Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Sabine L***** und Susanne La***** jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, Letztgenannte auch nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben am 12. Jänner 2012 in Wien
(A) Sabine L***** als Gewerbereferentin des Magistratischen Bezirksamts für den 19. Bezirk, mithin als Beamtin, mit auf Schädigung des Michael S***** in seinem konkreten Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten (§ 1 DSG) gerichtetem Vorsatz, ihre Befugnis, im Namen eines Landes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem sie ohne dienstliches Erfordernis zu privaten Zwecken eine „VDA-Anfrage (Sozialversicherungsauszug)“ durchführte und Susanne La***** das Ergebnis mitteilte;
(B) Susanne La***** die Sabine L***** zu der unter (A) dargestellten Tat bestimmt, indem sie die Genannte im Wissen, dass diese dadurch ihre Befugnis vorsätzlich fehlgebrauchen würde, aufforderte, die Anfrage durchzuführen.
Rechtliche Beurteilung
Die von beiden Angeklagten aus Z 5 und 9 lit a, von Sabine L***** auch aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Sabine L*****:
Bereits das gezielte Beschaffen personenbezogener Daten durch Abfragen in für die Erfüllung dienstlicher Aufgaben eingerichteten Datenbanken (hier: von Versicherungsdaten aus der zentralen Anlage des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger; § 31 Abs 4 Z 3 ASVG, § 365a Abs 5 Z 3 GewO) im Rahmen (zumindest abstrakt) zukommender Befugnis stellt ein Amtsgeschäft, Abfrage ohne dienstliche Rechtfertigung Missbrauch dieser Befugnis dar (RIS-Justiz RS0095301; Kienapfel/Schmoller BT III² § 302 Rz 29; RIS-Justiz RS0114637). Ein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der Urteilsannahme, wonach die Beschwerdeführerin „als Beamte tätig“ war und der Konstatierung, nach der sie die inkriminierte Abfrage „aus rein privatem Interesse“ durchführte, liegt damit nicht vor.
Das Motiv der Susanne La***** für die ihr vorgeworfene Tathandlung ist nicht entscheidend (RIS-Justiz RS0088761). Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, dass Sabine L***** die Hintergründe deren „Ansinnens“ „im Wesentlichen“ bekannt waren (US 4, 6 f), geht daher ins Leere. Im Übrigen wurde diese logisch und empirisch einwandfrei auf die - von der Beschwerde nur partiell zitierte - Verantwortung der Beschwerdeführerin (ON 19 S 5) gestützt (US 7).
Die Ableitung der Urteilsannahmen, nach denen die inkriminierte Datenabfrage - mangels Bezugs zu einem Geschäftsfall oder einem gegen den Betroffenen geführten Verfahren sowie örtlicher Zuständigkeit der Behörde - ohne dienstliche Rechtfertigung und damit (wie dargelegt) unter Fehlgebrauch der Sabine L***** eingeräumten Befugnis erfolgte, (im Wesentlichen) aus deren Angaben und jenen des Zeugen Mag. Werner Se***** im Verein mit einer aktenkundigen Urkunde (US 6 ff) begegnet dem Standpunkt der weiteren Mängelrüge (nominell Z 5 dritter Fall, der Sache nach Z 5 vierter Fall; vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 439) zuwider, unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken. Zu einer gesonderten Erörterung der in der Beschwerde thematisierten Passagen aus den Angaben der Genannten, die sich auf die korrekte Vorgangsweise bei - hier gar nicht aktuellen - Unklarheiten hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit beziehen, bestand unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall keine Veranlassung. Im Übrigen hat das Erstgericht diese Verfahrensergebnisse gar wohl in seine Überlegungen einbezogen (US 6, 8 f).
Indem die Beschwerdeführerin daraus sowie aus anderen - im Urteil übrigens gleichfalls gewürdigten (vgl US 6 ff) - Details aus ihrer Einlassung für sie günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht und diejenigen der Tatrichter als „nahezu lebensfremd“ bezeichnet, zeigt sie weder einen Begründungsmangel (Z 5) auf noch vermag sie im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) erhebliche Bedenken gegen die Konstatierungen zu einem wissentlichen Befugnismissbrauch zu wecken (RIS-Justiz RS0099674).
Wird (aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO) behauptet, das Erstgericht habe seine Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung vernachlässigt, muss die Tatsachenrüge (als Aufklärungsrüge) deutlich machen, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechtes, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (RIS-Justiz RS0114036, RS0115823; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).
Weshalb beweiswürdigenden Überlegungen eines Nichtigkeitswerbers widerstreitende gerichtliche Sachverhaltsannahmen (hier: die auf Basis des gerade zu diesem Thema ausführlich befragten Zeugen Mag. Se***** getroffene, „eine entsprechende Berechtigung ... zur Vornahme der VDA-Abfrage hinsichtlich Michael S***** in Abrede stellende Feststellung“) einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot und damit ein solches Hindernis in Bezug auf die Stellung von Beweisanträgen auf „Vernehmung qualifizierter Zeugen“ und die Vorlage „interner Dienst- und Betriebsvorschriften zur Aufgabenverteilung“ bewirken sollte, macht die Beschwerde nicht klar (vgl dazu RIS-Justiz RS0120025).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erschöpft sich mit ihrer - unter neuerlichem Hinweis auf die eigenständig interpretierte Aussage des Zeugen Mag. Se***** erhobenen - Forderung nach Konstatierungen dazu, dass die Angeklagte „zur Vornahme der VDA-Abfrage hinsichtlich des Michael S*****“ berechtigt war, der Sache nach in einer Bestreitung der gegenteiligen Urteilsannahmen (US 4) und verfehlt damit eine prozessordnungskonforme Darstellung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Susanne La*****:
Der Einwand undeutlicher (Z 5 erster Fall) Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite nimmt auf eine isoliert zitierte Wortfolge der entsprechenden beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts Bezug und orientiert sich solcherart prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504).
Die Tatrichter setzten sich in diesem Zusammenhang - ungeachtet der kritisierten Formulierung „bei oberflächlicher Betrachtung“ (US 11) - ausführlich mit der insoweit leugnenden Verantwortung der Susanne La***** (wie auch jener der Sabine L*****) auseinander und legten eingehend und unmissverständlich dar, aus welchen Gründen sie zur gegenteiligen Überzeugung gelangten (US 6 ff, 10 ff). Eine darüber hinausgehende Erörterung sämtlicher Details der Aussagen der Beschwerdeführerinnen ist unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht erforderlich, sie würde vielmehr dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zuwiderlaufen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).
Indem die Mängelrüge ihrerseits einzelne Passagen aus den Depositionen der beiden Angeklagten kontextentkleidet aneinanderreiht, daraus für sie günstige Schlüsse zieht und die Begründung des Erstgerichts für die Konstatierung zur Wissentlichkeit in Betreff des bedingt vorsätzlichen Fehlgebrauchs der Befugnis auf Seiten der unmittelbaren Täterin, als „nicht nachvollziehbar“, „in keiner Weise überzeugend“ und „in keiner Weise zutreffend“ erachtet, bekämpft sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Weshalb die inkriminierte Tathandlung der Erstangeklagten kein Amtsgeschäft sein soll und inwiefern es dabei darauf ankommen soll, dass vorliegend „die Abfrage … nicht einmal ausgedruckt wurde“, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar (vgl dazu erneut RIS-Justiz RS0095301; Kienapfel/Schmoller BT III² § 302 Rz 29; RIS-Justiz RS0114637).
Ebensowenig wird methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet, weshalb „rein privatrechtliche“ „Wirkungen“ der - ohne dienstliche Rechtfertigung erfolgten - Datenabfrage der rechtlichen Beurteilung entgegenstehen sollten, dass Sabine L***** dabei unter Missbrauch ihrer Befugnis, namens des Rechtsträgers als dessen Organ (nämlich in ihrer Funktion als für Gewerbeangelegenheiten zuständige Referentin des Magistratischen Bezirksamts, somit der Gewerbehörde; § 333 GewO 1994) in Vollziehung einer Verwaltungsmaterie (der Gewerbeordnung), also im Bereich der Hoheitsverwaltung, gehandelt hat.
Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) stellt - unter Berufung auf übrigens ohnehin erörterte Aussagepassagen (US 7 f, 10 f) - Wissentlichkeit in Abrede und bekämpft damit erneut die entgegengesetzten Feststellungen (US 5) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Soweit die Beschwerde einen - den Bezugspunkt des vom Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB geforderten Schädigungsvorsatzes bildenden - Anspruch des Michael S***** auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten (vgl § 1 Abs 1 und 2 DSG) mit der Begründung bestreitet, diese seien der Beschwerdeführerin bereits aufgrund eines im Verfahren AZ 4 E 443/11t des Bezirksgerichts Eisenstadt über ihren Antrag ergangenen Beschlusses auf Bewilligung einer Fahrnis- und Gehaltsexekution vom 5. September 2011 bekannt gewesen, übergeht sie die Urteilsannahmen, wonach der Vorsatz beider Angeklagten auf Gewinnung weiterer (ihnen unbekannter und nicht allgemein zugänglicher) Daten, nämlich der Beschäftigung des Betroffenen und seines Arbeitgebers zum Tatzeitpunkt (am 12. Jänner 2012) sowie seiner Versicherungszeiten (US 3 iVm 4), gerichtet war (vgl dazu im Übrigen 17 Os 3/13i).
Mit dem - mit der gleichen Zielrichtung geäußerten - Hinweis auf Angaben der Zweitangeklagten, wonach es ihr um die Verhinderung eines gesetzwidrigen Bezugs von Sozialleistungen durch „Dritte“ ging, verlässt die Rüge ein weiteres Mal die erstgerichtliche Sachverhaltsgrundlage eines auf Schädigung des konkreten in § 1 Abs 1 und 2 DSG verankerten Rechts des Betroffenen gerichteten Vorsatzes (US 5).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.
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