OGH 17Os21/12k

OGH17Os21/12k25.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2013 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kogler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Ludwig S***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 19. Juni 2012, GZ 41 Hv 3/11y-150, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Ludwig S***** mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck als Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sowie als stellvertretender Sicherheitsdirektor für das Bundesland Tirol, mithin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Bund an seinem Recht auf ordnungsgemäße Überprüfung der Kontrolle und Veranlassung entsprechender Maßnahmen zum Erhalt und Verbesserung der Qualität der vom beauftragten Unternehmen durchgeführten Sicherheitskontrollen am Flughafen Innsbruck zu schädigen, insbesondere weitere Hoheitsakte durch Beamte der Abteilung II/2 des Bundesministeriums für Inneres in Form der Anordnung von Maßnahmen, wie etwa die Aufforderung zu Nachschulungen der Sicherheitskontrollorgane oder die Anweisung an den Sicherheitsdirektor, die Ermächtigung zum Sicherheitskontrollorgan zu entziehen, zu verhindern, seine Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, nämlich die Kontrolle der Qualität der vom Unternehmen S***** durchgeführten Sicherheitskontrollen am Flughafen Innsbruck und anschließend monatliche Berichterstattung über stattgefundene Tests an das Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, Abteilung II/2 gemäß Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 14. September 2005, GZ BMI-EE1300/0062-II/2/b/2005, in Verbindung mit dem Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen (Luftfahrtsicherheitsgesetz-LSG idF vor BGBl I 2010/111), dadurch wissentlich missbraucht, dass er in der Zeit von 21. August 2008 bis 29. September 2009 in vier im Urteil konkret angeführten Fällen vom jeweiligen Testleiter angefertigte Originaltestberichte über durchgeführte Sicherheitskontrolltests, die ihm per E-Mail übermittelt worden waren, wahrheitswidrig abänderte, indem er die negativen Inhalte positiv verfälschte und die so veränderten Berichte an das Bundesministerium für Inneres übermittelte und solcherart vorspiegelte, es handle sich um reguläre Testberichte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Die Kritik (Z 5 vierter Fall), es fehle eine Begründung der Konstatierung, wonach der Angeklagte die Einverständniserklärung gemäß § 6 Abs 1 LSG in der hier maßgeblichen Fassung vor BGBl I 2010/111 nur dann entziehen konnte, „wenn Gefahr in Verzug ist, ansonsten der Entzug dieses Ausweises, dieser Berechtigung und Bestätigung dem BMI vorbehalten war“ (vgl US 8), wendet sich mangels Relevanz einer solchen Entzugsberechtigung für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage nicht gegen eine Feststellung entscheidender Tatsachen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398). Im Übrigen bleibt zufolge des in Art 78a Abs 1 B-VG in der hier maßgeblichen Fassung vor BGBl I 2012/49 (vgl auch § 4 Abs 1 und Abs 2 SPG idF vor BGBl I 2012/50) geregelten Aufbaus der Sicherheitsbehörden unklar, warum allein der Wortlaut des § 6 Abs 2 LSG idF vor BGBl I 2010/111 eine Kompetenz des - nach § 1 LSG idF vor BGBl I 2010/111 als oberste Sicherheitsbehörde für den besonderen Schutz von Zivilluftfahrzeugen und der Menschen, die sich an Bord befinden oder an Bord gehen, zuständigen - Bundesministers für Inneres, den Widerruf der Einverständniserklärung zu veranlassen, ausschließen, ein solcher Widerruf also „allein Sache des Sicherheitsdirektors“ gewesen sein sollte.

Soweit die Rüge Feststellungen (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) dazu vermisst, ob sich das Bundesministerium für Inneres aufgrund „gewisser negativer Berichte“ ausgehend von den „konkreten Vertragsbedingungen 'trennen' hätte können“, legt sie nicht dar, weshalb solche Konstatierungen - ungeachtet dessen, dass der vom Täter in seinen Vorsatz aufgenommene Schaden nach den konkreten Gegebenheiten gar nicht eintreten muss, es vielmehr nur auf die Möglichkeit der Schädigung ankommt (vgl Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch5 § 302 StGB Rz 47) - erforderlich sein sollten. Den auf die Schädigung des Rechts der Republik auf ordnungsgemäße Überprüfung der Sicherheitskontrollen am Flughafen gerichteten Vorsatz des Angeklagten haben die Tatrichter festgestellt.

Demgemäß wendet sich auch die Behauptung, es sei „reine Spekulation“, dass das Bundesministerium für Inneres „ohne wahrheitsgemäße Berichte der Sicherheitsdirektionen 'die vertraglichen Vereinbarungen mit der Sicherheitsfirma nicht überprüfen konnte oder dass Vertragsinhalte unterlaufen werden können'“ (US 8), nicht gegen entscheidungswesentliche Feststellungen.

Dass nach jedem positiven oder negativen Test das Ergebnis vor Ort von den Testleitern mit den beteiligten Sicherheitskontrollorganen und deren Vorgesetzten besprochen wurde, steht - dem weiteren Einwand (Z 5 zweiter Fall) zuwider - der Feststellung, wonach bei Verfälschen der Testberichte die Flugsicherheit nicht entsprechend durchgesetzt werden konnte (US 7), nicht erörterungsbedürftig entgegen.

Das Vorbringen gegen die tatrichterliche Annahme, wonach der Angeklagte ohne die Taten seine Position im Hinblick auf die Mitarbeiterinnen der Firma S***** nicht hätte ausnützen können (US 13), betrifft das Motiv und solcherart erneut keine entscheidende Tatsache (vgl RIS-Justiz RS0088761).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, dass allein der „Sicherheitsdirektor bzw der von ihm beauftragte Beamte, sohin der Angeklagte“ „für die Vollziehung der Bestimmung des § 6 LSG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung“ zuständig war, leitet diese Konsequenz jedoch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl nämlich §§ 1 und 22 Abs 1 LSG idF vor BGBl I 2010/111; RIS-Justiz RS0116565).

Gleiches gilt, soweit die Rüge „einem Erlass des BMI“ die Basis für hoheitliches Handeln substratlos abspricht. Im Übrigen handelte es sich bei dem in Rede stehenden Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 14. September 2005 (mit dem Betreff: Exekutiv- und Einsatzangelegenheiten; Flugsicherheit, Tests zur Kontrolle der Qualität der von den beauftragten Unternehmen durchgeführten Sicherheitskontrollen), der die Überprüfung der Eignung oder Verlässlichkeit (vgl § 6 Abs 1 und Abs 2 LSG idF vor BGBl I 2010/111) der Dienstnehmer der nach § 4 Abs 1 LSG idF vor BGBl I 2010/111 mit der Durchführung von Sicherheitskontrollen (vgl § 2 LSG idF vor BGBl I 2010/111) beauftragten Unternehmen regelt, um eine (generelle) Weisung (also einen hoheitlichen Befehl) an die zur Tatzeit zuständigen, nachgeordneten Sicherheitsdirek-tionen, die ihre Rechtsgrundlage - wie die Rüge selbst einräumt - in Art 20 Abs 1 B-VG hat (vgl Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht Rz 612 ff).

Schließlich orientiert sich das Vorbringen, wonach nach der Rechtsansicht des Erstgerichts „jede Missachtung eines Erlasses durch einen Beamten, welche es dem zuständigen Ministerium erschwert, Verträge mit privaten (beliehenen Unternehmen) auf Punkt und Beistrich durchzusetzen, ein Amtsgeschäft in Vollziehung der Gesetze“ wäre, nicht am Bezugspunkt der tatrichterlichen Konstatierungen, wonach der Angeklagte in Befolgung des erwähnten Erlasses erstellte Berichte unter wissentlichem Fehlgebrauch der ihm als damit betrautem Vertreter des zur Tatzeit zuständigen Sicherheitsdirektors nach dem Erlass zukommenden Aufgabe mit Rechtsschädigungsvorsatz verfälschte und an das Bundesministerium für Inneres weiterleitete (US 12 f).

Bleibt anzumerken, dass die - vom Beschwerdeführer nicht beanstandete - rechtlich verfehlte Annahme mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (vgl RIS-Justiz RS0121981) für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO keinen Anlass bietet. Stellt nämlich einerseits der Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil im Sinn der genannten Bestimmung dar (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23), so ist andererseits dem durch die - von diesem ausgelöste - aggravierende Wertung „mehrfacher Verbrechen“ (US 22) hergestellten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29; RIS-Justiz RS0090885; 17 Os 3/12p).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), womit die Entscheidung über die Berufungen dem Oberlandesgericht zukommt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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