OGH 1Ob113/13v

OGH1Ob113/13v18.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. K***** K*****, vertreten durch Mag. Roland Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei G***** K*****, vertreten durch Mag. Christian August Hacker, Rechtsanwalt in Graz, wegen Einräumung einer Dienstbarkeit, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 28. Februar 2013, GZ 5 R 155/12v-20, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Voitsberg vom 28. Juni 2012, GZ 3 C 176/11h-16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

II. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Einrede der Rechtskraft verworfen wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.365,41 EUR (darin enthalten 227,57 EUR USt) bestimmten Kosten des darüber geführten Zwischenstreits zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien waren jeweils zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. 1. 2002, AZ 18 Cg 143/00z, wurde die Miteigentümergemeinschaft durch Realteilung aufgehoben. Der Kläger beantragte in der Folge die exekutive Umsetzung dieses Urteils im Sinn des § 351 EO. Im Exekutionsverfahren erstatteten beide Parteien Teilungsvorschläge, ebenso der vom Exekutionsgericht erster Instanz bestellte Sachverständige. Den Parteien wurden in diesem Verfahren verschiedene Grundstücke aus der Liegenschaft (EZ 52) zugewiesen. Aufgrund des Beschlusses des Exekutionsgerichts vom 4. 1. 2007, GZ 7 E 36/02t-61, wurde der Kläger Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 52 (neu) mit den Grundstücken Nr .94, 361, 392/1, der Beklagte Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 517 (neu) mit den Grundstücken Nr 359/1, 359/2, 359/3, 359/5, 362, 363/1 und 364/1. Im Exekutionsverfahren hatte das Erstgericht zugunsten der Grundstücke des Klägers die Begründung der Dienstbarkeit des uneingeschränkten Geh- und Fahrrechts auf den Grundstücken des Beklagten 359/5 und 359/2 über einen im Servitutsplan des Sachverständigen gekennzeichneten Weg angeordnet. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz hob als Rekursgericht mit Beschluss vom 3. 8. 2007, AZ 4 R 95/07f, die Begründung der Servitut zu Lasten des Grundstücks Nr 359/2 ersatzlos auf, weil der Servitutsweg ohnehin über das Grundstück des Klägers Nr 361 führe. Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs des Beklagten mit Beschluss vom 27. 11. 2007, AZ 3 Ob 214/07b, mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO zurück. In seiner Revisionsrekursbeantwortung hatte der Kläger dargelegt, dass der Servitutsweg nur auf dem Grundstück Nr 361 verlaufe und die Servitut deshalb nicht zu Lasten des Grundstücks Nr 359/2 begründet werden könne.

Der Kläger ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 328 mit dem Grundstück 392/4 und Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 347 mit den Grundstücken Nr 359/7 und 359/8.

Mit der am 22. 9. 2011 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Einwilligung des Beklagten in die grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf dem Grundstück Nr 359/2 in EZ 517 zugunsten der Grundstücke Nr 361, 392/1 und 94 in EZ 52, der Grundstücke Nr 359/7 und 359/8 in EZ 347 sowie des Grundstücks Nr 392/4 in EZ 328. Im Realteilungsexekutionsverfahren seien die Gerichte zu Unrecht davon ausgegangen, dass jener Weg, der für die Zufahrt zu seinen Grundstücken nötig sei, zur Gänze auf seinem Grundstück Nr 361 verlaufe und deshalb die Begründung einer Wegeservitut zu Lasten des Grundstücks Nr 359/2 des Beklagten ausgeschlossen sei. Der richtige Verlauf des Weges sei aus dem im Exekutionsverfahren vom Sachverständigen erstellten Servitutsplan nicht erkennbar gewesen. Gestützt auf das Ergebnis des rechtskräftig abgeschlossenen Realteilungsverfahrens verwehre ihm der Beklagte die Ausübung des Wegerechts auf dem Grundstück Nr 359/2. Er könne nicht mehr zu seinen Grundstücken fahren. Da das Grundstück des Beklagten auch nach der durchgeführten Realteilung offenkundig der Zufahrt zu seinen Grundstücken diene, sei nach Aufhebung der Eigentümeridentität stillschweigend eine Servitut begründet worden. Er sei auch Alleineigentümer der EZ 328 und Miteigentümer der EZ 347. Beide Liegenschaften seien seit jeher über den strittigen Weg erschlossen worden. Er stütze das Klagebegehren auf das Ergebnis des Realteilungsverfahrens, sowie auf jeden Rechtsgrund, insbesondere auf Ersitzung durch die zumindest 30 Jahre lang erfolgte Benutzung des Weges.

Der Beklagte erhob den Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache und verwies in der Sache selbst auf das Bestehen einer anderen Zufahrtsmöglichkeit.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Der Kläger erhebe inhaltlich dasselbe Begehren, das Gegenstand des Realteilungsexekutionsverfahrens gewesen sei, weshalb das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache vorliege.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs zu. In der rechtlichen Beurteilung schloss es sich der Rechtsauffassung des Erstgerichts an.

Rechtliche Beurteilung

I. Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei ist verspätet.

Der Revisionsrekurs des Prozessgegners wurde der beklagten Partei am 29. 5. 2013 zugestellt. Ihre Revisionsrekursbeantwortung wurde entgegen dem im Revisionsrekursverfahren sinngemäß anzuwendenden (§ 528 Abs 2a und Abs 3 ZPO) § 507a Abs 3 Z 1 ZPO nicht beim Rekursgericht, sondern (am 11. 6. 2013) beim Erstgericht eingebracht. Entscheidend für die Einhaltung der 14-tägigen Revisionsrekursbeantwortungsfrist (§ 521a Abs 1 iVm Abs 2 ZPO), die in diesem Fall am 12. 6. 2013 endete, war aber das Einlangen beim Rekursgericht (vgl RIS-Justiz RS0043678) am 13. 6. 2013.

II. Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt.

1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass zwischen der Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft, die eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung über die bereits entschiedene Hauptfrage verhindert, und der Bindungswirkung zu unterscheiden ist, die den Folgeprozess zwar nicht unzulässig macht, es dem Gericht aber verbietet, die im Vorprozess als Hauptfrage rechtskräftig entschiedene Vorfrage selbstständig zu beurteilen (8 Ob 126/12f = EvBl 2013/82, 559 [Schneider] mwN; vgl Fasching/Klicka in Fasching/Konecny 2 § 411 ZPO Rz 15 f).

2. Die Zurückweisung einer Klage wegen der Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft setzt im Sinn der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0039347; vgl RS0041340) Identität des Anspruchs, der Parteien und des rechtserzeugenden Sachverhalts voraus. Bei identischem Begehren greift die Einmaligkeitswirkung dann ein, wenn die rechtlich relevanten Tatsachenbehauptungen im Folgeprozess im Kern dem festgestellten rechtserzeugenden Sachverhalt des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses entsprechen (RIS-Justiz RS0039347 [T32]).

2.1. In diesem Fall liegt zwar Parteienidentität vor, nicht aber ein identischer Anspruch:

In dem auf das streitige Realteilungsverfahren folgenden Exekutionsverfahren wurde ein rechtsgestaltender (vgl 3 Ob 52/02x = SZ 2002/90; RIS-Justiz RS0118839) Teilungsbeschluss nach § 351 Abs 2 EO gefasst, mit dem den Parteien einzelne Grundstücke ins Alleineigentum zugewiesen und auch ausgesprochen wurde, in welchem Umfang Wegeservituten begründet werden sollten. In diesem Verfahren erstatteten die Parteien das Gericht nicht bindende (RIS-Justiz RS0004282) Teilungsvorschläge. Über solche Vorschläge wird nicht in Form einer Stattgebung oder Abweisung mit Rechtskraftwirkung entschieden. Derartige Vorschläge haben schon deshalb keine einem im streitigen Verfahren erhobenen Sachantrag, der hier auf die Einwilligung in die Einverleibung von Wegeservituten gerichtet ist, vergleichbare Rechtsqualität. Die Vorinstanzen haben zudem außer Acht gelassen, dass sich das Klagebegehren auch auf die Einverleibung der Servitut zugunsten der Liegenschaften des Klägers EZ 347 und 328 bezieht, die nach dem Beschluss des Exekutionsgerichts vom 4. 1. 2007 gar nicht Gegenstand der Realteilung waren. Laut Grundbuch erwarben der Kläger und die zweite Hälfteeigentümerin ihr Eigentumsrecht an der Liegenschaft EZ 347 jeweils aufgrund eines Kaufvertrags vom 19. 6. 1989, das alleinige Eigentumsrecht des Klägers an der EZ 328 wurde aufgrund einer Einantwortungsurkunde aus dem Jahr 1978 eingetragen. Der Kläger behauptet in der vorliegenden Klage auch nicht ausschließlich die Unrichtigkeit des im Exekutionsverfahren erzielten Ergebnisses. Vielmehr bringt er als neue rechtserzeugende Tatsachen eine zumindest 30-jährige Benutzung des Weges (Ersitzung) sowie die offenkundige Notwendigkeit der Benutzung ins Spiel. Es ist daher insgesamt schwer verständlich, dass die Vorinstanzen in diesem Fall vom Vorliegen des Prozesshindernisses der rechtskräftig entschiedenen Sache ausgingen und die Klage deshalb zurückwiesen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 Satz 3 iVm §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat in diesem Zwischenstreit über die Einrede der Rechtskraft obsiegt, weshalb ihm sein Prozessgegner die Kosten der allein diesem Streit zuzuordnenden Prozesshandlungen zu ersetzen hat (vgl 4 Ob 172/12s mwN = RIS-Justiz RS0035955 [T12]). Das sind der Rekurs und der Revisionsrekurs des Klägers, nicht aber seine Prozesshandlungen in erster Instanz, die auch im Verfahren über die Hauptsache verwertbar und daher im Zwischenstreit nicht zu entlohnen sind. Für seine Rechtsmittel steht ihm keine Pauschalgebühr nach TP 2 Z 1 und TP 3 Z 1 GGG zu.

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