urteilsspruch unter Berücksichtigung der rechtserzeugenden Tatsachen (Fucik in Fasching/Konecny 3 III/2 § 405 ZPO Rz 22; RIS‑Justiz RS0041023). Ein Aliud liegt vor, wenn die zugesprochene Rechtsfolge eine andere ist als die begehrte, wobei die zur Begründung der Rechtsfolge vorgetragenen und die zur Entscheidung herangezogenen Tatsachen miteinander zu vergleichen sind (RIS‑Justiz RS0041027). Eine Klagestattgebung in der Form einer Absicherung wäre aber kein Minus, sondern ein Aliud gegenüber dem allein auf die Entfernung (im Übrigen gar nicht näher konkretisierter Bäume) gerichteten Hauptbegehren.

3. Auf das hilfsweise gestellte Unterlassungsbegehren ist derzeit nicht einzugehen, weil im Hinblick auf die behauptete Zusage der Beklagten, die Eschen zu fällen, noch nicht feststeht, dass dem Hauptbegehren keine Berechtigung zukommt.

4. Der Rekurs ist daher zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40 und 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS‑Justiz RS0123222). Die Beklagten haben auf die fehlende Zulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen, sodass ihnen mangels zweckentsprechender Rechtsverteidigung kein Kostenersatz zusteht (RIS‑Justiz RS0035962 [T20, T29]; RS0035979 [T15]).

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