OGH 1Ob2172/96k

OGH1Ob2172/96k3.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****Gesellschaft mbH, *****vertreten durch Dr.Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Norbert H*****, vertreten durch Dr.Werner Zaufal, Rechtsanwalt in Wien, wegen 750.000 S sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17.April 1996, GZ 17 R 66/96-35, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Verkäuferin begehrt vom beklagten Käufer einer Liegenschaft den in der Differenz zwischen dem mit dem Beklagten vereinbarten und dem vom dritten Käufer lukrierten Kaufpreis liegenden, konkret berechneten Nichterfüllungsschaden.

Der Beklagte bestritt den Zugang des an ihn gerichteten, nicht eingeschrieben aufgegebenen Schreibens des Klagevertreters vom 23.Juni 1993, mit dem die klagende Partei vom Vertrag unter Nachfristsetzung zurückgetreten sei und Schadenersatzansprüche angedroht habe. Der Erstrichter traf über den Zugang des Schreibens keine ausdrückliche Feststellung, sondern stellte nur fest, der Beklagte habe auf dieses Schreiben nicht reagiert; beweiswürdigend führte er dazu aus, unter diesem Aspekt stelle sich auch die Behauptung des Beklagten, er habe das Schreiben des Klagevertreters vom 23.Juni 1993 nicht erhalten, als bloße Schutzbehauptung heraus.

Das Berufungsgericht hat zwar die Feststellungen des Erstgerichts als das Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung und eines mängelfreien Verfahrens übernommen, aber zu der in der Berufung erhobenen Beweisrüge über den Zugang des Schreibens vom 23.Juni 1996 nicht Stellung genommen und rechtlich die Auffassung vertreten, einer Nachfrist habe es wegen der Erfüllungsverweigerung durch den Beklagten nicht bedurft und im übrigen werde die Rücktrittserklärung durch die Klage ersetzt.

Die Ansicht der zweiten Instanz, es bedürfe ua dann keiner Nachfrist, wenn der Schuldner die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigere, entspricht zwar der herrschenden Auffassung (SZ 60/287, SZ 58/152, SZ 40/53 ua; Rummel aaO § 918 ABGB Rz 14; Binder in Schwimann, § 918 ABGB Rz 93, je mwN), ist aber hier feststellungsfremd, steht doch nur fest, daß der Beklagte den Geschäftsführer der klagenden Partei einige Male telefonisch vertröstete. Nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont des Gläubigers kann daraus noch nicht auf die endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner geschlossen werden.

Nach stRspr ist das Abliefern von nicht eingeschriebenen Postsendungen beim Empfänger innerhalb von acht Tagen ab Aufgabe nicht so überwiegend wahrscheinlich, daß die Aufgabe einen prima-facie Beweis für die Ablieferung innerhalb dieses Zeitraums - und somit die Beweispflicht des Empfängers für die Nichtablieferung - begründen würde (SZ 62/202; JBl 1984, 487 ua; RIS-Justiz RS0014086). Ob angesichts der erstrichterlichen Beweiswürdigung und der Feststellung, der Beklagte habe auf das Schreiben vom 23.Juni 1993 nicht reagiert, von der Feststellung des Erstrichters über den Zugang dieses Schreibens an den Beklagten ausgegangen werden könnte, kann auf sich beruhen, weil selbst eine fehlende Feststellung aus folgenden Erwägungen nicht nachgetragen werden müßte:

Das Schadenersatzbegehren der klagenden Partei nach § 918 und § 921 erster Satz ABGB erfordert die hier unbestritten vorliegende, nicht gehörige Erfüllung des mündlich abgeschlossenen Kaufvertrags (Unterfertigung des schriftlichen Kaufvertrags und Zahlung des Kaufpreises) durch den Beklagten zum vereinbarten Zeitpunkt sowie die Erklärung des Rücktritts vom Vertrag unter Setzung einer angemessenen Nachfrist. Durch den objektiven Schuldnerverzug wird das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB ausgelöst (JBl 1988, 447; EvBl 1987/2; 4 Ob 534/89 ua; Reischauer in Rummel 2 § 918 ABGB Rz 2). Da Rücktrittserklärung und Nachfrist eine Einheit bilden, kann als Nachfrist iSd § 918 ABGB nur eine von der Rücktrittserklärung an laufende Frist in Betracht kommen (JBl 1988, 447 mwN; JBl 1976, 535 = EvBl 1976/32; 4 Ob 534/89 ua; Reischauer aaO § 918 ABGB Rz 15; Gschnitzer in Klang 2, IV/1 457). Nach stRspr braucht die Nachfrist im allgemeinen nicht gesetzt, sondern nur gewährt zu werden (JBl 1988, 447; JBl 1976, 535; JBl 1975, 262 ua), sodaß das Zuwarten als ausreichende Form der Nachfristgewährung nach der Rücktrittserklärung genügt; der Rücktritt vom Vertrag kann auch mit der Klage ausgeübt werden (SZ 55/152; JBl 1968, 370; SZ 37/91 uva; zuletzt 1 Ob 14/95; RIS-Justiz RS0018258; Reischauer aaO § 918 ABGB Rz 3; Binder aaO § 918 ABGB Rz 87, je mwN). Dies gilt aber im allgemeinen dann nicht, wenn für den zur Leistung Verpflichteten keineswegs mit Sicherheit feststeht, ob der andere Vertragsteil überhaupt noch auf dem Boden des Vertrags steht und daher zur Annahme der Leistung bereit ist. Bestehen daher für den Schuldner Zweifel über die Annahmebereitschaft des Gläubigers, so wirkt der Rücktritt ohne Fristsetzung nicht, es sei denn, der Gläubiger würde seine noch bestehende Annahmebereitschaft verdeutlichen; dies kann auch in Form einer Rücktrittserklärung unter ausdrücklicher Setzung einer angemessenen Frist zur Nachholung geschehen (JBl 1988, 447; JBl 1976, 535; 4 Ob 534/89 ua; RIS-Justiz RS0018356; Reischauer aaO § 918 ABGB Rz 15 mwN). In mehreren Entscheidungen (Nachweise bei Reischauer aaO § 918 ABGB Rz 15; zuletzt ÖBA 1995, 720) wurde ausgesprochen, die Rücktrittserklärung werde durch die Klage nach § 921 ABGB ersetzt; die Nachfristsetzung sei entbehrlich, wenn der Gegner seine Leistungsverpflichtung auch noch im Prozeß bestreite und zur Erfüllung offenkundig nicht bereit sei. Ob diese Grundsätze auch hier anwendbar sind oder ob der Gläubiger gerade dann, wenn er unter Berufung auf § 921 erster Satz ABGB den aus dem bereits erfolgten Abschluß eines Deckungskaufgeschäfts resultierenden Schaden klageweise geltend macht, seine noch bestehende Annahmebereitschaft verdeutlichen müßte (vgl dazu auch Reischauer aaO), kann indes ungeprüft bleiben. Denn gegen die Wertung der Klage als Rücktrittserklärung der klagenden Partei wendet sich das Rechtsmittel ebensowenig wie es eine allenfalls fehlende Nachfristerklärung in der Klage rügt.

Die im Rechtsmittel als erheblich angesehene Rechtsfrage - behauptetes Abweichen von den Grundsätzen der Entscheidung 3 Ob 586/89 (SZ 62/202 = RZ 1990/80 = WoBl 1992, 64 = MietSlg 41.239) - stellt sich demnach nicht.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte