European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00187.24T.1219.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts, mit dem der – seit 2016 in Österreich wohnhaften – Mutter wegen der kriegsbedingten Gefahrenlage und der damit begründeten Reisewarnung des Außenministeriums untersagt wurde, mit ihren Kindern zu Besuchszwecken in die Ukraine zu reisen. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nicht zu.
[2] Die Mutter erhebt dagegen einen mit einer Zulassungsvorstellung verbundenen „ordentlichen“ Revisionsrekurs. Da der Gegenstand des Verfahrens nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist, kann sie allerdings nach § 62 Abs 5 AußStrG ohnehin einen außerordentlichen Revisionsrekurs erheben. Ihr Rechtsmittel ist daher als solcher zu behandeln (8 Ob 9/24h mwN).
Rechtliche Beurteilung
[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf:
[4] 1. Im Hinblick auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder in Österreich sind gemäß Art 8 Abs 1 iVm Art 61 lit a Brüssel IIa‑VO die österreichischen Gerichte international zuständig; nach Art 15 Abs 1 KSÜ kommt österreichisches Recht zur Anwendung (7 Ob 170/17a mwN; zum anwendbaren Recht RS0127234 [T1]).
[5] 2. Im Revisionsrekurs macht die Mutter ausschließlich geltend, dass das Verbot nur bis zur Aufhebung der Reisewarnung für die Ukraine hätte verhängt werden dürfen. Denn sonst wäre es ihr auch bei Befriedung der Ukraine und Aufhebung der Reisewarnung nicht möglich, mit den Kindern dorthin zu reisen.
[6] 3. Auf dieser Grundlage ist die Berechtigung des Verbots als solchen nicht zu prüfen. In Bezug auf die fehlende zeitliche Beschränkung verkennt die Mutter die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft:
[7] 3.1. Im außerstreitigen Verfahren ergangene Entscheidungen sind zwar grundsätzlich der materiellen und formellen Rechtskraft fähig und binden die Betroffenen und das Gericht (§ 43 Abs 1 AußStrG; RS0007171). Nach allgemeinen Grundsätzen hält die materielle Rechtskraft aber nachträglichen Sachverhaltsänderungen nicht stand (RS0041247; RS0007171 [T21]).
[8] 3.2. Auch Entscheidungen im Verfahren über die Obsorge und das Kontaktrecht können daher bei einer Änderung der Verhältnisse abgeändert werden (7 Ob 89/18s; 5 Ob 123/19b). Entscheidend ist dabei, ob gegenüber jenem Sachverhalt, der für die frühere Entscheidung maßgeblich war, eine relevante Änderung eingetreten ist (RS0007201 [T1]). Diese Grundsätze gelten auch für vorläufige Maßnahmen nach § 107 Abs 2 AußStrG (2 Ob 19/11z; 9 Ob 61/16k). Sollte sich daher die Sicherheitslage in der Ukraine zum Positiven wenden und ein gefahrloser Urlaubsaufenthalt mit zwei minderjährigen Kindern möglich werden, bliebe es der Mutter unbenommen, beim Pflegschaftsgericht die Aufhebung des Reiseverbots zu beantragen.
[9] 4. Warum ungeachtet dessen schon im angefochtenen Beschluss ein Außerkrafttreten für bestimmte – naturgemäß nicht konkret vorhersehbare – Fälle vorgesehen werden müsste, legt der Revisionsrekurs nicht schlüssig dar. Er war daher zurückzuweisen.
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