OGH 1Ob130/24k

OGH1Ob130/24k25.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei H*, geboren am *, vertreten durch Dr. Markus Moser, Rechtsanwalt in Imst, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei J*, geboren am *, vertreten durch Dr. Walter Platzgummer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung (hier wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit b 2. Fall EO) über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. Juli 2024, GZ 3 R 126/24m-45, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00130.24K.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Exekutionsrecht, Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht erließ im Scheidungsverfahren eine einstweilige Verfügung gemäß § 382 Z 8 lit b 2. Fall EO, mit der es dem Mann die Veräußerung und Belastung von drei Liegenschaften verbot und die Verbücherung eines Veräußerungs- und Belastungsverbots anordnete. Der Mann habe diese Liegenschaften zwar in die Ehe eingebracht, allerdings seien während dieser weitere Grundstücke dazu erworben und diesen Liegenschaften zugeschrieben worden. Auf einer Liegenschaft habe sich die Ehewohnung befunden. Da der Mann sonst kein Vermögen besitze und er beabsichtige, seinen Grundbesitz seinem Sohn aus erster Ehe zu übertragen, sei eine Sicherung des insoweit gefährdeten Aufteilungsanspruchs der Frau notwendig.

[2] Das Rekursgericht wies den Provisorialantrag ab und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[3] Da die Frau kein Vorbringen erstattet habe, dass und warum die von ihrem Antrag betroffenen Liegenschaften als eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse der nachehelichen Aufteilung unterlägen, seien die dazu getroffenen erstinstanzlichen Feststellungen (insbesondere zu den nach Eheschließung erworbenen Grundstücken) „überschießend“ und nicht zu berücksichtigen. Der Sicherungsantrag sei daher schon mangels erforderlicher Darlegungen zu den Voraussetzungen der beantragten Sicherungsmaßnahmen abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Frau ist nicht zulässig:

[5] 1. Die Behauptungen der gefährdeten Partei stellen die Grenzen dar, in deren Rahmen zu prüfen ist, inwieweit eine einstweilige Verfügung erlassen werden kann. Das Gericht hat nicht von Amts wegen auf die Stoffsammlung oder ergänzendes Vorbringen zu dringen (RS0005452). Da eine Sicherungsverfügung nach § 382 Z 8 lit b 2. Fall EO nur Vermögensgegenstände betreffen kann, die gemäß den §§ 81 ff EheG (zumindest teilweise; 1 Ob 80/12i) der Aufteilung unterliegen (RS0037061 [T4]; siehe auch [T2] zu einem Veräußerungs- und Belastungsverbot als Sicherungsmaßnahme), muss der Antragsteller darlegen (und in der Folge bescheinigen), dass sich sein Sicherungsbegehren auf solche bezieht (RS0006075 [T3]; RS0037061 [T2]).

[6] 2. Im Beweisverfahren (hier: Bescheinigungsverfahren) hervorgekommene Umstände dürfen einer Entscheidung nur zugrunde gelegt werden, wenn sie im Parteivorbringen Deckung finden. Auf durch Vorbringen nicht gedeckte („überschießende“) Feststellungen darf sich das Gerichtnur stützen, wenn sich diese im Rahmen des geltend gemachten Anspruchsgrundes oder der dagegen erhobenen Einwendungen halten (RS0040318). Ob dies zutrifft, ist – ebenso wie die Frage, ob eine Partei bestimmte Tatsachen behauptet hat (RS0042828) – im Einzelfall zu beurteilen und wirft daher typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0040318 [T3]).

[7] 3. Die Frau begründete ihren Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung nur damit, dass ihr ein Anspruch nach §§ 81 ff EheG zustehe und der Mann beabsichtige, seine Liegenschaften an seinen Sohn aus erster Ehe zu übertragen. Dass das Rekursgericht dies als unzureichend ansah, um die (zumindest teilweise) Zugehörigkeit dieser Liegenschaften zur aufzuteilenden Vermögensmasse darzulegen, bedarf keiner Korrektur. Da auch das weitere Vorbringen der Frau nicht hinreichend klar erkennen ließ, warum es sich bei den vom Sicherungsantrag betroffenen Liegenschaften um eheliche Ersparnisse oder um eheliches Gebrauchsvermögen im Sinn des § 81 EheG handle, ist es insgesamt vertretbar, dass das Rekursgericht diesen mangels erforderlichen Sachvorbringens (sohin wegen Unschlüssigkeit) abwies.

[8] 4. Der Revisionsrekurs weckt keine Bedenken an der angefochtenen Entscheidung:

[9] 4.1. Dem Argument, es fehle Judikatur zur Frage „der exakten Bestimmtheit eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß [richtig] § 382 Z 8 lit b 2. Fall EO“, ist zu entgegnen, dass ein solcher Antrag – wie dargelegt – zumindest auch Angaben zur Zugehörigkeit des betroffenen Gegenstands zur Aufteilungsmasse enthalten muss. Dass das Rekursgericht bei der Auslegung des Antragsvorbringens und Beurteilung der Frage, ob die erstinstanzlichen Feststellungen von diesem gedeckt waren, von (grundsätzlicher) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen wäre, ist nicht ersichtlich. Eine konkrete – im Einzelfall korrekturbedürftige – Fehlbeurteilung wirft die Frau der zweiten Instanz gar nicht substanziiert vor. Ihre pauschale Behauptung, der als bescheinigt angenommene Sachverhalt liege „eindeutig im Rahmen des Vorbringens“, lässt keine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge erkennen (RS0043603 [insb T6, T12]). Die Parteiaussage ersetzt das erforderliche Tatsachenvorbringen entgegen dem Standpunkt der Revisionsrekurswerberin nicht (RS0038037; RS0040318 [T7]); dies gilt grundsätzlich auch für im Verfahren vorgelegte Urkunden (RS0038037 [T7, T19]; RS0001252).

[10] 4.2. Dass der Frau eine Bescheinigung der Gefährdung ihres Aufteilungsanspruchs gelungen sei, geht an der maßgeblichen Begründung des Rekursgerichts zum fehlenden Sachvorbringen (zur Einbeziehung der vom Sicherungsantrag umfassten Liegenschaften in die Aufteilungsmasse) vorbei.

[11] 4.3. Dass der erstinstanzliche Beschluss allenfalls nur aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen gewesen wäre, zielt darauf ab, dass der Frau die Möglichkeit zur Verbesserung ihres Antragsvorbringens zu geben gewesen wäre. Eine solche Vorgehensweise hätte jedoch dem Wesen des Provisorialverfahrens widersprochen (RS0005452 [T15]).

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