OGH 1Ob212/14d

OGH1Ob212/14d27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. KR A***** H*****, 2. A***** H***** jun, *****, 3. J***** H*****, alle vertreten durch Jandl & Schöberl Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagten Parteien 1. L***** F*****, und 2. L***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr. Carl C. Knittl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufhebung eines Vergleichs (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 15. Juli 2014, GZ 21 R 95/14i‑28, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 20. Jänner 2014, GZ 14 C 691/12i‑28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00212.14D.1127.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit 892,88 EUR (darin 148,81 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Erstkläger war Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der A ***** GmbH und hielt auch Anteile an der G*****gesellschaft mbH. Sein Sohn, der Zweitkläger, war Minderheitsgesellschafter und bis 2. 4. 2008 auch Geschäftsführer der A ***** GmbH. Die Drittklägerin ist die Ehefrau des Erstklägers und die Mutter des Zweitklägers.

Die genannten Gesellschaften standen im Jahr 2008 in Geschäftsbeziehung mit dem Erstbeklagten, dem damaligen Inhaber des Einzelunternehmens F***** F*****, und hatten bei diesem Schulden. Mit außergerichtlicher Vereinbarung vom 18. 4. 2008 bestellten die Kläger als Eigentümer dreier ungarischer Liegenschaften diese als Pfand zur Sicherung der Forderungen des Erstbeklagten gegen die genannten Gesellschaften von 800.000 EUR. Entgegen seinen Verpflichtungen aus dem Pfandbestellungsvertrag verkaufte der Erstkläger ohne Rücksprache mit dem Erstbeklagten ein Privathaus auf einer der Liegenschaften, wobei der Erlös einer anderen Gläubigerin der Gesellschaften zukam. Um weitere Liegenschaftsverkäufe ohne Zustimmung des Erstbeklagten zu verhindern, schlug dessen Rechtsvertreter den Abschluss eines prätorischen Vergleichs vor.

Mit dem vor dem Bezirksgericht Korneuburg am 24. 7. 2009 zu AZ 4 C 997/09k abgeschlossenen prätorischen Vergleich verpflichteten sich die Kläger gegenüber dem Erstbeklagten als Inhaber des Einzelunternehmens F***** F***** zur Zahlung von 1.192.049 EUR sA. Dabei wurde angeführt, dass der Vergleich zur Abgeltung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen des Erstbeklagten gegenüber der „G*****-Bau“ (= G*****gesellschaft mbH) und der „A***** Bau“ (= A ***** GmbH) abgeschlossen werde.

Der Inhalt der vor und im Vergleichstermin zwischen den Klägern und dem Erstbeklagten (bzw dessen Vertretern) und der Richterin geführten Gespräche ist nicht feststellbar. Insbesondere steht nicht fest, ob der Prokurist des Einzelunternehmens F***** F***** dem Erstkläger Gefängnis androhte, wenn er den Vergleich nicht an diesem Termin unterschreibe.

Mit Einbringungs- und Sacheinlagevertrag vom 25. 9. 2009 wurde das Vermögen des Einzelunternehmens F***** F***** auf die zweitbeklagte Partei übertragen, das Einzelunternehmen wurde aufgelöst und im Firmenbuch gelöscht. Mit Kaufvertrag vom gleichen Tag zwischen der zweitbeklagten Partei und der Ö***** GmbH (nunmehr F***** GmbH, im Folgenden kurz: Ö*****) wurde ein Teilbetrieb des ursprünglichen Einzelunternehmens F***** F***** auf die Ö***** übertragen, zu dem auch die Vergleichsforderung laut prätorischem Vergleich zählt. Die Ö***** führt in Ungarn gegen die Kläger zur Hereinbringung der Forderung des prätorischen Vergleichs Exekution auf deren Liegenschaften.

Die Kläger begehrten die urteilsmäßige Aufhebung des zwischen ihnen und der erstbeklagten Partei geschlossenen prätorischen Vergleichs (Hauptbegehren), hilfsweise die Feststellung, dass der Vergleich unwirksam (1. Eventualbegehren), in eventu nichtig sei (2. Eventualbegehren). Mit ihrem 3. Eventualbegehren begehrten die Kläger die Erlassung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber den beklagten Parteien zur Gänze, hilfsweise eine Mäßigung.

Sie brachten vor, dass der Erstbeklagte den Erstkläger unter Druck gesetzt habe, eine persönliche Haftung zu übernehmen, um die Insolvenzen der A ***** GmbH und der G*****gesellschaft mbH zu verhindern. Der Prokurist des Erstbeklagten habe dem Erstkläger mit Gefängnis gedroht. Die anwaltlich unvertretenen und von der Richterin nicht belehrten Kläger hätten den Vergleich nur wegen Drohung und Zwangs abgeschlossen. Der Vergleich sei auch wegen List nichtig, weil der Vertreter des Erstbeklagten die Kläger mit dem (später gebrochenen) Versprechen zur Unterfertigung überzeugt habe, den Titel nur zur Pfändung der Liegenschaften zu verwenden. Hinsichtlich des Zweitklägers und der Drittklägerin habe die Erstbeklagten gegen § 25c KSchG verstoßen. Es lägen die Voraussetzungen für eine Mäßigung bzw für einen Erlass nach § 25d KSchG vor. Das Einzelunternehmen des Erstbeklagten sei in die zweitbeklagte Partei eingebracht worden, weshalb diese nach §§ 38 f UGB und § 1409 ABGB hafte.

Die Beklagten bestritten ihre Passivlegitimation und wiesen darauf hin, dass das Einzelunternehmen F***** F***** mit Einbringungs- und Sacheinlagevertrag in die zweitbeklagte Partei eingebracht worden sei. Im Zuge eines Unternehmenskaufvertrags seien sämtliche unternehmensbezogenen Ansprüche der zweitbeklagten Partei auf die Ö***** übergegangen. Die Exekution in Ungarn werde von dieser Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin des Einzelunternehmens F***** F***** geführt. Den Klägern sei der Vergleich nicht aufgezwungen worden, zumal sie sich gegenüber dem Erstbeklagten bereits am 18. 4. 2008 zur Pfandrechtseinräumung hinsichtlich ihrer Liegenschaften verpflichtet hätten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren einschließlich der Eventualbegehren zur Gänze ab. Es stellte den eingangs zusammengefassten Sachverhalt fest. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der prätorische Vergleich weder durch List, Zwang oder Drohung zustandekommen sei noch gegen die guten Sitten verstoße. Die Kläger seien der ihnen obliegenden Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen nicht nachgekommen, weshalb das Haupturteilsbegehren und auch der Großteil der Eventualbegehren unberechtigt seien. Darüber hinaus verneinte das Erstgericht wegen der Rechtsnachfolge der Ö***** hinsichtlich der Vergleichsforderung die Passivlegitimation der beklagten Parteien und auch die Anwendbarkeit der §§ 25c und 25d KSchG bei gerichtlichen Vergleichen.

Der dagegen von den Klägern erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es verneinte die Passivlegitimation der beklagten Parteien, weil die Forderung laut prätorischem Vergleich durch die Vermögensübertragungen nicht mehr in der Verfügungsgewalt des Erstbeklagten bzw der zweitbeklagten Partei stehe. Sie sei auf die Ö***** übertragen worden. Zudem seien hier die Bestimmungen der §§ 25c und 25d KSchG nicht anwendbar, weil sich diese Normen auf Rechtsgeschäfte, nicht aber auf gerichtliche Vergleiche bezögen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob das KSchG auch für den Abschluss eines prätorischen Vergleichs gelte.

In ihrer Revision schließen sich die Kläger der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs an.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine solche für die Entscheidung auch präjudizielle Rechtsfrage ausgeführt.

2. Die Ausführungen der Revision beschränken sich auf Darlegungen zu den §§ 25c und 25d KSchG (3. Eventualbegehren) und der von den Vorinstanzen (auch dazu) verneinten Passivlegitimation der Beklagten. Auf die von den Vorinstanzen verneinten Voraussetzungen für eine Aufhebung, Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des zwischen den Klägern und dem Erstbeklagten geschlossenen prätorischen Vergleichs wird in der Revision nicht mehr eingegangen. Eine erhebliche Rechtsfrage zum abgewiesenen Hauptbegehren, dem 1. und 2. Eventualbegehren wird diesbezüglich somit nicht aufgezeigt, weshalb die Revision insoweit mangels zu lösender erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig ist.

3.1 Mit ihren Ausführungen zur Frage der Passivlegitimation, wonach eine Übertragung der „Verbindlichkeit“ an die Ö***** „völlig unbelegt“ sei bzw „wenig wahrscheinlich“ erscheine, entfernen sich die Kläger von den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen. Diese haben unbekämpft festgestellt, dass die Vergleichsforderung mit dem Teilbetrieb des Einzelunternehmes F***** F***** an die Ö***** übertragen wurde. Dem am 25. 9. 2009 abgeschlossenen „Unternehmenskaufvertrag“ zwischen der Zweitbeklagten und der Ö***** trat auch der Erstbeklagte bei, der zuvor am gleichen Tag das Vermögen des Einzelunternehmens „mit allen Rechten und Pflichten“ in die zweitbeklagte Partei eingebracht hatte. Das entspricht auch dem diesbezüglich unstrittigen Inhalt der Beilage ./5, der im Revisionsverfahren zugrunde gelegt werden kann (RIS-Justiz RS0121557 [T3]). Der Erstbeklagte hat die Forderung im Zuge der Einbringung seines Einzelunternehmens mit einer hier zulässigen Globalzession in die zweitbeklagte Partei eingebracht (vgl zB 7 Ob 256/08k für eine vergleichbare Konstellation), die den Teilbetrieb des (ursprünglichen) Einzelunternehmens an die Ö***** weiterveräußert hat.

3.2 Nach § 1393 ABGB können alle veräußerlichen Rechte Gegenstand einer Zession sein, soweit es sich nicht um Rechte handelt, die einer Person „ankleben“ (vgl RIS-Justiz RS0032673 [T4]). Die Vergleichsforderung ist kein derartiges höchstpersönliches Recht, sodass sie (auch in Form einer Globalzession, vgl RIS-Justiz RS0032519) übertragen werden konnte. Durch die Zession erhält ein Schuldner einen neuen Gläubiger. Dem auf einen Erlass bzw eine Mäßigung der klägerischen Verbindlichkeiten gegenüber den Beklagten abzielenden 3. Eventualbegehren ist somit wegen der Zession die Grundlage entzogen.

3.3 Insoweit die Kläger unter Bezugnahme auf §§ 38 f UGB damit argumentieren, dass der Erstbeklagte als Veräußerer für die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten hafte, soweit sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Unternehmensübergang fällig werden, übersehen sie, dass es hier zu einer Abtretung der Vergleichsforderung, also der Rechte des Erstbeklagten, gekommen ist. Aufgrund der Zession der Vergleichsforderung stellt sich die Frage einer Haftung des Erstbeklagten als Veräußerer für unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten nach §§ 38 f UGB nicht (9 Ob 85/08b). Unberechtigt ist auch der Hinweis der Kläger auf ihre fehlende Zustimmung, weil eine wirksame Zession nicht der Zustimmung des Schuldners bedarf (RIS‑Justiz RS0017176 [T2]; Neumayr in KBB4 § 1392 Rz 2 mwN).

4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Klagegebehren scheitere hinsichtlich der auf §§ 25c und 25d KSchG gestützten Ansprüche wegen der Zession der Vergleichsforderung schon an der fehlenden Passivlegitimation, entspricht der referierten Rechtsprechung und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

5. Das Ergebnis hängt somit nicht davon ab, ob §§ 25c und 25d KSchG auch bei einem prätorischen Vergleich anzuwenden sind. Bei dieser Rechtslage käme der Lösung der vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RIS‑Justiz RS0088931 [T2]; Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 502 ZPO Rz 60). Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus.

6. Da somit keine erheblichen Rechtsfragen zu lösen sind, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen.

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