OGH 6Ob520/82

OGH6Ob520/8224.2.1982

SZ 55/24

Normen

UVG §9 Abs2
UVG §22
UVG §9 Abs2
UVG §22

 

Spruch:

Weder die Mutter und Vormunderin, in deren Pflege und Erziehung sich ein uneheliches minderjähriges Kind befindet, noch die als besonderer Sachwalter gem. § 9 Abs. 2 UVG einschreitende Bezirksverwaltungsbehörde sind zur Vertretung des Kindes im Verfahren über die Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen befugt. Auch das minderjährige Kind kann seine Interessen nicht selbst vertreten, es bedarf vielmehr der Bestellung eines Kollisionskurators

OGH 24. Feber 1982, 6 Ob 520/82 (LGZ Wien 44 R 3355/81; BG Floridsdorf 3 P 326/80)

Text

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 4. 6. 1975 wurde das Bezirksjugendamt für den 1., 8. und 9. Bezirk als Amtsvormund des mj. Wolfgang M enthoben. Zum Vormund des Kindes wurde die uneheliche Mutter Rosalia S bestellt. Zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche wurde das Bezirksjugendamt für den 1., 8. und 9. Bezirk gemäß § 198 ABGB zum besonderen Sachwalter bestellt.

Mit Beschluß vom 2.5. 1980 wurden für die Zeit vom 1. 4. 1980 bis 31. 3. 1983 monatliche Unterhaltsvorschüsse von 1100 S gewährt. Dieser Beschluß wurde dem Bezirksjugendamt am 14. 5. 1980 zugestellt.

Mit Beschluß vom 24. 10. 1980 stellte das Erstgericht die Unterhaltsvorschüsse rückwirkend mit 31. 8. 1980 ein.

Am 29. 4. 1981 beantragte der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien, a) das Kind, b) den gesetzlichen Vertreter des Kindes, c) die Mutter des Kindes, in eventu d) den Unterhaltsschuldner, und zwar die zu b) und c) Genannten zur ungeteilten Hand, zur Rückzahlung der zu Unrecht gewährten Unterhaltsvorschüsse für die Zeit vom 1.9. 1980 bis zum 31. 12. 1980 im Gesamtbetrag von 4400 S zu verpflichten.

Das Erstgericht gab dem Antrag gegenüber dem mj. Wolfgang M Folge und verpflichtete diesen zur Rückzahlung des zu Unrecht bezogenen Unterhaltsvorschusses von 4400 S in monatlichen Raten zu je 200 S, beginnend ab 1. 9. 1981. Dieser Beschluß wurde ua. auch dem Bezirksjugendamt für den 1., 8. und 9. Bezirk am 14. 9. 1981 zugestellt.

Gegen diesen Beschluß erhob der mj. Wolfgang M, vertreten durch die Vormunderin Rosalia S, Rekurs mit dem Antrag, den Beschluß dahin abzuändern, daß der Ersatzantrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien abgewiesen werde.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Minderjährigen zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, weder der Mutter noch dem mj. Kind stehe ein Rekursrecht gegen den Beschluß, womit dem Minderjährigen eine Rückersatzpflicht auferlegt werde, zu. Der Minderjährige werde vielmehr auch in diesem Verfahren ausschließlich vom Bezirksjugendamt als besonderer Sachwalter vertreten. Da dem Bezirksjugendamt der Beschluß zugestellt worden sei und dieses kein Rechtsmittel erhoben habe, sei der Beschluß in Rechtskraft erwachsen.

Der Oberste Gerichtshof stellte aus Anlaß des vom Minderjährigen und seiner Mutter unterfertigten Rekurses den Akt dem Erstgericht mit dem Auftrag zurück, für den Minderjährigen einen Kollisionskurator zu bestellen und diesem unter Setzung einer entsprechenden Frist aufzutragen, innerhalb dieser Frist zu erklären, ob er das bisherige Verfahren über die Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses als Vertreter des Minderjährigen genehmigt.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs ist zulässig, weil die Beschränkung des Rechtsmittelzuges durch § 15 Abs. 3 UVG nicht für Beschlüsse über den Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse gilt, solche Beschlüsse vielmehr nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußStrG anfechtbar sind (JBl. 1980, 209; RZ 1979/60; 1 Ob 665, 682, 683/81).

Vor sachlicher Behandlung des Rechtsmittels war jedoch zu prüfen, ob der Minderjährige im bisherigen Verfahren überhaupt rechtswirksam vertreten war. Dies ist zu verneinen. Was zunächst die vom Rekursgericht angenommene Vertretung des Minderjährigen durch die Bezirksverwaltungsbehörde (Jugendamt) anlangt, kann dahingestellt bleiben, ob eine Vertretung im Verfahren über die Verpflichtung zur Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen überhaupt durch deren Stellung als besonderer Sachwalter (§ 22 JWG; § 198 Abs. 3 ABGB) gedeckt wäre, da es sich hiebei nicht um die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes handelt. Die Bezirksverwaltungsbehörde ist nämlich im vorliegenden Fall schon deshalb von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen, weil sie (bzw. das Bundesland Wien) gemäß § 22 Abs. 1 UVG unter Umständen für die zu Unrecht gewährten Unterhaltsvorschüsse haftet, soweit diese vom Kind nicht hereingebracht werden könnten und sie die Gewährung der Vorschüsse vorsätzlich oder grob fahrlässig durch Verletzung der Mitteilungspflicht veranlaßt hätte. Unter dem gesetzlichen Vertreter iS des § 22 Abs. 1 UVG ist auch die nur als besonderer Sachwalter gemäß § 9 Abs. 2 UVG einschreitende Bezirksverwaltungsbehörde zu verstehen. Dies ergibt sich schon daraus, daß auch diese, soweit sie im Verfahren wegen der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gesetzlicher Vertreter des Kindes ist (§ 9), die im § 21 UVG verankerte Mitteilungspflicht trifft (vgl. Bericht des JA 199 BlgNR,

XIV.

GP 7). Auch das Bundesministerium für Justiz vertrat in seiner Note vom 8. 2. 1977 an den Verein der Amtsvormunder Österreichs (Der Amtsvormund 1977, 8 insbesondere 10) die Auffassung, eine Haftung der Bezirksverwaltungsbehörde als Sachwalter des Kindes nach § 9 Abs. 2 UVG und für diese des betreffenden Landes sei iS des § 22 UVG möglich. Tatsächlich wurde bereits die Haftung des Bundeslandes Kärnten wegen Verletzung der Mitteilungspflicht in Anspruch genommen und vom OGH nur deshalb verneint, weil die primäre Zahlungsverpflichtung des Kindes noch nicht geklärt war und auf das Land als subsidiär Haftpflichtiger erst gegriffen werden könne, wenn feststehe, daß die zu Unrecht gewährten Vorschüsse vom Kind nicht hereingebracht werden können (SZ 52/69).

Damit besteht aber zwischen den Interessen der Bezirksverwaltungsbehörde und jenen des Kindes eine Kollision, welche eine Vertretung des Kindes durch erstere im Verfahren über die Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen ausschließt.

Gleiches gilt im vorliegenden Fall auch für die Mutter und Vormunderin des Kindes, da sich dieses in ihrer Pflege und Erziehung befindet, daher auch für sie eine Mitteilungspflicht nach § 21 UVG besteht und sie eine subsidiäre Haftung nach § 22 Abs. 1 UVG treffen kann.

Zu prüfen bleibt daher, ob sich der Minderjährige in diesem Verfahren selbst vertreten konnte. Auch dies ist zu verneinen. Gemäß den §§ 151 Abs. 1, 244 ABGB kann auch ein minderjähriges uneheliches Kind ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten. Gemäß § 151 Abs. 2 ABGB kann ein Kind nach erreichter Mundigkeit über Sachen, die ihm zur freien Verfügung überlassen worden sind und über sein Einkommen aus eigenem Erwerb so weit verfügen und sich verpflichten, als dadurch nicht die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gefährdet wird.

Da es sich bei der Regelung des § 151 Abs. 2 ABGB um Ausnahmen von der allgemein geltenden beschränkten Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen handelt, sind diese Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnisse im Interesse des Schutzes der Minderjährigen einschränkend auszulegen (EvBl. 1978/202 ua.). Eine selbständige Vertretung des Minderjährigen im Verfahren über die Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen kann nach Ansicht des OGH nicht aus § 151 Abs. 2 ABGB in Verbindung mit § 2 ZPO abgeleitet werden. Dies ergibt sich schon daraus, daß der Gesetzgeber für das gesamte Verfahren über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen die Vertretung der Minderjährigen angeordnet hat (§ 9 Abs. 1 UVG). Auch der Minderjährige konnte sich daher in diesem Verfahren nicht selbst wirksam vertreten, weshalb das Erstgericht für ihn einen Kollisionskurator gemäß § 271 ABGB zur Vertretung im Verfahren über die Rückzahlung der Unterhaltsvorschüsse hätte bestellen müssen. Da es dies nicht getan hat, leidet das bisherige Verfahren am Nichtigkeitsgrund des § 477 Z 5 ZPO.

So wie die Nichtigkeitsgrunde des § 477 ZPO (SZ 43/228; SZ 44/180; SZ 49/156 ua.) gelten auch die Bestimmungen der §§ 6 und 7 ZPO sinngemäß im Verfahren außer Streitsachen (SZ 49/156 ua.).

Aus Anlaß des vorliegenden Rekurses ist daher zunächst zu versuchen, durch Bestellung eines Kollisionskurators eine Sanierung des Mangels der gesetzlichen Vertretung zu erreichen. Dem Erstgericht war daher die Bestellung eines solchen Kurators aufzutragen, der seinerseits innerhalb einer ihm zu setzenden Frist eine Erklärung darüber abzugeben haben wird, ob er das bisherige Verfahren genehmigt. Erst nach Vorliegen dieser Erklärung oder fruchtlosem Verstreichen der dafür gesetzten Frist kann über den Rekurs entschieden werden.

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