European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00021.18X.0529.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:
„Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien im Vertrag vom 27. 10. 2009 zu Nr 7 125 179/000‑7 getroffene Vereinbarung, wonach sich die klagende Partei bei einer vorzeitigen Kündigung des Vorausdarlehens zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet, unwirksam ist.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 11.191,90 EUR (darin 1.295,15 EUR USt und 3.421 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die in Deutschland ansässige Beklagte gewährt gewerblich Darlehen. Der Kläger, ein österreichischer Verbraucher, benötigte eine Finanzierung für einen privaten (Eigentums-)Wohnungsumbau. Er wandte sich über einen österreichischen Finanzierungsvermittler an die Beklagte und bekundete sein Interesse am Abschluss eines Bausparfinanzierungsmodells. Die für „grenznahe Kunden“ zuständige Gebietsleiterin der Beklagten fuhr im August 2009 nach Österreich, besichtigte das vom Umbau betroffene Haus/Grundstück im Hinblick auf die für die Darlehensgewährung erforderliche Besicherung und besprach mit ihm das gewünschte Finanzierungsmodell. Schon anlässlich dieses Gesprächs unterfertigte der Kläger eine Darlehensanfrage sowie einen Antrag auf Abschluss eines Bausparvertrags. Die Beklagte bestätigte Anfang Oktober 2009 die Annahme des Bausparvertrags schriftlich und übermittelte ihm vierzehn Tage später eine bereits unterfertigte Vertragsannahme über ein „Bauspardarlehen von insgesamt ca. 91.800 EUR und vorgeschaltetes Vorausdarlehen von 135.000 EUR“ mit der Aufforderung, sie ebenfalls zu unterzeichnen und an sie zurückzusenden. Dem entsprach der Kläger umgehend. Eine Bestimmung in diesem Vertrag legt das deutsche Recht als hierauf anwendbares Recht fest. Zweck der Darlehenskonstruktion war es, mit der Gewährung des Vorausdarlehens bis zur Zuteilung des Bausparvertrags eine sofortige Finanzierung zu erhalten, wobei der Betrag des Vorausdarlehens der Bausparsumme entsprach. Nach Zuteilung des Bausparvertrags sollte das Vorausdarlehen durch die Bausparsumme (Bausparguthaben und Bauspardarlehen) abgelöst werden. Bis zur Zuteilung des Bausparvertrags sollten hinsichtlich des Vorausdarlehens keine Tilgungs-, sondern lediglich Zinszahlungen geleistet werden. Stattdessen würden laufende Sparbeitragszahlungen auf den Bausparvertrag vorgenommen. Nach Ablösung des Vorausdarlehens durch die Bausparsumme werde das Bauspardarlehen als Abzahlungsdarlehen weitergeführt. Das Vorausdarlehen sieht eine Zinsbindung bis 31. 10. 2019 vor.
Die – wie die Rechtswahlklausel zwischen den Streitteilen vor Vertragsunterzeichnung nicht gesondert besprochene – Regelung, die eine vorzeitige Rückzahlung des Vorausdarlehens nur unter Leistung einer Vorfälligkeitsentschädigung ermöglicht, lautet:
„Das Vorausdarlehen ist vom Darlehensnehmer nur nach den Bedingungen der §§ 489, 490 Abs 2 BGB kündbar. Kann das Vorausdarlehen nicht nach § 489 BGB gekündigt werden (insbesondere während einer Zinsbindung), ist die Bausparkasse zur Annahme einer vorzeitigen vollständigen oder teilweisen Rückzahlung nur dann bereit, wenn der Darlehensnehmer hierfür eine mit der Bausparkasse zu vereinbarende Vorfälligkeitsentschädigung zahlt. Kann der Darlehensnehmer das Vorausdarlehen nach § 490 Abs. 2 BGB vorzeitig kündigen, hat er der Bausparkasse denjenigen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der vorzeitigen Kündigung entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung).“
Im August 2013 und Oktober 2015 teilte die Beklagte dem Kläger in Beantwortung seiner Anfrage mit, dass eine vorzeitige Tilgung des Vorausdarlehens nur bei gleichzeitiger Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung möglich wäre.
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Tilgung (und erhebt auch Eventualbegehren), was er damit begründet, dass die Rechtswahlklausel und jene über die Vorfälligkeitsentschädigung nach der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über nicht gebräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel‑Richtlinie) unwirksam seien. Der Vertrag unterliege Art 5 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. 6. 1980 in Rom (80/934/EWG ; kurz: EVÜ). Damit komme, weil er die an seine Wohnadresse zugesandten Ausfertigungen nach einem persönlichen Beratungsgespräch in Österreich unterschrieben habe, jedenfalls österreichisches Recht zur Anwendung. Nach diesem günstigeren Recht sei eine Vorfälligkeitsentschädigung nur unter sehr engen, hier aber nicht verwirklichten Voraussetzungen zulässig. Die Rechtswahlklausel sei unwirksam, weil sie keinen Hinweis auf die in Art 5 Abs 2 EVÜ angeordnete Geltung der zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen nach österreichischem Recht enthalte, der Vertrag aber unter den dort normierten Bedingungen geschlossen worden sei. Die vertragliche Regelung zur vorzeitigen Kündigung und Vereinbarung einer Vorfälligkeitsentschädigung sei unklar und unbestimmt im Sinne der gemäß Art 7 EVÜ iVm § 13a Abs 2 KSchG jedenfalls anzuwendenden § 864a, § 879 Abs 3 ABGB und § 6 KSchG.
Die Beklagte hielt dagegen die Anwendbarkeit deutschen Rechts für wirksam vereinbart und folgerte daraus, dass – weil keiner der Tatbestände der §§ 489, 490 Abs 2 dBGB vorgelegen sei – der Kläger das Darlehen vor Ablauf der Zinsbindungsfrist nur dann vorzeitig zurückführen könne, wenn er mit ihr eine einvernehmliche Regelung über die ihr zustehende Vorfälligkeitsentschädigung finde. Sie übe in Österreich keine Tätigkeit aus und habe ihre Tätigkeit auch nicht auf Österreich ausgerichtet. Der Finanzberater, der den Kläger auf das später von ihm abgeschlossene Finanzprodukt aufmerksam gemacht habe, sei mit ihr in keinem vertraglichen Verhältnis gestanden, habe auch von ihr keine Provision erhalten und sei allein über Auftrag des Klägers, der den Vertrag in Deutschland unterschrieben habe, tätig geworden. Durch den Hinweis auf die Bestimmung des § 13a Abs 2 KSchG sei für den Kläger nichts gewonnen, weil diese Bestimmung nur dann anzuwenden sei, wenn der Vertrag dem ausländischen Recht eines Drittstaats unterliege.
Nach Verwerfung der Unzuständigkeitseinrede der Beklagten durch das Berufungsgericht mit seinem Beschluss vom 11. 5. 2017 wies das Erstgericht ausgehend vom eingangs geschilderten Sachverhalt das Klagebegehren zur Gänze ab. Es ging dabei von der Wirksamkeit der Rechtswahl aus. Diese Frage sei gemäß Art 3 Abs 4 iVm Art 8 EVÜ nach dem Recht zu beurteilen, das nach dem Übereinkommen anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wären. Prüfe man die Wirksamkeit der Rechtswahlklausel nach deutschem Recht, hätte der Kläger das Fehlen seiner Einflussmöglichkeit auf den Inhalt der Klausel nachweisen müssen, was ihm misslungen sei. Die Rechtswahl sei ihrem Wortlaut nach völlig klar und auch nicht unangemessen. Da die Bestimmungen nach § 13a KSchG oder Art 5 EVÜ nicht auf den Vertrag anzuwenden seien, hätte die Beklagte darüber auch nicht aufklären müssen. Die Vertragsklausel, wonach die Beklagte nur bei einvernehmlicher Regelung über die Vorfälligkeitsentschädigung zur Annahme einer vorzeitigen Rückzahlung bereit sei, sei weder unklar noch greife sie zu seinem Nachteil in seine (nach deutschem Recht) zu beurteilende Rechtsposition ein. Im Wesentlichen kläre sie nur über die deutsche Rechtslage auf.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und teilte die Rechtsansicht, dass der (Voraus‑)Darlehensvertrag nicht in den – im Vergleich zu Art 6 der Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I-VO“) engeren – sachlichen Anwendungsbereich des Art 5 EVÜ falle. Darlehensverträge seien nach herrschender Ansicht keine Dienstleistungen iSd Art 5 Abs 1 EVÜ und Kreditverträge ansonsten nur bei entsprechender Zweckbindung erfasst, die nicht vorliege. Die Klausel informiere nur über die Gesetzeslage, wonach der Darlehensnehmer bei einem Darlehensvertrag, bei dem der Sollzinssatz gebunden und das Darlehen durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert sei, gemäß § 490 Abs 2 dBGB unter Einhaltung der Fristen des § 488 Abs 3 S 2 dBGB vorzeitig kündigen könne, wenn seine berechtigten Interessen dies geböten und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens sechs Monate abgelaufen seien. Ein solches Interesse liege insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache habe. Der Darlehensnehmer habe dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entstehe (Vorfälligkeitsentschädigung). Es sei nicht zu ersehen, warum der Kläger in der in Kritik gezogenen vertraglichen Bestimmung seine „unangemessene Benachteiligung“ erblicke, wenn sie doch nur über diese Rechtslage informiere. Dabei dürfe nicht übersehen werden, dass für den Fall, dass die im Vertrag enthaltene Bestimmung entfiele, auch ohne eine vertragliche Grundlage gerade jene gesetzliche Bestimmung (§ 490 dBGB) auf den Vertrag anzuwenden wäre, über die im Vertrag informiert werde.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und nachträglich auch, dass die Revision doch zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle, ob ein Kreditvertrag wie der vorliegende Art 5 EVÜ unterliege. Jenes Übereinkommen gelange nach wie vor für alle vor dem 17. 12. 2009 abgeschlossenen Kreditverträge zur Anwendung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, mit der er primär anstrebt, der Klage stattzugeben. Er beharrt darauf, dass der vorliegende Vertrag unter Art 5 Abs 1 EVÜ falle. Der Begriff des Dienstleistungsvertrags sei analog zu Art 7 Nr 1 lit b der Verordnung (EU) 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 12. 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (kurz: EuGVVO 2012) auszulegen. Damit widerspreche die Auslegung durch das Berufungsgericht der Rechtsprechung des EuGH, der in seinem Urteil Kareda/Benkö , C‑249/16, ECLI:EU:C:2017:472, ausgesprochen habe, dass ein Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Eigenheims als Dienstleistungsvertrag zu qualifizieren sei. Der Oberste Gerichtshof habe bereits in seiner Entscheidung 1 Ob 48/12h ausgeführt, dass ein Kredit, der ausschließlich der Finanzierung von Finanztransaktionen diene, unter Art 5 Abs 1 EVÜ falle. Unterliege der Vertrag Art 5 EVÜ, sei die Rechtswahlvereinbarung nach der Klausel‑Richtlinie wegen Art 5 Abs 2 EVÜ für ihn unverbindlich. Die Klausel enthalte mit der schlichten Aussage „Es gilt deutsches Recht“ keinen Hinweis darauf, dass sich der Verbraucher zusätzlich auf die in Österreich geltenden Verbraucherschutzvorschriften berufen könne. Für die funktionsäquivalente Bestimmung des Art 5 EVÜ könne aber nichts anderes gelten, als für jene nach Art 6 Abs 1 Rom I-VO, wie dies der EuGH in seiner Entscheidung VKI/Amazon EU Sàrl, C‑191/15, ECLI:EU:C:2016:612, ausdrücklich festgehalten habe. Ohne Rechtswahl komme nach Art 4 Abs 3 EVÜ österreichisches Recht zur Anwendung. Der bloße Verweis auf Normen des deutschen Gesetzes, also auf solche in einem für den Verbraucher fremden Rechtsgebiet, mache die Klausel intransparent. Diesem, der über seine Rechte und Pflichten aufgeklärt werden müsse, sei die Erforschung dieser fremden Rechtsvorschriften nicht zuzumuten. Zudem enthalte die Passage auch keinerlei Anhaltspunkte über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, womit es die Beklagte in der Hand habe, ihren Schaden eigenmächtig festzusetzen. Eine derartige Regelung sei nicht nur intransparent, sondern auch noch gröblich benachteiligend. § 879 Abs 3, § 864a ABGB und § 6 KSchG seien gemäß § 13a Abs 2 KSchG anzuwenden. Diese Norm werde aber vom Berufungsgericht dahin interpretiert, dass es zu ihrer Anwendung einer weiteren dem Gesetzestext nicht zu entnehmenden Voraussetzung bedürfe. Nach dieser Auslegung solle § 13a Abs 2 KSchG (wie Abs 1 leg cit) nur dann zur Anwendung kommen, wenn das Recht eines Drittstaats berufen sei. Der Wortlaut der Norm spreche aber gerade dafür, dass sie ohne Rücksicht darauf, welchem Recht der Vertrag unterliege, gelte. Weil Rechtsprechung des Höchstgerichts auch zu dieser Bestimmung fehle, sei eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Herstellung der Rechtssicherheit erforderlich.
Die Beklagte hält dem entgegen, dass die Klausel‑Richtlinie in Art 6 die Mitgliedstaaten anweise, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit der Verbraucher den durch die Richtlinie gewährten Schutz nicht verliere, wenn das Recht eines Drittlandes als das auf den Vertrag anzuwendende Recht gewählt werde. Aufgrund der bestehenden Rechtsharmonisierungsakte innerhalb der EU komme eine Anwendung des § 13a Abs 2 KSchG bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung damit nur dann zur Anwendung, wenn der Vertrag dem Recht eines Drittstaats unterliege, wie dies auch in der herrschenden Lehre so angenommen werde. Eine Belehrung über zwingende Verbraucherschutzregeln iSd Art 5 Abs 2 EVÜ sei nicht notwendig, weil der Vertrag Art 5 EVÜ nicht unterliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt:
1. Die Ermittlung des anzuwendenden Rechts hat nach dem EVÜ zu erfolgen, weil der Vertrag vor dem 17. 12. 2009 abgeschlossen wurde (Art 28 Rom I‑VO) und er ein Darlehen zwischen einem österreichischen Verbraucher zu privaten Zwecken (Wohnungsumbau) und der in Deutschland ansässigen Beklagten zum Gegenstand hat. Damit liegt ein Sachverhalt vor, der eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweist (Art 1 Abs 1 EVÜ).
2.1. Die vom Kläger für die Anwendung österreichischen Rechts in Anspruch genommene Bestimmung des Art 5 Abs 1 bis 3 EVÜ lautet:
„(1) Dieser Artikel gilt für Verträge über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen an eine Person, den Verbraucher, zu einem Zweck, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Verbrauchers zugerechnet werden kann, sowie für Verträge zur Finanzierung eines solchen Geschäfts.
(2) Ungeachtet des Artikels 3 darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, daß dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährte Schutz entzogen wird:
- wenn dem Vertragsabschluß ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat oder
- wenn der Vertragspartner des Verbrauchers oder sein Vertreter die Bestellung des Verbrauchers in diesem Staat entgegengenommen hat oder
- wenn der Vertrag den Verkauf von Waren betrifft und der Verbraucher von diesem Staat ins Ausland gereist ist und dort seine Bestellung aufgegeben hat, sofern diese Reise vom Verkäufer mit dem Ziel herbeigeführt worden ist, den Verbraucher zum Vertragsabschluß zu veranlassen.
(3) Abweichend von Artikel 4 ist mangels einer Rechtswahl nach Artikel 3 für Verträge, die unter den in Absatz 2 bezeichneten Umständen zustande gekommen sind, das Recht des Staates maßgebend, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“
2.2. Art 5 Abs 1 EVÜ erfasst nicht nur den Warenkauf eines Verbrauchers oder dessen Vertrag über eine Dienstleistung selbst, sondern auch die zweckgerichtete Finanzierung des Ankaufs beweglicher Sachen oder des Erwerbs von Dienstleistungen ( Czernich , Rechtswahlklauseln in Bankverträgen mit Verbrauchern, in Heindler/Verschraegen , Internationale Bankgeschäfte mit Verbrauchern 49 [54]). Kreditverträge, die der Finanzierung von Warenlieferung oder der Erbringung einer Dienstleistung dienen, fallen in den sachlichen Anwendungsbereich von Art 5 Abs 1 EVÜ ( Verschraegen in Rummel , ABGB 3 Art 5 EVÜ Rz 18; Sachse , Der Verbrauchervertrag im Internationalen Privat‑ und Prozeßrecht, 208 je mwN).
Der Kläger benötigte das Darlehen (in seiner kombinierten Form aus Vorausdarlehen mit späterer Ablöse durch das Bausparguthaben und Bauspardarlehen) als Verbraucher für die Finanzierung seines privaten Wohnungsumbaus. Die Mitarbeiterin der Beklagen besichtigte das „vom Umbau betroffene Haus/Grundstück“. Zur Bewerkstelligung eines Wohnungsumbaus bedarf es des Abschlusses von Werkverträgen oder von Verträgen über die Lieferung beweglicher Sachen (Baustoffe etc). Auch Werkleistungen beim Wohnungsumbau sind Dienstleistungen im Sinn des EVÜ ( Czernich aaO 54 f; ders in Czernich/Heiss EVÜ Art 5 Rz 18), weil es unerheblich ist, ob sich die Dienstleistung auf eine bewegliche oder unbewegliche Sache bezieht ( von Bar , IPR II Rz 432). Ist ein solcher Zweck des Darlehens bekannt, ist der kreditgewährenden Bank bei Abschluss des Kreditvertrags bewusst, dass damit Verträge, die sachlich dem Regime des Art 5 Abs 1 EVÜ unterstellt sind, finanziert werden, womit die in Art 5 Abs 1 EVÜ geforderte Zweckbeziehung des Darlehens mit einem „solchen Geschäft“ schon nach dem Wortlaut gegeben ist.
Das im Anlassfall zwischen einem inländischen (österreichischen) Verbraucher und einer ausländischen (deutschen) Bank abgeschlossene (und daher eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten iSd Art 1 Abs 1 EVÜ aufweisende) kombinierte Voraus- und Bauspardarlehen, welches der Finanzierung des Umbaus des vor Ort besichtigten Objekts dient, ist daher ein Vertrag „zur Finanzierung eines solchen Geschäfts“ iSd Art 5 Abs 1 EVÜ.
2.3. In gleicher Weise erfüllt sind die situativen Voraussetzungen des Art 5 Abs 2 EVÜ. Das von der Beklagten unterfertigte Vertragswerk wurde dem Kläger zugesendet, womit ihm ein Anbot iSd Art 5 Abs 2 EVÜ in seinem Aufenthaltsstaat zuging (vgl dazu 1 Ob 48/12h = RIS‑Justiz RS0128687 = SZ 2012/136 = ÖBA 2013/1927, 506 [ Thiede ]) und er unterschrieb es – entgegen deren Behauptungen – auch in Österreich, nahm also in seinem Aufenthaltsstaat die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen durch Unterfertigung und Rücksendung von Österreich aus vor.
In einem solchen Fall darf aber nach Art 5 Abs 2 EVÜ die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staats, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährte Schutz entzogen wird.
3.1. Nach österreichischem Recht unterläge gemäß § 103 Z 23 iVm § 103m Bankwesengesetz (BWG) die Vereinbarung über die Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung § 33 Abs 8 BWG in seiner Stammfassung (BGBl 1993/532). Diese Bestimmung lautet:
„Der Verbraucher ist berechtigt, seine Verbindlichkeiten aus einem Verbraucherkreditvertrag ganz oder teilweise vorzeitig zu erfüllen. In diesem Fall hat das Kreditinstitut die Gesamtbelastung um jenen Betrag an Zinsen und laufzeitabhängigen Kosten zu vermindern, der bei kontokorrentmäßiger Abrechnung des vorzeitig zurückgezahlten Betrages nicht anfällt. Die Vereinbarung oder Verrechnung darüber hinausgehender Entgelte für den Fall vorzeitiger Rückzahlung ist außer in Fällen der Z 1 und Z 2 nicht zulässig. Für die vorzeitige Rückzahlung kann eine Kündigungsfrist vereinbart werden im Ausmaß
1. von höchstens sechs Monaten bei Krediten, die nachweislich zur Schaffung oder Sanierung von Gebäuden bestimmt sind und eine Laufzeit von zumindest zehn Jahren aufweisen, sowie bei hypothekarisch besicherten Krediten (§ 18 Hypothekenbankgesetz bleibt unberührt), oder
2. der allfällig vereinbarten Festzinsperiode bei Krediten nach Z 1.“
Dass das österreichische Recht in diesem Fall den Verbraucher besser schützt, bestreitet die Beklagte gar nicht. Zu § 33 Abs 8 BWG (in der anzuwendenden Fassung) hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt, dass der Verbraucher nach Ablauf einer zulässig vereinbarten Befristung von der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung frei ist (ausführlich dazu 4 Ob 60/06m ua; RIS‑Justiz RS0120824; krit Kellner , Die gemäß § 33 Abs 8 BWG zulässigen Beschränkungen des Rechts auf vorzeitige Rückzahlung von Verbraucherkrediten, ÖBA 2006, 661; zust Dellinger in BWG, Archivband, § 33 Rz 67). Während der Konsument also nach österreichischem Recht bei Vereinbarung einer Vorfälligkeitsentschädigung und einer Kündigungsfrist die Wahl hat, ob er die Kündigungsfrist abwartet und danach ohne Zahlung der Entschädigung kündigt oder ob er diese in Kauf nimmt, bedarf er nach deutschem Recht (auf das [allerdings in der vor dem Gesetz vom 29. 07. 2009, dBGBl I S 2355, geltenden Fassung der § 489, § 490 Abs 2 dBGB] die Klausel dazu verweist) bei einer vorzeitigen Kündigung der Einhaltung einer Frist und eines Kündigungsgrundes in Form eines berechtigten Interesses („Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache“, § 490 dBGB). Die Vorfälligkeitsentschädigung muss er trotzdem zahlen.
3.2. Zwar ist die Wirksamkeit der Rechtswahlklausel nach Art 3 Abs 4 iVm Art 8 Abs 1 EVÜ grundsätzlich nach dem gewählten (deutschen) Recht zu beurteilen. Es ist aber dieses Recht, da Deutschland der Europäischen Union angehört, richtlinienkonform auszulegen (vgl zum luxemburgischen Recht 2 Ob 155/16g = jusIT 2018/21, 54 [ Thiele ; Mader ] unter Verweis auf Stadler , Die AGB-Kontrolle von Rechtswahlklauseln – Der Fall „Amazon“, VbR 2016, 168 [171]). Das Fehlen eines Hinweises auf den Schutz durch die zwingenden Bestimmungen des Verbraucherrechts in der von der Beklagten vorformulierten Regelung muss daher auch nach diesem Recht zur Qualifikation der Klausel als missbräuchlich führen. Das hat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Folge, dass eine Klausel – als „unverbindlich“ bzw „nichtig“ – nicht anzuwenden ist (2 Ob 155/16g mwN).
Kommt die Rechtswahlklausel nicht zur Anwendung, ist gemäß Art 5 Abs 3 EVÜ für Verträge, die – wie im vorliegenden Fall – unter den in Art 5 Abs 2 EVÜ bezeichneten Umständen zustande gekommen sind, das Recht des Staates maßgebend in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, damit also österreichisches Recht.
4. Die Klausel über die Pflicht zur Vereinbarung einer Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Kündigung suggeriert mit ihrem Verweis auf deutsche Bestimmungen dem Verbraucher wiederum – und entgegen der tatsächlichen Rechtslage –, es komme (allein) deutsches Recht zur Anwendung. Schon weil sie keine klare Frist und auch keine Parameter zur Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung, sondern nur die Verweisung auf deutsche (zur Frist weiterverweisende) Bestimmungen – also auf ein für den Verbraucher fremdes Recht – enthält, ist sie für diesen iSd § 6 Abs 3 KSchG intransparent. Auf eine vertragliche Regelung, wonach sich der Kläger bei einer vorzeitigen Kündigung des Vorausdarlehens zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet, kann sich die Beklagte also ihm folglich gegenüber nicht berufen.
5. Auf Auslegungsfragen zu § 13a Abs 2 KSchG oder darauf, ob § 33 Abs 8 BWG idStF eine Eingriffsnorm iSd Art 7 EVÜ ist, muss damit nicht mehr eingegangen werden.
6. In Abänderung der Urteile der Vorinstanzen ist der Klage stattzugeben, wobei das Urteilsbegehren so zu fassen ist, dass es das tatsächlich Gewollte zum Ausdruck bringt (RIS-Justiz RS0039357 [bes T8]; RS0041254 [T2, T16, T20]). Der Kläger begehrte zwar die Feststellung der Unwirksamkeit einer Vereinbarung, die sich auf eine vorzeitige Kündigung des Bauspardarlehens bezieht. Tatsächlich regelt die betroffene Klausel aber eine Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Kündigung des Vorausdarlehens. Die Beklagte räumte auch schon in der Klagebeantwortung ein, dass das spätere Bauspardarlehen, welche das Vorausdarlehen ablöst, jederzeit ohne Vorfälligkeitsentschädigung zurückgezahlt werden kann.
7. Die Kostenentscheidung gründet auf § 41 und § 50 ZPO. Für die Berufung und Revision beträgt der Erhöhungsbeitrag gemäß § 23a RATG jeweils nur 2,10 EUR.
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