OGH 1Ob103/04k

OGH1Ob103/04k1.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz G*****, und 2. Hildegard G*****, beide ***** vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde M*****, vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 2.128,69 EUR sA und Feststellung (Streitwert 21.801,85 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Februar 2004, GZ 12 R 210/03w-52, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die beklagte Partei bestreitet nicht, dass ihr eine Verkehrssicherungspflicht für den Betrieb der von ihr als Sportgerät zur Verfügung gestellten Rutsche obliegt. Demnach hatte sie die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Personenschäden zu verhindern. Der konkrete Inhalt der Verkehrssicherungspflichten und die Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt sind nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. In diesem Sinne ergangene Entscheidungen sind nur bei krasser Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht revisibel (1 Ob 300/03d;

RdM 2002, 56; 6 Ob 180/99k; MietSlg 51.182; 50.198; 2 Ob 2106/06m;

EFSlg 85.334). Sorgfaltspflichten dürfen nicht überspannt und die Grenzen des Zumutbaren nicht überschritten werden. Maßgeblich ist, in welchem Maß der Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann (2 Ob 41/02x; RdM 2002, 56; MietSlg 51.282; 50.198). Für die Sicherung von Gefahrenquellen ist umso mehr zu sorgen, je weniger angenommen werden kann, dass die von der Gefahr betroffenen Personen sich ihrerseits gegen Schädigungen vorzusehen und zu sichern wissen (8 Ob 57/85). Sofern die beklagte Partei meint, die mit der knieenden Rutschhaltung des Verletzten verbundene Gefahr sei weder diesem noch ihr erkennbar gewesen, irrt sie: Auf Hinweisschildern wurde nämlich klar festgehalten, dass lediglich in Rückenlage "mit Blickrichtung vorwärts" gerutscht werden dürfe (S 10 des Ersturteils). Die beklagte Partei hätte also den Zweck dieses Gebots hinterfragen und dann zum Schluss kommen müssen, dass das Verbot der Einnahme einer knieenden bzw stehenden Rutschposition wohl nur dem Schutz vor Verletzungen der oberen Extremitäten bzw des Kopfbereichs dienen kann, bedenkt man das Eintauchen in das bloß 1 m tiefe Wasser. Erkannte schon sie diese Gefahr trotz des von ihr deklarierten Verbots nicht oder wollte sie diese nicht wahrhaben, so konnte und durfte sie noch viel weniger mit der dafür erforderlichen Einsicht der (jugendlichen) Benutzer der Wasserrutsche rechnen. Die gewählte - unerlaubte - Rutschposition war gewiss (mit-)kausal für die Verletzung, wäre diese doch bei ordnungsgemäßem Rutschen keinesfalls eingetreten, wenngleich die Verletzung ohne "Köpfler" gleichfalls unterblieben wäre.

Soweit das Berufungsgericht im Einklang mit den zu 2 Ob 2106/96m und 7 Ob 2360/96a ergangenen Entscheidungen eine lückenlose Überwachung der Breitwasserrutsche forderte (S 28 ff des Berufungsurteils), hat es die Verkehrssicherungspflichten der beklagten Partei allerdings überspannt. Eine lückenlose Aufsicht in Schwimmbädern ist nicht üblich und auch nicht erforderlich. Dieser für die allgemeine Badeaufsicht maßgebliche Grundsatz gilt auch für die Aufsicht an besonderen Einrichtungen eines Bades wie beispielsweise Wasserrutschen. In Schwimmbädern drohen an vielen Stellen Gefahren, denen durch eine "allgegenwärtige Aufsicht" zu begegnen weder geboten noch möglich ist (vgl BGH Report 2004, 736 f). Auf die Divergenz der hier vertretenen Ansicht zu den zuvor zitierten Entscheidungen muss indes nicht näher eingegangen werden, denn die beklagte Partei hat auch maßvollen Verkehrssicherungspflichten nicht entsprochen. Nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen benutzten viele Badegäste die Breitwasserrutsche in knieender Haltung, wurde der Sohn der Kläger durch andere dem Gebot zuwider handelnde Badegäste zu dieser Art der Benützung "animiert", und wurde diese verbotene Rutschhaltung von den Badewärtern, die dies wohl wahrnehmen mussten, "eher selten" beanstandet (S 15 des Ersturteils). Solche Beanstandungen, die selbst im Sinne maßvoller Verkehrssicherungspflichten unbedingt zu fordern sind, hätten auf das "Rutschverhalten" der Badbesucher nach der Lebenserfahrung gewiss maßgeblichen Einfluss genommen. Die vom Sohn der Kläger gewählte und von der beklagten Partei geduldete - unerlaubte - Benutzung der Rutsche war für den eingetretenen Schaden kausal; die Kläger haben diesen Sachverhalt auch bewiesen. Demnach traf die Beweislast dafür, dass die beklagte Partei die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen habe, die beklagte Partei (1 Ob 269/00s). Im Gegensatz zu dem vom OGH entschiedenen Fall, der in EFSlg 69.096 wiedergegeben ist, musste die beklagte Partei damit rechnen, dass knieende Rutschenbenutzer "kopfüber" ins seichte Wasser gelangen, zumindest war diese Rutschposition geeignet, den eingetretenen Schaden in nicht ganz unerheblichem Maß zu begünstigen (1 Ob 269/00s).

2. Auf die in der Berufungsbeantwortung der beklagten Partei enthaltene Tatsachenrüge muss nicht näher eingegangen werden. Geht man von den oben wiedergegebenen, unbekämpften Feststellungen aus, wonach die erforderliche Überwachung der Breitwasserrutsche durch die für den Betrieb des Bads Verantwortlichen unterblieben ist, so sind all die Feststellungen, deren Fehlen die beklagte Partei moniert bzw die sie als unrichtig rügt, nicht weiter von Bedeutung. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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