Spruch:
Aus Anlaß des Rekurses wird der Beschluß des Berufungsgerichtes und das ihm vorangegangene Verfahren beider Instanzen als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens sämtlicher Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Begründung
Der Kläger leistete im Februar 1983 in der Wallner-Kaserne in Saalfelden seinen Grundwehrdienst ab. Am 21.2.1983 schneite es. Gegen Mittag kam der Kläger im Kasernengelände auf der im Freien gelegenen, vom Speisesaal in den Hof führenden 2,4 m breiten Treppe auf den letzten beiden Stufen zu Sturz.
Der Kläger begehrt unter Anerkennung eines Mitverschuldens von einem Viertel an Schmerzengeld den Betrag von S 25.500 samt Anhang und die Feststellung, daß die beklagte R*** Ö*** ihm für alle Unfallsfolgen (zu drei Vierteln) hafte. Er sei durch den Sturz schwer verletzt worden. Die Verantwortlichen der beklagten Partei hätten die notwendige Streuung unterlassen, diese sei erst nach seinem Unfall durchgeführt worden. Die beklagte Partei müsse sich das Verschulden ihrer Organe anrechnen lassen.
Die beklagte Partei wendete ein, sie habe interne Dienstvorschriften über die Reinigung und Streuung der von ihr gehaltenen Gehwege erlassen. Die Militärkommanden seien angewiesen worden, für die regelmäßige Reinigung und Streuung bei Glatteise Sorge zu tragen. Sie bedienten sich hiebei der Kasernenkommandanten und der Leiter der Kasernenverwaltung, denen die Organisation der Schneeräumung und der Streuung bei Glatteis obliege. Aufgrund dieser Vorschriften sei die Wallner-Kaserne in mehrere Streubereiche geteilt und einzelnen Kompanien zur Räumung zugewiesen worden. Die Befolgung des Räum- und Streuauftrages sei regelmäßig überprüft worden. Zum Unfallszeitpunkt habe es derart heftig geschneit, daß der Räum- und Streudienst im Dauereinsatz gestanden sei. Streugut sei durch Neuschnee immer wieder überdeckt worden. Die Organe der beklagten Partei hätten alle zur Abwendung allfälliger Gefahren erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen sorgfältig getroffen. Das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalles liege beim Kläger, er hätte seinen Schritt den herrschenden Schneeverhältnissen anpassen und die am Stiegenaufgang befindlichen Griffstangen benützen müssen. Die Höhe des begehrten Schmerzengeldes wurde bestritten; ein Feststellungsinteresse sei nicht gegeben, weil der Kläger eine Wirbelsäulenverletzung nicht erlitten habe. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Als Rechtsgrund für das gestellte Begehren komme nur § 1319 a ABGB in Betracht. Grobe Fahrlässigkeit könne aber der beklagten Partei nicht angelastet werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge; es hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug ihm die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung auf. Das Amtshaftungsgesetz komme nicht zur Anwendung, weil das behauptete Verhalten nicht in Vollziehung der Gesetze erfolgt sei. Der beklagten Partei stehe das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG nicht zu. Der Kläger sei auch ohne vorsätzliche Schädigung berechtigt, ein Schmerzengeldbegehren aufgrund eines schuldhaft herbeigeführten Unfalles zu stellen. § 1319 a ABGB könne nicht angewendet werden; vielmehr hafte die beklagte Partei aufgrund der sie treffenden allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. Derjenige, der auf Grundstücken einen Verkehr eröffne, habe im Rahmen des Zumutbaren die Verkehrsteilnehmer vor Gefahren zu schützen. Es wäre daher Sache der beklagten Partei gewesen nachzuweisen, daß sie die zumutbaren Maßnahmen gesetzt habe. Dies habe sie zwar behauptet, das Beweisergebnis habe aber nicht ausgereicht, dieses Vorbringen auch als richtig festzustellen. Für eine Haftung nach § 1313 a ABGB reiche es aus, daß zwischen dem Haftpflichtigen und dem Geschädigten ein Schuldverhältnis bestehe. Verpflichtungen öffentlichen Rechtes kämen solchen des Privatrechtes gleich, wenn sie einer von vornherein bestimmten Person gegenüber bestünden. Der Kläger habe nach § 50 WehrG Anspruch auf Verpflegung und Fürsorge gehabt. Dieser Anspruch beinhalte bereits den sicheren Zugang und Abgang. Aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung habe die beklagte Partei gegenüber dem wehrpflichtigen Kläger die Pflicht zur Streuung des Zu- und Abganges getroffen. Die beklagte Partei habe durch ihre Erfüllungsgehilfen eine dem Kläger gegenüber bestehende Sicherungspflicht verletzt. Den Nachweis der Unzumutbarkeit und Schuldlosigkeit habe sie nicht erbracht. Sie sei somit grundsätzlich für dadurch entstandene Schäden ersatzpflichtig. Da der Kläger aber den Handlauf nicht benützt habe, treffe ihn ein gleichteiliges Mitverschulden. Die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche werde zu überprüfen sein.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß des zulässigen Rekurses der beklagten Partei ist vom Obersten Gerichtshof die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtende Unzulässigkeit des Rechtsweges wahrzunehmen. Die Erfüllung der dem Bundesheer übertragenen gesetzlichen Aufgaben geschieht grundsätzlich in Vollziehung der Gesetze (EvBl. 1979/53; SZ 45/42; Loebenstein-Kaniak AHG 2 86, 258). Wenn eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist, sind auch alle mit ihrer Durchführung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (SZ 55/17). Nach § 1 Abs.1 WehrG ist jeder österreichische Staatsbürger männlichen Geschlechts nach Maßgabe des Wehrgesetzes wehrpflichtig. Dem Bundesheer gehören gemäß § 1 Abs 3 Z 1 WehrG unter anderem Personen, die zum ordentlichen Präsenzdienst einberufen sind, vom Beginn des Tages, an dem sie einberufen wurden, bis zum Ablauf des Tages, an dem sie entlassen werden, an. Der Kläger leistete zum Unfallszeitpunkt im Rahmen des ordentlichen Präsenzdienstes seinen Grundwehrdienst gemäß § 27 Abs 2 WehrG ab. Der Kläger unterlag während des Pflicht aller wehrfähigen männlichen Bürger des Staates bildenden ordentlichen Präsenzdienstes einem hoheitlichen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis, kraft dessen er grundsätzlich zum Dienst in allen Teilen des Bundesheeres verpflichtet war (§ 44 Abs 2 WehrG) sowie die Befehle der Vorgesetzten pünktlich und genau zu befolgen und allen ihren Weisungen zu gehorchen hatte (§ 44 Abs 3 WehrG);
Gehorsamsverweigerungrund jede andere Verletzung militärischer Pflichten konnten unter anderem nach strafrechtlichen Vorschriften, dem Wehrgesetz und nach dem Heeresdisziplinargesetz 1956, BGBl Nr 151 in der geltenden Fassung, geahndet werden. Das Bundesheer bildet somit einen Verband, in dem alle Angehörigen einer einheitlichen Befehlsgewalt unterliegen. Es liegt ein juristisches System vor, das durch die Befehlsgebung in seinen Teilen zusammengehalten wird (Pernthaler, Der Rechtsstaat und sein Heer 74). Der besonderen Gehorsamspflicht des Klägers entsprach die Fürsorgepflicht seiner militärischen Vorgesetzten (§ 4 Abs 1 ADV; (Pernthaler aaO) und deren Verpflichtung, die Untergebenen vor vermeidbaren Schäden zu bewahren (vgl § 4 Abs 3 ADV; vgl Pernthaler aaO 84). Die österreichische Wehrverfassung behandelt den Soldaten ähnlich wie Beamte (Pernthaler aaO 175) und steht zu ihnen in einer ausschließlich öffentlich-rechtlichen Beziehung. Es wurde daher nie bezweifelt, daß rechtswidriges schuldhaftes Verhalten von Organen im Rahmen der Vollziehung wehrgesetzlicher Vorschriften Präsenzdienern gegenüber nur Amtshaftungsansprüche auslösen kann (Pernthaler aaO 235). So wurde Präsenzdienern, die bei Verkehrsunfällen im Rahmen des Dienstes verletzt wurden, Schmerzengeld und Verdienstentgang nach § 1 AHG zuerkannt (JBl 1968, 479; SZ 33/63); verletzte ein Vorgesetzter anläßlich des Übens mit scharfen Handgranaten Ausbildungsvorschriften und wurde dadurch ein Präsenzdiener verletzt, wurde diesem Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes zuerkannt (EvBl 1976/233). Auch Küchendienst erfolgt in Vollziehung der Gesetze (EvBl 1979/53).
Keine anderen Grundsätze können für den nunmehr zu beurteilenden Fall gelten. Der Unfall des Klägers ereignete sich während der Ableistung seines Grundwehrdienstes in der Kaserne, in der er sich zur Erbringung seiner Dienstleistung aufhalten mußte, anläßlich eines mit der Einnahme einer Mahlzeit verbundenen Weges. Der Aufenthalt eines Grundwehrdieners in der Kaserne geschieht nicht freiwillig, sondern ergibt sich aus den militärischen Erfordernissen; auch die Einnahme der Verpflegung durch ihn erfolgt im Rahmen der Ausübung seines Dienstes. Der Kläger benützte auch nicht, wie das Erstgericht annahm und nun auch der Rekurs meint, eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen, wenn auch nur von einem eingeschränkten Benützerkreis, benützt werden darf (§ 1319a Abs 2 ABGB); schon eine vertraglich übernommene Pflicht schließt die Anwendung des § 1319a ABGB aus (SZ 53/169; SZ 52/135 ua) und schon gar das Bestehen einer öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeit. Für den Kläger wurde aber auch nicht, wie das Berufungsgericht annahm, ein allgemeiner Verkehr eröffnet, der privatrechtliche Verkehrssicherheitspflichten zur Folge gehabt hätte. Der Kläger befand sich vielmehr in Erfüllung seiner Pflichten als Grundwehrdiener und damit in Erfüllung seiner sich aus der öffentlich-rechtlichen Beziehung zur beklagten Partei in deren Kaserne und sodann auf der in dieser befindlichen Stiege, auf der sich der Unfall ereignete. Die Verpflichtung der Vorgesetzten, und der von ihnen Beauftragten, für einen ordnungsgemäßen Zustand der Aufenthaltsräume, aber auch der Wege und Stiegen in der Kaserne zu sorgen, gehört zu den öffentlich-rechtlichen Fürsorgepflichten und ist eine mit der Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe in engem Zusammenhang stehende Nebenpflicht aus der allein bestehenden öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen dem Bund und den Grundwehrdienern. Wurde aber dem Kläger in Ausübung der Hoheitsverwaltung rechtswidrig und schuldhaft ein Schaden an seiner Person zugefügt, kann er die von ihm behaupteten Ansprüche nur auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes stützen und sie in dem dort vorgesehenen Verfahren geltend machen. Wohl wurde ausgesprochen, daß dann, wenn besondere, nicht auf Verschulden von Organen abgestellte Haftungsgrundsätze gelten, diese mit dem Inkrafttreten des Amtshaftungsgesetzes nicht beseitigt wurden (EKHG: SZ 56/133 mwN;
Loebenstein-Kaniak aaO 16; Nachbarrecht: SZ 38/106;
Loebenstein-Kaniak aaO 19). Anders liegt der Fall aber, wenn aus einer in Vollziehung der Gesetze gesetzten Handlung oder Unterlassung ein Schadenersatzanspruch behauptet wird. Hier liegt eine ausschließliche und abschließende Regelung im Amtshaftungsgesetz vor. Diese verdrängt die allgemeinen Schadenersatzbestimmungen, auf die dann ein Anspruch, sei es gegen das Organ, sei es gegen die juristische Person, für die es tätig wurde, nicht mehr gestützt werden kann (SZ 50/139;
Loebenstein-Kaniak aaO 17; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 I 342; vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts 12 II 687).
Kommt aber als einzige Anspruchsgrundlage für die Haftung der beklagten Partei ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten eines Organs im Sinne des § 1 AHG in Betracht, kann auch ein dann nicht mehr gerechtfertigter, auf die Schadenersatzbestimmungen des bürgerlichen Rechts gegründeter Anspruch nicht ohne Einhaltung der Vorschriften des Amtshaftungsgesetzes im Rechtsweg erhoben werden (SZ 50/139).
Dies führt zum Ergebnis, daß der Rechtsweg mangels Durchführung des im § 8 AHG zwingend vorgeschriebenen Aufforderungsverfahrens unzulässig ist (SZ 54/143; SZ 50/159; Loebenstein-Kaniak aaO 220). Darauf ist gemäß § 42 Abs.1 JN in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen.
Der Beschluß des Berufungsgerichtes und das ihm vorangegangene Verfahren sind als nichtig aufzuheben; die Klage ist zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 51 Abs. 2 ZPO. Die beklagte Partei hatte keine Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges erhoben.
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