OGH 7Ob2360/96a

OGH7Ob2360/96a19.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj.Stefan L*****, vertreten durch Mag.Ursula Eichler, Rechtsanwältin in Linz, wider die beklagte Partei Stadt Wels, Wels, Stadtplatz 1, vertreten durch Dr.Maximilian Ganzert, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 50.832 und Feststellung (Gesamtstreitwert S 80.832), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil sowie Rekurses gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 1.Juli 1996, GZ 21 R 300/96h-29, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 28.März 1995, GZ 13 C 2593/94-11, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Revision und Rekurs werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Am 26.6.1994 benützte der Kläger als Badegast in dem von der Beklagten betriebenen Freibad eine sogenannte Breitwasserrutsche von 19 m Länge, 3,7 m Breite und einem Höhenunterschied von 3,55 m. Beim Auftauchen erhielt er durch einen unmittelbar nach ihm die Rutsche benützenden Badegast einen Schlag auf den Kopf, wodurch er an der Lippe und im Mundbereich verletzt wurde.

Die Breitwasserrutsche wurde am 12.5.1994 vom Technischen Überwachungsverein geprüft. Nach dem am 24.6.1994 erstatteten Gutachten bestehen gegen den Betrieb der Rutsche ua unter der Voraussetzung keine Bedenken, daß die Anlage, insbesondere der Einstiegsbereich und der Auslauf der Rutsche, ständig beaufsichtigt wird. Bei der Breitwasserrutsche befinden sich Tafeln mit Hinweisen über die Benützung der Rutsche, insbesondere ein Hinweis, daß unmittelbares Hintereinanderrutschen nicht gestattet ist.

Für die Aufsicht im gesamten Schwimmbad waren ein Bademeister und zwei ihm unterstellte Beckenwarte zuständig, wovon einer beim sogenannten Erlebnisbecken (mit zwei Wasserrutschen), einer beim Sport- und Nichtschwimmerbecken und der dritte im gesamten übrigen Bereich des Bades die Aufsicht führte. Zum Unfallszeitpunkt befand sich keiner von ihnen unmittelbar bei der Breitwasserrutsche. Einer der Aufseher kam erst Minuten nach dem Vorfall zur Unfallstelle.

Zwischen 21.5.1994 und 5.8.1994 geschahen an der Breitwasserrutsche 11 Unfälle, wovon mehrere dadurch zustande kamen, daß ein Benützer zu knapp nach einem anderen hinunterrutschte.

Das Berufungsgericht sprach - in Abänderung des zur Gänze abweisenden Urteils des Erstgerichts - aus, daß das Zahlungsbegehren des Klägers dem Grunde nach zu Recht bestehe und hob die Entscheidung des Erstgerichts über das Feststellungsbegehren auf; der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige insgesamt S 50.000, ordentliche Revision und Rekurs an den Obersten Gerichtshof seien zulässig.

Die Beklagte habe eine Verkehrssicherungspflicht nicht nur aufgrund des Gesetzes, sondern auch als Nebenpflicht des Vertrages mit dem Kläger getroffen. Um die Benützer ihrer Anlagen vor Schäden an ihrer körperlichen Unversehrtheit zu bewahren, sei sie verpflichtet gewesen, alles Zumutbare vorzukehren, um eine gefahrlose Benützung der Anlage zu ermöglichen. Da vorwiegend mit der Benützung der Breitwasserrutsche durch Kinder gerechnet werden müsse, sei bei der Beurteilung des Zumutbaren ein strengerer Maßstab anzulegen. Die Beklagte hätte daher nicht nur wegen der Anordnungen im Gutachten des Technischen Überwachungsvereins, sondern auch wegen der vor dem Unfall des Klägers geschehenen Unfälle besondere Sicherungsmaßnahmen, insbesondere die ständige Bewachung des gesamten Bereiches der Breitwasserrutsche, vornehmen müssen. Eine ständige Überwachung stelle im Hinblick auf den jugendlichen Benützerkreis keine Überspannung der zumutbaren Sicherungsmaßnahmen dar; sie wäre auch ihrer Art nach geeignet gewesen, jugendliche Benützer vom bestimmungswidrigen Gebrauch abzuhalten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision (inhaltlich auch ein Rekurs gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes) ist unzulässig im Sinne des § 502 Abs 1 (§ 528 Abs 1) ZPO.

Das Berufungsgericht hat die Grundsätze der Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zutreffend dargestellt. Welche Sicherungsmaßnahmen zumutbar und erforderlich sind, hängt immer nur von den Umständen des Einzelfalls ab. Derartige Einzelfallentscheidungen sind durch den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm (hier konkret bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der Unzumutbarkeit) korrigiert werden müßte (5 Ob 81/91; 1 Ob 504/93; 2 Ob 580/95). Ein derartiger Fehler ist dem Berufungsgericht bei der Beurteilung der Zumutbarkeit schon im Hinblick auf das Sicherheitsgutachten des Technischen Überwachungsvereins nicht unterlaufen.

Ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts, daß die Revision und der Rekurs zulässig seien, waren die Rechtsmittel der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Auf die Unzulässigkeit von Revision und Rekurs aus dem Grunde des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des Revisions-(Rekurs-)rechts hat der Kläger nicht hingewiesen.

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