OGH 1Ob173/14v

OGH1Ob173/14v22.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Gerhard K*****, vertreten durch Dr. Michel Münzker, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17‑19, und die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei O***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Pöch Krassnigg Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 10.174,22 EUR sA, über die Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Juli 2014, GZ 14 R 40/14a‑25, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. März 2014, GZ 24 Cg 91/13y‑19, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 844,85 EUR (darin enthalten 140,81 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Von der Beklagten wurden 1985 Teilschuldverschreibungen mit der Bezeichnung „Prämienanleihe 1985‑93/1“ begeben. Auf der Vorderseite dieser Teilschuldverschreibungen befand sich unter anderem folgender Text:

„Diese auf den Inhaber lautende Teilschuldverschreibung wird bei Fälligkeit nach den auf der Rückseite abgedruckten Anleihebedingungen zurückgezahlt. Die Auszahlung erfolgt in gesetzlichen Zahlungsmitteln bei der Österreichischen Staatshauptkasse in Wien“

Auf der Rückseite stehen auszugsweise nachstehende Bedingungen:

Laufzeit

1. August 1985 bis einschließlich 31. Juli 1993.

Tilgung ‑ Verzinsung

Die Teilschuldverschreibungen werden am 1. August 1993 in folgenden Beträgen zurückgezahlt:

S 18.200,‑ ‑ je Teilschuldverschreibung im Nom. von S 10.000,‑ ‑ (Nennwert S 10.000,‑ ‑ zuzüglich Tilgungsmehrbetrag von S 8.200,‑ ‑) und

S 1.820,‑ ‑ je Teilschuldverschreibung im Nom. von S 1.000,‑ ‑ (Nennwert S 1.000,.‑ ‑ zuzüglich Tilgungsmehrbetrag von S 820,‑ ‑).

Periodische Zinszahlungen werden auf die Teilschuldverschreibungen nicht geleistet. An ihre Stelle tritt der Tilgungsmehrbetrag.

[...]

Verjährung

Der Anspruch auf den Tilgungsbetrag (Nennwert) verjährt 30 Jahre, auf den Tilgungsmehrbetrag 6 Jahre nach Fälligkeit.

[...]

Zahl‑ und Einreichstelle

Österreichische Staatshauptkasse in Wien.“

Am 2. 1. 1989 übernahm die Nebenintervenientin aufgrund eines Bevollmächtigungsvertrags mit der Beklagten die Aufgaben der Zahl‑ und Einreichstelle.

Im August 1993 reichte die A***** Bank bei der Nebenintervenientin 65 Stück der Prämienanleihe ein. Die Teilschuldverschreibungen wurden entgegengenommen und honoriert. Bereits bei der Einreichung wiesen die Papiere im Bereich oberhalb der Nummerierung einen rechteckigen blauen Stempel der Bank mit der umrahmten Aufschrift „A*****“ und eine sechsstellige Zahl auf.

Nach der damals üblichen Vorgangsweise und den Vorschriften der Staatshauptkasse waren die eingereichten Originalpapiere nach ihrer Kontrolle durch eine Lochung im unteren Bereich zu entwerten und im Keller bis zur endgültigen Vernichtung und dem Ablauf der Skartierungsfrist zu lagern.

Eine der Schuldverschreibungen erwarb der Kläger 2004 bei einem Freihandverkauf in einem Auktionshaus, wobei ihm von einem Mitarbeiter mitgeteilt wurde, dass die zum Verkauf gelangenden Wertpapiere vorwiegend aus Verlassenschaften oder von Notaren stammten. 18 weitere Stück kaufte der Kläger 2012 von Ing. Alexander W***** oder dessen Vater, die beide Handel mit historischen Wertpapieren betrieben. Der genaue Ablauf dieses Erwerbsvorgangs ist nicht mehr festzustellen. Die Scheine hatte zuvor Ing. Alexander W***** als Teil eines Konvoluts verschiedener alter Wertpapiere auf einem Flohmarkt um einen relativ geringen Preis gekauft. Der Kläger hielt die Schuldverschreibungen bereits bei ihrem Ankauf mangels Entwertungsvermerks für werthaltig und beabsichtigte, sie zur Einlösung vorzulegen.

Ende 2012 legte der Kläger fünf „Prämienanleihen“ zur Zahlung vor. Es handelte sich um von der A***** Bank bereits zuvor einmal eingereichte und honorierte „Anleihen“, die aus unbekannten Gründen nicht mit einem Entwertungsvermerk versehen und vernichtet worden waren. In Unkenntnis der bereits erfolgten Einlösung erhielt der Kläger 6.415,45 EUR ausbezahlt.

In weiterer Folge reichte der Kläger die restlichen 14 Stück „Prämienanleihen“ ein. Auch dabei handelt es sich um von der A***** Bank bereits eingereichte und honorierte „Prämienanleihen“, die keinen Entwertungsvermerk aufwiesen. Die Auszahlung wurde von der Nebenintervenientin verweigert.

Der Kläger begehrt die Zahlung des Nominalwerts der 14 Teilschuldverschreibungen (à 10.000 ATS) von 10.174,22 EUR sA. Diese sei grundlos verweigert worden, obwohl durch die Einlösung der ersten fünf Inhaberpapiere die Gültigkeit der Papiere anerkannt worden sei. Die Papiere seien weder gelocht, noch sonst entwertet und daher werthaltig. Aus diesem Grund sowie aufgrund des Erwerbs vom befugten Gewerbsmann treffe der Einwand der Unredlichkeit nicht zu.

Die Beklagte wendete ein, der Kläger habe keine gültigen Inhaberpapiere, sondern lediglich historische Drucke vorgelegt. Die Auszahlung bei der ersten Einreichung sei irrtümlich erfolgt. Der Kläger habe aufgrund seines Sachverstands wissen müssen, dass die Drucke nicht mehr einlösbar seien, weil ein Stempel mit der Nummer des Einlösungsvorgangs angebracht sei, der die Entwertung zum Ausdruck bringe. Er habe die Papiere bei einem Händler für historische, nicht mehr einlösbare Wertpapiere gekauft. Es mangle ihm an der Aktivlegitimation. Überdies habe kein Eigentumserwerb stattfinden können, weil der Verkäufer nicht die Berechtigung nach dem Bankwesengesetz besitze, Effektengeschäfte durchzuführen. Er habe daher die Rechte am Papier nicht übertragen können. Ein originärer Erwerb scheitere an der Unredlichkeit des Klägers, weil er sowohl von der erfolgten Einlösung, ersichtlich durch den Stempel, als auch von den fehlenden Befugnissen des Vormanns hätte wissen müssen.

Die Nebenintervenientin brachte vor, dass sie entsprechend dem Zahlstellenvertrag mit der Beklagten bei Vorlage von Wertpapieren ungeprüft auszuzahlen und die Papiere dann der Buchhaltungsagentur zur Prüfung zu übermitteln habe. Die erste Auszahlung sei irrtümlich erfolgt, habe sie doch nicht wissen können, dass die Papiere bereits eingelöst worden seien.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, dem Kläger 10.174,22 EUR sA zu zahlen. Ein Zinsenmehrbegehren wies es ab. Bei den Teilschuldverschreibungen handle es sich um echte Inhaberpapiere. Die Übertragung der verbrieften Rechten finde nach rein sachenrechtlichen Grundsätzen statt, wobei ein gutgläubiger Eigentumserwerb möglich sei und der Schuldner bei Vorlage verpflichtet sei, an den Inhaber zu leisten. Abgesehen vom Stempel der A***** Bank wiesen die Schuldscheine keine optische Auffälligkeit auf, die auf eine Entwertung hindeuteten. Weder gebe es eine Lochung noch einen Stempel mit einem deutlichen Hinweis auf eine Entwertung. Nach dem Erscheinungsbild der Urkunde habe der Kläger unabhängig von ihrem Alter oder der Herkunft auf eine Werthaltigkeit vertrauen dürfen. Daran ändere auch die bereits erfolgte Einlösung nichts, weil sie nicht auf dem allein ausschlaggebenden Papier dokumentiert sei. Die Tatsache, dass derartige Wertpapiere im Auktionshaus, auf einem Flohmarkt, von Privaten oder im Handel für historische Wertpapiere angeboten würden, lasse nicht den Schluss zu, dass sie trotz des fehlenden Entwertungsvermerks bereits eingelöst und wertlos seien. Dass der Verkäufer der Wertpapiere über keine Konzession für Bankgeschäfte verfüge, mache den Vertrag nicht unwirksam. Zur Sicherung der erleichterten Verkehrsfähigkeit von Inhaberpapieren bestehe eine Beweislastumkehr zu Gunsten des jeweiligen Papierinhabers. Der Nachweis der mangelnden Verfügungsberechtigung liege bei der Beklagten. Darüber hinaus ermögliche § 371 ABGB den Eigentumserwerb des redlichen Empfängers im Rahmen einer Übereignung von echten Inhaberpapieren. Voraussetzung sei lediglich die ordnungsgemäße Übereignung sowie die Redlichkeit des Erwerbers. Der Kläger habe die Schuldverschreibungen käuflich, also aufgrund eines geeigneten Rechtstitels erworben. Durch die Übergabe sei er in den Besitz der Papiere gelangt. Auf Basis der Beweislastumkehr und den Überlegungen zum jederzeit möglichen Auftauchen werthaltiger Stücke auf dem freien Markt sei er auch als redlicher Empfänger zu betrachten. Als berechtigter Inhaber sei er zur Vorlage und Einlösung berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Rechtlich führte es aus, bei den von der Beklagten ausgegebenen „Prämienanleihen“ handle es sich um Inhaberschuldverschreibungen, bei denen das Papier den Anspruch auf Rückzahlung eines festen Geldbetrags verbriefe. Der berechtigte Inhaber des Wertpapiers sei zur Geltendmachung des darin verbrieften Anspruchs berechtigt. Mit der Übertragung des Eigentums am Papier werde das im Papier verbriefte Recht mitübertragen. Das Fehlen der Berechtigung des Inhabers, damit die Unrechtmäßigkeit des Besitzes, habe die Beklagte zu beweisen. Die Innehabung des Papiers begründe die widerlegbare Vermutung für das Eigentum am Papier. Da nicht feststehe, ob der Kläger die Papiere von einer Person erworben habe, die (etwa aufgrund vorangehenden gutgläubigen Erwerbs) Eigentum am Papier gehabt habe oder nicht, sei der Beklagten der Nachweis nicht gelungen, dass der Kläger die Papiere nicht von einem berechtigten Inhaber erworben habe. Selbst wenn man nicht vom Eigentum des Veräußerers ausgehe, habe der Kläger jedenfalls gemäß § 371 ABGB gutgläubig Eigentum am Papier erworben. Er habe die Anleihen bei einem Händler für historische Wertpapiere zu einem für historische Wertpapiere angemessenen Preis erworben. Dass diese den Stempel einer Bank aufgewiesen hätten, sei für die Gutgläubigkeit nicht von Relevanz. Daraus lasse sich lediglich schließen, dass die betreffenden Dokumente zu irgendeinem Zeitpunkt im Besitz dieser Bank gewesen seien. Dass die Anleihen nicht Eigentum des Verkäufers gewesen seien, lasse sich daraus nicht ableiten. Dass es dem Kläger gelungen sei, eine größere Stückzahl mit fortlaufenden Nummern zu erwerben, wobei der Käufer seine Quelle nicht bekannt gegeben habe, führe nicht zu Zweifeln am Eigentum am Papier. Selbst wenn er den Verkäufer auf eine allfällige Werthaltigkeit angesprochen hätte und dieser die Ansicht des Klägers über die Werthaltigkeit nicht geteilt hätte, würde sich nichts ändern, lasse dies doch nicht darauf schließen, dass jener nicht berechtigt gewesen wäre, die Papiere zu verkaufen.

Der Kläger könne auch die Rechte aus dem Papier geltend machen. Bei den von einer Bank angebrachten Stempeln handle es sich um keine Entwertung und auch keinen Hinweis auf eine solche, sondern um den (Depot‑)Vermerk einer Bank, der deren früheren Besitz an der Schuldverschreibung dokumentiere. Die bereits erfolgte Einlösung stehe einer Geltendmachung nicht entgegen, weil die von der Beklagten ausgestellten Papiere den Rechtsschein eines gültigen Wertpapiers böten. Die Beklagte habe den Rechtsschein geschaffen, dass das Papier eine gültige Verpflichtung repräsentiere. Die Beklagte hafte daher für die sich aus der Urkunde ergebende Verbindlichkeit, das sei das vom Kläger geltend gemachte Recht auf Auszahlung des Tilgungsbetrags.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO für zulässig, weil zur Frage der Haftung für nach Einlösung wieder in Umlauf gelangte Inhaberschuldverschreibungen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Die vom Kläger beantworteten Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie sind aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Wenn die Rechtsmittelwerber versuchen, Feststellungen zu bekämpfen, ist darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und eine Beweisrüge in dritter Instanz unzulässig ist (vgl RIS‑Justiz RS0069246).

2. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, handelt es sich bei der von der Beklagten ausgegebenen „Prämienanleihe 1985‑93/1“ um eine Inhaberschuld‑ verschreibung. Bei Inhaberschuldverschreibungen verbrieft allgemein das Papier den Anspruch auf Rückzahlung eines festen Geldbetrags und lautet auf Inhaber. Ganz allgemein ist der berechtigte Inhaber dieser Wertpapiere auch zur Geltendmachung der darin verbrieften Ansprüche berechtigt (8 Ob 19/04h mwN = ÖBA 2005/1312, 893 [ Oppitz ] = RIS‑Justiz RS0041394 [T5, T6]).

Zu beurteilen sind 14 Teilschuldverschreibungen der Anleihe der Beklagten. Der Begriff Teilschuldverschreibung verdeutlicht, dass eine Darlehensforderung in Teile zerlegt wird und diese Teilforderungen wertpapierrechtlich verbrieft werden. Der Gesamtbetrag der Darlehensforderung wird in kleinere Teilbeträge gestückelt. Die Urkunde über den jeweiligen Teilbetrag erhält der Zeichner des entsprechenden Anleihebetrags ( Roth , Grundriß des österreichischen Wertpapierrechts² 143).

3. Schuldscheine, die auf den Überbringer lauten (wozu Inhaberschuldverschreibungen zählen: Micheler , Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht [2004] 27; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ § 1393 ABGB Rz 12), werden gemäß § 1393 dritter Satz ABGB schon durch deren Übergabe abgetreten und bedürfen nebst ihrem Besitz keines anderen Beweises der Abtretung. Diese Bestimmung bringt zum Ausdruck, dass Rechte aus Inhaberpapieren grundsätzlich durch Übereignung des Papiers nach den für die Übereignung beweglicher Sachen geltenden Regeln übertragen werden ( Thöni aaO § 1392 ABGB Rz 16 mwN zur Judikatur; Ertl in Rummel ³ § 1392 ABGB Rz 2). Des Weiteren bedeutet diese Regelung, dass „nebst dem Besitz“ für die Berechtigung des Gläubigers kein anderer Beweis erforderlich ist. Jeder Besitzer gilt daher als Gläubiger, das Papier ist ein ausreichendes Beweismittel für die Berechtigung ( Thöni aaO § 1393 ABGB Rz 12; Micheler aaO 28, 40 f, je mwN).

4. Für Schuldverschreibungen auf den Inhaber (als Inhaberpapiere: 8 Ob 19/04h) ist gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten nach § 371 ABGB („auf den Überbringer lautende Schuldbriefe“) möglich ( Roth aaO 143; Micheler aaO 52 ff). Nach § 371 zweiter Fall ABGB erwirbt der redliche Empfänger von Geld oder eines Inhaberpapiers daran Eigentum, sofern nur die allgemeinen Voraussetzungen der Übereignung, also Rechtsgrund und Übergabe, erfüllt sind (vgl 4 Ob 569/88 = SZ 61/158 = ÖBA 1989/144, 428 [ Kerschner ]). Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist dafür das Vorliegen einer der drei Alternativen des § 367 ABGB ‑ Erwerb vom Unternehmer, Vertrauensmann oder in einer Versteigerung ‑ nicht erforderlich (4 Ob 569/88 = ÖBA 1989/144, 428 [insofern zust Kerschner ]; Eccher/Riss in KBB 4 § 371 ABGB Rz 3; Koziol/Welser , Bürgerliches Recht 13 I [2006] 336; Illedits in Schwimann, ABGB‑TaKom² § 371 Rz 3; Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 371 Rz 3; Holzner in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 371 Rz 3; Spielbüchler in Rummel ³ § 371 ABGB Rz 3; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ § 371 ABGB Rz 32; Karner , Gutgläubiger Mobiliarerwerb [2006] 148). Nach den Feststellungen hat der Kläger die Teilschuldverschreibungen gekauft und damit gegen Entgelt erworben.

4.1. Strittig ist in der Literatur, welcher Sorgfaltsmaßstab beim redlichen Erwerb von Geld oder Inhaberpapieren nach § 371 ABGB anzulegen ist.

Ein Teil der Lehre ( Spielbüchler aaO; Holzner aaO; Klicka/Reidinger aaO § 371 ABGB Rz 4; Klang in Klang² II 232) bestimmt die erforderliche Redlichkeit des Erwerbers auch bei § 371 zweiter Fall ABGB nach §§ 367 f ABGB. Demnach schade bereits leichte Fahrlässigkeit. Diesen Standpunkt vertritt die Beklagte.

4.2. Der andere Teil der Lehre ( Karner aaO 397 f, 401, 408 f, 418 mwN; Eccher/Riss aaO; wohl auch Leupold aaO § 371 ABGB Rz 38; Micheler aaO 57 f) verneint die Gutgläubigkeit des Erwerbers erst ab ‑ objektiv beurteilter ‑ grober Fahrlässigkeit. Da nach Art 16 Abs 2 WG, Art 21 ScheckG und § 365 Abs 1 UGB der Erwerber eines abhanden gekommenen Wechsels, Schecks oder einer kaufmännischen Anweisung nur dann zur Herausgabe verpflichtet sei, wenn er zumindest grob fahrlässig vorgegangen sei, müsse dies kraft Größenschluss umso mehr für die noch umlauffreudigeren Inhaberpapiere und Geldmittel gelten. Diesen Standpunkt legt die Nebenintervenientin zu Grunde.

4.3. Welcher Maßstab der Redlichkeit § 371 zweiter Fall ABGB zu Grunde liegt, braucht hier nicht geklärt zu werden, weil dem Kläger selbst leichte Fahrlässigkeit nicht anzulasten ist. Gemäß § 328 ABGB streitet die Vermutung für die Redlichkeit des Besitzes (und damit für den Kläger als Papierinhaber); die Unredlichkeit hat die Beklagte zu beweisen (vgl § 368 Abs 2 ABGB; RIS‑Justiz RS0010186; RS0041395; RS0062464; wohl auch Avancini in Avancini/Koziol/Iro , Österreichisches Bankvertragsrecht I [1987] Rz 9/29). Ob der Verkäufer selbst redlich ist, ist für den Eigentumserwerb unerheblich. Eine allgemeine Nachforschungspflicht besteht für den Erwerber nicht, es sind nur dann Erkundigungen einzuziehen, wenn besondere Verdachtsmomente vorliegen. Die im Einzelfall anzustellenden Sorgfaltspflichten sind umso größer, je stärker die Verdachtsmomente sind (RIS‑Justiz RS0010168 [T3]).

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen kaufte der Kläger im Jahr 2012 von Personen, die Handel mit historischen Wertpapieren betrieben, 18 Teilschuldverschreibungen. Der genaue Ablauf des Erwerbsvorgangs ist nicht mehr festzustellen. Eine weitere Teilschuldverschreibung hatte er bereits 2004 in einem Auktionshaus gekauft. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Erwerb solcher Anleihen lange nach deren Fälligkeit nicht per se verdächtig ist, ist nicht zu beanstanden. Dass der offenbar fachkundige Kläger die Schuldverschreibungen bereits bei ihrem Ankauf mangels Entwertungsvermerks für werthaltig hielt, macht den Erwerb nicht verdächtig. Der Kläger erwarb die Teilschuldverschreibungen zu einem Bruchteil des Nominales, was nicht ungewöhnlich ist, entspricht es doch der Lebenserfahrung, für historische Anleihen nicht den Nominalwert zu zahlen. Aus dem günstigen Kaufpreis der Teilschuldverschreibungen konnte der Kläger eventuell darauf schließen, dass die Verkäufer über deren wahren Wert im Unklaren waren, nicht aber darauf, dass sie nicht deren berechtigte Inhaber waren. Dass der Stempel der A***** Bank mit entsprechender Aufschrift und Zahlenkombination nicht auf die Einlösung im Jahr 1993 hinweist, sondern nur darauf schließen lässt, dass die Papiere zu irgendeinem Zeitpunkt im Besitz dieser Bank waren, legte bereits das Berufungsgericht zutreffend dar. Aus den Teilschuldverschreibungen ergibt sich nicht, dass die Beklagte diese bereits einmal eingelöst hat. Nach der Einlösung wurden sie weder durch einen Vermerk noch durch sonstige Merkmale für den Verkehr unbrauchbar gemacht. Dass die Fälligkeit für die Rückzahlung des Nominalbetrags bereits 1993 eintrat, musste der Kläger nicht dahin verstehen, dass die in den Teilschuldverschreibungen verbrieften Verbindlichkeiten bereits zurückgezahlt wurden. Vielmehr ist es der Sphäre der Beklagten zuzurechnen, dass die aus ungeklärten Gründen neuerlich in den Verkehr gelangten Teilschuldverschreibungen nicht bereits entwertet wurden. Da der Kläger beim Erwerb der Wertpapiere redlich war, hat er gemäß § 371 ABGB gutgläubig Eigentum an den Inhaberschuldverschreibungen erworben, und zwar unabhängig von der Frage, ob nicht schon Ing. Alexander W*****, der die Teilschuldverschreibungen als Teil eines Konvoluts verschiedener alter Wertpapiere auf einem Flohmarkt um einen relativ geringen Preis gekauft hatte, gemäß § 371 zweiter Fall ABGB gutgläubig Eigentum erworben hatte.

5. Von der Frage des gutgläubigen Erwerbs der Rechte aus Inhaberpapieren gemäß § 371 ABGB ist die Frage zu unterscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte als Schuldnerin dem durch das Papier Legitimierten rechtswirksam begründete Einwendungen entgegensetzen kann.

5.1. Die herrschende Lehre ( Wolff in Klang² VI 306; weitere Nachweise bei Thöni aaO § 1393 ABGB Rz 13 und Micheler aaO 44 ff: die beiden Letzteren sehen abweichend beispielsweise die Grundlage der Nichtgeltung des § 1395 ABGB im Gewohnheitsrecht) schließt aus der Formulierung in § 1393 dritter Satz ABGB „werden schon durch die Übergabe abgetreten“, dass die Regeln der Zession (§§ 1394 ff ABGB) in ihrer Gesamtheit auf Inhaberpapiere nicht zur Anwendung gelangen.

5.2. Ein Teil der österreichischen Lehre (Nachweise bei Micheler aaO 78 f; Roth aaO 144) wendet mit Abweichungen im Detail Art 17 WG analog als Rechtsgrundlage für die Beschränkung von Einwendungen aus Inhaberpapieren an. So argumentiert Mayrhofer/Ehrenzweig (Schuldrecht Allgemeiner Teil³ [1986] 240), dass sich der Aussteller, sofern er bereits bezahlt hat, auf die Zahlung unter anderem dann berufen könne, wenn der Inhaber das Papier in Kenntnis des Umstands erworben hat, dass sein Vormann bereits Zahlung erhalten hat. Er verweist in diesem Zusammenhang auf Art 22 ScheckG und Art 17 WG (aaO FN 31: „bewusst zum Nachteil des Schuldners“).

5.3. Micheler (aaO 80 ff [speziell 85 ff]) leitet aus verschiedenen Bestimmungen des ABGB (§§ 367, 371, 668, 985 und 1393) die gesetzgeberische Wertung ab, dass Rechte aus Inhaberpapieren im besonderen Maß für den Umlauf bestimmt sind und diese Zweckbestimmung von der Rechtsordnung anerkannt wird. Aus diesem Grund löse auch der von diesen Papieren ausgehende Rechtsschein Rechtsfolgen aus. Der Rechtsverkehr gehe davon aus, dass das Papierdokument den Inhalt der Rechte der Anleger von Inhaberschuldverschreibungen vollständig wiedergebe. Einwendungen, die nicht im Dokument genannt würden und auf die auch nicht verwiesen werde, würden nicht gelten. In diesem Sinn gewährt Wolff (in Klang² VI 306 f) dem Schuldner Einwendungen, die das Erlöschen der Forderung feststellen, nur, falls diese aus dem Inhaberpapier selbst ersichtlich sind. So müsse die bereits erfolgte Zahlung auf der Inhaberschuldverschreibung quittiert werden.

5.4. Die Nebenintervenientin releviert, dass die Beklagte als Ausstellerin dem Kläger als Inhaber der Teilschuldverschreibungen entgegenhalten könne, dass die in den Inhaberschuldverschreibungen verbriefte Forderung bereits erfüllt wurde.

Unabhängig davon, welcher der zu Punkt 5.2. und 5.3. in der Lehre vertretenen Rechtsansichten gefolgt wird, kann die Beklagte mit diesem Einwand nicht durchdringen. Weder wurde behauptet, noch steht fest, dass der Kläger beim Erwerb davon Kenntnis gehabt hätte, dass die A***** Bank die Teilschuldverschreibungen bereits eingelöst erhielt, noch ist diesen in irgendeiner Form ein Hinweis auf die erfolgte Einlösung zu entnehmen. Damit kommt der Einwendung der Beklagten gegen die Gültigkeit der Inhaberschuldverschreibungen keine Berechtigung zu.

6. Den Revisionen ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Nebenintervenientin trifft keine Kostenersatzpflicht; für die Kosten der Revisionsbeantwortung ihr gegenüber ist die Beklagte ersatzpflichtig (RIS‑Justiz RS0035816; RS0036057). Dem Kläger sind aber nur die Kosten einer Revisionsbeantwortung zu ersetzen, weil ihm bei Erstattung der ersten Beantwortung die Revisionen beider Gegner bereits zugestellt waren und auch nicht vorgebracht wurde, weshalb dennoch ‑ ausnahmsweise ‑ keine Verbindung möglich gewesen wäre.

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