OGH 1Ob14/95

OGH1Ob14/9527.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan K*****, vertreten durch Dr.Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wider die beklagten Parteien 1. Paul K*****, und 2. Josefine K*****, beide *****, vertreten durch Dr.Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Duldung (Streitwert S 140.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2.November 1994, GZ 2 R 194/94-13, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20.Juli 1994, GZ 24 Cg 30/94-6, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Soweit das Hauptbegehren der klagenden Partei abgewiesen wurde (Punkt 1 des Berufungsurteils), wird der Revision nicht Folge gegeben.

II. den

Beschluß

gefaßt:

In Ansehung der Abweisung des Eventualbegehrens der klagenden Partei und der Kostenentscheidung werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben; die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Übergabsvertrag vom 26.3.1973 übergaben die Ehegatten Mathias und Elisabeth N***** den Beklagten die Liegenschaft EZ 9 KG H*****. In diesem Vertrag wurde vereinbart, daß der "übergeberische Sohn" Friedrich N***** einen Baugrund im Ausmaß von etwa 1000 m2 im Norden des Grundstückes 168 samt Zufahrtsrecht sowie dem Recht der Wasserentnahme und Wasserleitung aus der oberhalb befindlichen Quelle erhält. Die Übernehmer verpflichteten sich weiters, dem "übergeberischen Ziehsohn", dem Kläger, einen Baugrund im Ausmaß von ebenfalls etwa 1000 m2, und zwar in der Nordostecke des Grundstückes 187 samt Zufahrtsweg und dem erforderlichen Bauholz für den Dachstuhl zu übergeben. Es wurde vertraglich festgehalten, daß der Kläger das Wasser von der Quelle "wie Friedrich N*****" entnehmen oder, wenn dies nicht möglich sein sollte, mittels eines Widders vom Haus wegleiten und unentgeltlich benützen könne.

Mit Dienstbarkeitsvertrag vom 6.9.1993 räumten die Beklagten den Eheleuten W***** das Recht ein, aus der auf dem Grundstück 168 befindlichen Quellfassung das Wasser zu beziehen und dieses Wasser zu ihrer Liegenschaft zu leiten.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Verpflichtung der Beklagten, den Wasserbezug aus der im nördlichen Bereich des Grundstücks 168 der KG H***** befindlichen Quelle und die Ableitung des Wassers über näher bezeichnete Grundstücke zu dulden; für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens begehrt er die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung von S 100.000,--. Hiezu brachte er im wesentlichen vor, daß er die Beklagten im Verfahren AZ 28 Cg 204/91 des Landesgerichtes Klagenfurt wegen Leistungsverzugs bei der Übergabe eines Baugrundes auf Zahlung seines Interesses von S 300.000,-- belange. Der Anspruch auf Wasserbezug stehe ihm unabhängig von der Erfüllung der Übergabeverpflichtung als selbständiges Recht zu. Die Beklagten seien primär zur Vertragserfüllung hinsichtlich des Wasserbezugsrechtes verpflichtet. Zum Eventualbegehren brachte er vor, daß die Beklagten eine allfällige Unmöglichkeit der Umwidmung der Liegenschaft verschuldet hätten. Sie hätten weiters über das Wasserbezugsrecht anderweitig verfügt und dadurch die Rechte des Klägers verletzt.

Die Beklagten wendeten ein, daß eine Wasserversorgung der dem Kläger zu übergebenden Liegenschaft aus der Quelle auf dem Grundstück 168 wegen Unwirtschaftlichkeit nicht in Betracht komme. Der Wasserbezug müsse vom Haus der Beklagten her erfolgen. Im übrigen stünde auch eine andere Quelle auf dem Grundstück 168 zur Verfügung. Der Anspruch auf das Wasserbezugsrecht sei noch nicht fällig, weil eine Teilungsbewilligung für das zu übergebende Grundstück noch nicht vorliege.

Bereits mit Anerkenntisurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27.10.1988, GZ 22 Cg 199/88-5, wurden die Beklagten gegenüber dem Kläger verpflichtet, der Vermessung und Erstellung eines Teilungsplans zur Teilung des Grundstücks 187 der KG H***** in dieses und ein neu zu bildendes, näher bezeichnetes Trennstück im Ausmaß von etwa 1000 m2 zuzustimmen.

Im Verfahren AZ 28 Cg 204/91 des Landesgerichtes Klagenfurt begehrte der Kläger von den Beklagten den Zuspruch von S 300.000,-- sA, wobei er von einem durchschnittlichen Kaufpreis für ein Baugrundstück von S 300,-- je m2 ausging. Er räumte den Beklagten in diesem Verfahren eine Lösungsbefugnis in der Weise ein, daß sie berechtigt seien, sich vom Leistungsbegehren dadurch zu befreien, daß sie ihm ein Baugrundstück im Ausmaß von etwa 1000 m2 in der KG H***** oder nach Wahl des Klägers in der KG D***** zur Verfügung stellen. Dieses Verfahren wurde mit Beschluß vom 10.6.1992, GZ 28 Cg 204/91-13, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ein bei der Gemeinde D***** anhängiges Widmungsverfahren und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ein bei der Bezirkshauptmannschaft V***** anhängiges Grundstücksteilungsverfahren unterbrochen und bislang nicht fortgesetzt.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren des Klägers ab und verurteilte die Beklagten in Stattgebung des Eventualbegehrens, dem Kläger S 100.000,-- samt 4 % Zinsen seit 21.1.1994 zu bezahlen. Es sei dem Kläger verwehrt, auf Vertragserfüllung zu klagen, weil die Beklagten das Wasserbezugsrecht bereits anderweitig vergeben hätten. Es stehe ihm aber der hilfsweise geltend gemachte Schadenersatzbetrag, der der Höhe nach nicht strittig sei, zu.

Das Gericht zweiter Instanz gab der vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge, änderte das erstinstanzliche Urteil aber in Stattgebung der Berufung der Beklagten dahin ab, daß es auch das Eventualbegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Kläger sei nicht mehr berechtigt, von den Beklagten auf der Grundlage des Übergabsvertrags die Übereignung eines Baugrunds zu begehren, weil er durch Einbringung der Klage zu AZ 28 Cg 204/91 des Landesgerichtes Klagenfurt sein Wahlrecht zwischen Erfüllungsanspruch und Rücktritt analog § 918 ABGB verbraucht habe. Die den Beklagten im genannten Verfahren eingeräumte Alternativermächtigung stelle keinen Erfüllungsanspruch des Klägers, sondern bloß eine Lösungsbefugnis der Beklagten dar. Das im Übergabsvertrag zugesicherte Wasserbezugsrecht stehe in untrennbarem Zusammenhang mit dem dem Kläger zugesicherten Grundeigentum, weshalb das Wasserbezugsrecht - zufolge Unmöglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs auf Übereignung des dem Kläger zugesicherten Baugrundstücks - nicht mehr selbständig eingeklagt werden könne. Der vom Kläger im Verfahren AZ 28 Cg 204/91 des Landesgerichtes Klagenfurt erklärte Vertragsrücktritt sei als Gesamtrücktritt zu beurteilen. Bei Bemessung des Nichterfüllungsschadens werde in diesem Vorverfahren auf den Grundstückswert einschließlich des Zufahrts- und des Wasserbezugsrechtes Bedacht zu nehmen sein. Eine Zerlegung des gesamten Nichterfüllungsschadens des Klägers in die Werte von Teilleistungen komme im Hinblick auf deren Untrennbarkeit nicht in Betracht. Der den Gegenstand des Eventualbegehrens bildende Schadenersatzanspruch des Klägers sei demnach nicht berechtigt.

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger hat die Beklagten mit Klage zu AZ 28 Cg 204/91 des Landesgerichtes Klagenfurt auf das Erfüllungsinteresse infolge Vereitlung der Übergabe eines Bauplatzes in Anspruch genommen (siehe AS 7 bis 9 des genannten Aktes). Damit hat er seinen Rücktritt im Sinne des § 918 ABGB erklärt (Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 918; JBl 1977, 543). Ein solcher Rücktritt kann auch bei einseitigen Verbindlichkeiten - hier liegt ein Vertrag zugunsten des Klägers als Drittem vor - analog § 918 ABGB erklärt werden (Reischauer aaO, Rz 4a zu § 918). Die im Verfahren AZ 28 Cg 204/91 des Landesgerichtes Klagenfurt eingeräumte Alternativermächtigung (siehe AS 9 des genannten Aktes) stellt dem Schuldner (= den Beklagten) lediglich frei, die Primärleistung zu erbringen; das Wahlrecht (Rücktritt oder Erfüllung) hat der Gläubiger (= Kläger) aber bereits ausgeübt (Reischauer aaO, Rz 4a zu § 918, Rz 9 zu § 906). Nun sind die Beklagten laut Übergabsvertrag vom 26.3.1973 verpflichtet, dem Kläger ein 1000 m2 großes Baugrundstück zu übergeben, und steht diesem nach dem Vertrag ein Wasserleitungs- und -bezugsrecht für dieses Grundstück (siehe S.4 in Beilage A) zu. Es können zwar auch typische Grunddienstbarkeiten als unregelmäßige Servituten einer Person zustehen, doch wurde das Vorliegen der Voraussetzungen hiefür - wie schon das Berufungsgericht richtig ausführte - vom Kläger nicht einmal behauptet. Im übrigen ist das Gericht zweiter Instanz richtigerweise auch davon ausgegangen, daß das Vorliegen einer unregelmäßigen, mit dem Grundeigentum nicht in untrennbarem Zusammenhang stehenden Servitut (Wasserbezugsrecht) nicht anzunehmen sei. Die Auslegung des Vertragsinhalts durch das Berufungsgericht ist frei von Rechtsirrtum. Ist nun der Kläger im Umfang der Übereignung des Grundstücks durch Geltendmachung des Erfüllungsinteresses vom Vertrag zurückgetreten, dann muß sich der Rücktritt auch auf das nur für dieses Grundstück eingeräumte Wasserbezugsrecht erstrecken. Die vertragliche Leistung ist unteilbar; es liegt also Gesamtrücktritt infolge der zu AZ 28 Cg 204/91 des Landesgerichtes Klagenfurt erfolgte Klagserhebung vor. Ob eine Leistung teilbar ist, richtet sich nach dem Parteiwillen und ist nicht mit der Sachteilbarkeit zu verwechseln (Reischauer aaO, Rz 20 zu § 918, Rz 1 zu § 1415).

Das Hauptbegehren des Klägers erweist sich demnach als unberechtigt; der Revision ist insoweit ein Erfolg zu versagen.

Die Abweisung des Eventualbegehrens ist hingegen nicht berechtigt.

Der Kläger hat im Verfahren AZ 28 Cg 204/91 des Landesgerichtes Klagenfurt den Betrag von S 300.000,-- lediglich aus dem Titel der Nichtübergabe des Baugrundes geltend gemacht und den Wert der ihm entgangenen Liegenschaft begehrt (siehe AS 7 dieses Aktes). Für den Wasserleitungs- und -bezugsanspruch wurde dort dagegen kein Schadenersatz begehrt. Wenngleich im Sinne obiger Ausführungen der Gesamtrücktritt erklärt wurde, hat der Kläger mit der erwähnten Klage sein Schadenersatzbegehren, soweit es um das Recht auf Wasserbezug geht, nicht konsumiert; und hiefür vielmehr gesondert Schadenersatz verlangen, weil es sich um ein getrennt bewertbares Recht handelt. Das Erstgericht wird über das Eventualbegehren zu verhandeln und zu entscheiden haben; entgegen seiner Ansicht ist - wie schon das Berufungsgericht richtig erkannte - der geltend gemachte Schadenersatzbetrag sowohl dem Grunde wie auch der Höhe nach bestritten (S.2 der Klagebeantwortung = AS 10).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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