OGH 1Ob2410/96k

OGH1Ob2410/96k28.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Anna-Lisa W*****, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch deren Mutter Mag.Marianne W*****, diese vertreten durch Dr.Manfred C. Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichts vom 8.Oktober 1996, GZ 43 R 824/96-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Donaustadt vom 25.Juli 1996, GZ 19 P 2606/95-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird in ihrem Punkt 1., jene des Erstgerichts dagegen zur Gänze aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Vater ist Miteigentümer einer Liegenschaft in Wien-Mariahilf. Mit den Eigentumsanteilen ist untrennbar Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung verbunden. Über diesen Vermögensgegenstand schloß der Vater mit seiner durch deren Mutter vertretenen mj.Tochter einen schriftlichen Schenkungsvertrag; die wirkliche Übergabe des Schenkungsobjekts an die Geschenknehmerin erfolgte bereits vor Vertragsunterfertigung. Die Eltern der Geschenknehmerin sind nach dem Akteninhalt Ehegatten und leben mit ihrer mj.Tochter im gemeinsamen Haushalt. Aufgrund der getroffenen Vereinbarungen leistet der Vater für die geldlasten- und bestandfreie Übergabe des Schenkungsobjekts an die Geschenknehmerin Gewähr. Diese räumt ihrem Vater ein lebenslanges Belastungs- und Veräußerungsverbot ein, das jedoch „mit dem 22.8.2015 ........ terminiert ist“. Sämtliche Kosten, Gebühren, Steuern und Abgaben „aus der Errichtung und Durchführung“ des Schenkungsvertrags sind vom Geschenkgeber allein zu tragen. Die Eigentumswohnung soll der Vermietung dienen und deren Ertrag der Minderjährigen zufließen. Das Schenkungsobjekt soll frei von „hypothekarischen Belastungen“ und „ausbezahlt“ sein. Soweit Mietzinseinkünfte für die Deckung der „Betriebskosten“ nicht ausreichen sollten, hat diese der Geschenkgeber zu tragen und die Geschenknehmerin soweit schad- und klaglos zu halten.

Die Minderjährige beantragte die Genehmigung dieses Schenkungsvertrags durch das Pflegschaftsgericht.

Das Erstgericht wies den Antrag ab und erwog in rechtlicher Hinsicht, daß das Kindeswohl durch eine Schenkung nur dann gefördert werde, wenn der Wert des Schenkungsobjekts dessen Lasten eindeutig übersteige. Die Schenkung einer Eigentumswohnung führe jedoch beim Geschenknehmer nicht nur zu einem Vermögenszuwachs, sondern auch zu finanziellen Verpflichtungen. Solche ergäben sich aus der Haftung „für die Bezahlung der mit dem Liegenschaftsanteil und dem Wohnungseigentum verbundenen Belastungen“ und auch aus „allfälligen Instandsetzungsarbeiten bezüglich der gesamten Wohnhausanlage“. Die Geschenknehmerin sei durch das vereinbarte Belastungs- und Veräußerungsverbot in der freien Verfügung über die Eigentumswohnung „voraussichtlich bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs“ beschränkt. Die vom Geschenkgeber übernommene Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung beziehe sich nur auf Betriebskosten, soweit solche aus dem Ertrag einer Vermietung nicht gedeckt werden könnten. Aufgrund widersprüchlicher Vertragsklauseln sei überdies unklar, ob die Eigentumswohnung bestandfrei sei und wie weit der Geschenkgeber für deren Bestandfreiheit Gewähr leiste. Es lasse sich daher derzeit nicht beurteilen, ob der Wert des Schenkungsobjekts die damit verbundenen Lasten eindeutig übersteige.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung in Punkt 1. des angefochtenen Beschlusses. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000,- - S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, daß die Mutter ihre mj.Tochter beim Abschluß des zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung vorgelegten Schenkungsvertrags nicht habe vertreten können. Es liege nämlich ein Kollisionsfall vor, weil die „eigenen Unterhaltsverpflichtungen“ der Mutter durch den Vertragsabschluß „betroffen sein“ könnten und die Mutter außerdem „in unterschiedlichen Familienpositionen zu den Vertragsteilen“ stehe. Das Kind bedürfe daher zum Vertragsabschluß eines rechtskundigen Kollisionskurators. Nur ein solcher könne die „rechtlichen, wirtschaftlichen und steuerlichen Auswirkungen des konkreten Vertrags ............. in zweckmäßiger Weise beurteilen“. Der vorgelegte Vertrag sei nach seinem derzeitigen Inhalt nicht genehmigungsfähig, weil eine auf das vereinbarte Belastungs- und Veräußerungsverbot bezogene Klausel unverständlich sei; diese laute, das Verbot diene dazu, „weiteren Entscheidungen vorzubeugen“.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a ZPO an den Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht gebunden. Das Rechtsmittel des mj.Kindes ist, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergeben wird, aus Gründen der Wahrung der Rechtssicherheit im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zulässig und im Rahmen des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Im Verfahren außer Streitsachen gelten nicht nur die Nichtigkeitsgründe des § 477 ZPO (SZ 68/146 = ÖA 1996, 94; 1 Ob 1542/93; SZ 49/156; SZ 44/180 ua), sondern es sind auch die Bestimmungen der §§ 6 und 7 ZPO sinngemäß anzuwenden (1 Ob 1542/93; SZ 55/24; SZ 49/156). Träfe daher die Ansicht des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen eines Kollisionsfalls zu, hätte ein Versuch zur Sanierung des Vertretungsmangels veranlaßt werden müssen; erst nach dessen Scheitern wäre die Nichtigkeit des vom Mangel betroffenen Verfahrens auszusprechen und der Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zurückzuweisen.Im übrigen hätte die mj.Geschenknehmerin, bejahte man einen Kollisionsfall, bereits bei Abschluß des Schenkungsvertrags durch einen Kollisionskurator vertreten werden müssen, weil sonst - mangels einer für die Minderjährige wirksamen Willenserklärung - gar kein Rechtsgeschäft vorläge, das einer meritorischen Entscheidung in einem pflegschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahren als Grundlage hätte dienen können.

Der Begriff „in Geschäften“ in § 271 ABGB ist weit auszulegen. Voraussetzung für die Bestellung eines Kollisionskurators ist allerdings immer ein Widerstreit der Interessen des Vertretenen mit jenen seines gesetzlichen Vertreters (SZ 68/146 = ÖA 1996, 94; 1 Ob 1542/93; RZ 1993/51; SZ 53/136). Ein solcher ist etwa dann anzunehmen, wenn eine Nahebeziehung des gesetzlichen Vertreters zu einer am Geschäft beteiligten Person dessen Unbefangenheit zweifelhaft erscheinen läßt (1 Ob 542/93; RZ 1993/51; SZ 53/136). Eine derartige Nahebeziehung allein begründet also noch keinen Kollisionsfall, wenn sich etwa aus der Natur und dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Bedenken gegen die Unbefangenheit des gesetzlichen Vertreters ergeben. Maßgeblich für das Erfordernis der Bestellung eines Kollisionskurators ist daher auch immer, daß aufgrund des objektiven Sachverhalts eines gesetzmäßige Vertretung des Minderjährigen wegen eines zu befürchtenden Widerstreits an Interessen nicht zu erwarten ist (SZ 53/136; RZ 1991/64; EvBl 1966/152). Allein eine Kollision im formellen Sinn genügt somit für eine Bestellung eines Kollisionskurators nicht, sondern es muß auch noch eine solche im materiellen Sinn hinzutreten (Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 1 und 2 zu §§ 271, 272; idS auch Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 34 ff je mwN).

Nach Ansicht des Rekursgerichts soll die Mutter ihre mj.Tochter bei Annahme der hier vorliegenden Schenkung ihres Vaters deshalb nicht vertreten können, weil sie „in unterschiedlichen Familienpositionen zu den Vertragsteilen“ stehe und durch die Schenkung „ihre eigene Unterhaltsverpflichtung betroffen sein“ könnte.

Der aktenkundige objektive Tatbestand legt jedoch keinen Widerstreit an Interessen nahe, der die Besorgnis rechtfertigen könnte, die Mutter der mj.Geschenknehmerin werde in ihrer Fähigkeit zur unbefangenen Beurteilung des Rechtsgeschäfts als gesetzliche Vertreterin deshalb beeinträchtigt sein, weil sie die Ehegattin des Geschenkgebers und Vaters der Beschenkten ist. Es ist nämlich keine Konkurrenz zwischen allfälligen eigenen Erwartungen oder gar Ansprüchen und dem Schenkungsinteresse im Verhältnis zwischen Vater und Kind erkennbar. Ein Kollisionsfall liegt aber auch nicht deshalb vor, weil die Mutter als Konsequenz einer Schenkung von ihrer Unterhaltspflicht gegenüber der Vertretenen (ganz oder teilweise) entlastet werden könnte, wenn, solange und soweit ihre mj.Tochter durch die Vermietung des Schenkungsobjekts einen Reinertrag erzielen sollte. Dabei handelt es sich bloß um eine mögliche mittelbare Folge einer Vermögensvermehrung der Minderjährigen, die in § 140 Abs 3 ABGB eine gesetzliche Grundlage hat. Dem Gesetz ist auch kein Grundsatz zu entnehmen, daß der unverminderten Unterhaltspflicht eines Elternteils jedenfalls der Vorzug gegenüber einer Vermögensvermehrung des mj.Kindes, die außerdem die Erzielung eines laufenden Reinertrags ermöglicht, zu geben ist. Durch das Bestreben, das Vermögen ihres mj.Kindes zu vermehren, entsprechen Eltern vielmehr einer in § 149 Abs 1 ABGB geregelten Rechtspflicht. Die in der erörterten Fallgestaltung als mittelbare Folge des Vertretungsakts mögliche Entlastung des gesetzlichen Vertreters von einer bestehenden Unterhaltspflicht ist somit nicht als objektiver Tatbestand eines Interessensgegensatzes zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen anzusehen, der einer Vermögensvermehrung des letzteren durch die Schenkung einer „ausbezahlten“ vermietbaren Eigentumswohnung entgegenstehen könnte. Der erkennende Senat vermag daher die Ansicht des Rekursgerichts, es liege hier jedenfalls eine Kollision der Interessen der Mutter mit jenen ihres mj.Kindes vor, nicht zu teilen.

Ist aber der Vertretungsakt der Mutter durch Annahme des Schenkungsanbots des Vaters an deren mj.Tochter verbunden mit der tatsächlichen Übernahme des Schenkungsgegenstands wirksam, ist inhaltlich zu prüfen, ob die hier zu beurteilende Schenkung als Voraussetzung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung dem Kindeswohl entspricht. Dabei dient die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung, wie das Erstgericht zutreffend erkannte, nur dann dem Kindeswohl, wenn der Wert des Schenkungsobjekts die Belastungen eindeutig übersteigt, also das Vermögen des Minderjährigen im Sinne des § 149 Abs 1 ABGB jedenfalls vermehrt wird (9 Ob 2039/96; JBl 1993, 106 = RZ 1994/3 = EFSlg 68.731).

Das vereinbarte Belastungs- und Veräußerungsverbot bewirkt hier, daß das Schenkungsobjekt der jetzt noch mj.Geschenknehmerin als unbelastetes Vermögen erhalten und diese überdies noch für eine gewisse Zeit nach Erreichung der Volljährigkeit vor allenfalls unbedachten Verfügungen über ihr Wohnungseigentum bewahrt wird. Darin ist keine Belastung zu erblicken, die im Interesse des Kindeswohls eine Ablehnung der durch die Schenkung eintretenden Vermögensvermehrung der Minderjährigen erlaubte. Dagegen führt das Rekursgericht nur ins Treffen, es sei eine Klausel der auf das Veräußerungs- und Belastungsverbot bezogenen Vereinbarung unverständlich. Das ist für die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des vorgelegten Schenkungsvertrags deshalb unbeachtlich, weil sich der erwähnte Passus nicht auf das Veräußerungs- und Belastungsverbot selbst, sondern nur auf dessen Motiv bezieht. Dieses Motiv kann aber, wie immer es beschaffen sein mag, die bereits erwähnten vorteilhaften Wirkungen für die Erhaltung des Vermögens der Geschenknehmerin nicht beeinträchtigen.

Soweit das Erstgericht finanzielle Verpflichtungen der Minderjährigen für „allfällige Instandsetzungsarbeiten“ befürchtet, werden im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber zu treffen sein, ob die Wohnungseigentümer eine angemessene Rücklage zur Vorsorge für Aufwendungen im Sinne des § 16 WEG 1975 bildeten. Wäre eine solche Rücklage vorhanden, entfiele die Befürchtung, die mj.Geschenknehmerin könnte künftig mit Aufwendungen belastet werden, die nicht eindeutig hinter dem Wert des Schenkungsgegenstands zurückbleiben. Gerade über diese Einzelheiten fehlen jedoch Feststellungen. Im fortgesetzten Verfahren wird aber auch zu klären sein, ob der Schenkungsgegenstand - entsprechend den Darlegungen in dem zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung vorgelegten Vertrag - frei von pfandrechtlichen und sonstigen Belastungen ist. Überdies sind Feststellungen dazu erforderlich, was die Vertragspartner unter dem nach der vorgelegten Vereinbarung bedeutsamen Begriff „Betriebskosten“ verstehen. Dabei ist abzuklären, ob damit alle mit dem Wohnungseigentum verbundenen laufenden Zahlungen, also auch etwa die Leistungen für die Rücklage im Sinne des § 16 WEG 1975, gemeint sind. Die vom Geschenkgeber übernommene Verpflichtung, die „Betriebskosten“ selbst zu tragen und die mj.Geschenknehmerin in dieser Hinsicht schad- und klaglos zu halten, soweit diese Zahlungen nicht „aus den Kosten (offenbar gemeint: Erträgen) der Vermietung abgedeckt werden können“, entbände die Minderjährige auch von allen Belastungen aus laufenden Zahlungen für das Schenkungsobjekt, wäre der Begriff „Betriebskosten“ im aufgezeigtem Sinn zu verstehen. Der Geschenkgeber wird für die von ihm übernommene Schad- und Klagloshaltung allerdings noch darzutun haben, daß ein solcher Anspruch gegebenenfalls auch erfolgreich durchgesetzt werden könnte (9 Ob 2039/96; JBl 1993, 106 = RZ 1994/3 = EFSlg 68.731). Im fortgesetzten Verfahren sind somit auch noch Feststellungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Geschenkgebers erforderlich.

Sollte sich aus dem noch zu klärenden Sachverhalt ergeben, daß der Schenkungsgegenstand nach den bisherigen Ausführungen unbelastet ist, der Geschenkgeber, soweit das Schenkungsobjekt keinen entsprechenden Ertrag abwirft, alle laufenden Zahlungen für die Eigentumswohnung übernimmt und sich außerdem aufgrund objektiver Beurteilungskriterien erwarten läßt, daß die vom Geschenkgeber übernommene Klag- und Schadloshaltung im Bedarfsfall auch durchsetzbar erscheint, steht einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des vorgelegten Schenkungsvertrags jedenfalls nichts im Wege. Es kann nämlich als gerichtsbekannte Tatsache vorausgesetzt werden, daß eine unbelastete und bestandfreie Wiener Eigentumswohnung einen erheblichen Vermögenswert darstellt. Würde allerdings die mj.Geschenknehmerin durch das Schenkungsobjekt in der einen oder anderen vorhersehbaren Weise jetzt oder künftig finanziell nicht unerheblich belastet, könnte nur eine Ermittlung des genauen Werts des Schenkungsobjekts eine abschließende rechtliche Beurteilung ermöglichen, ob dieser Vermögenswert die durch die Schenkung zu erwartenden Belastungen der Minderjährigen eindeutig übersteigt.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

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