European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00001.15Y.1214.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung ‑ Mag. Barbara S***** vom Vorwurf (A/I/1 der Anklage), sie habe in G***** und an anderen Orten als Beamtin der Bezirkshauptmannschaft H*****, nämlich als „Leiterin der Gruppe Umwelt und Forst“ mit dem Vorsatz, „den Staat an seinem konkreten Recht auf gesetzmäßige Verwaltungsrechtspflege, insbesondere am Recht auf Sachentscheidung in einem unvoreingenommen geführten Verfahren“ sowie „Vefahrensparteien im Recht auf Behandlung von Rechtsmitteln gemäß dem AVG zu schädigen“, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht“, indem sie ein (im Urteil näher bezeichnetes) Verwaltungsverfahren, „obwohl sie befangen war, führte, insbesondere die Verhandlung am 25. 03. 2009 anberaumt und geleitet, den Bescheid vom 23. 04. 2009 erstellt und diktiert und ihrer Mitarbeiterin Monika St***** die Unterfertigung aufgetragen habe, den Hochwasserschutz im Bereich der Liegenschaft ihrer Mutter Magdalena Ste***** um 30 cm höher ausführen ließ sowie Einspruchswerber im Rahmen einer im AVG in § 64a AVG im Verfahren zur Berufungsvorentscheidung vorgesehenen Besprechung bzw. Erhebung mit der Androhung der Einstellung des Baues der gesamten Hochwasserschutzmaßnahmen zur Zurückziehung der Einsprüche bewogen habe und eine nicht genehmigte Gartenmauer im Bereich der Liegenschaft ihres Bruders Mag. Ludwig Ste***** herstellen ließ“, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Zusammengefasst ging das Erstgericht von folgendem Sachverhalt aus (US 4 ff):
Die Angeklagte sei als Leiterin der „Gruppe 03, Umwelt und Forst der Bezirkshauptmannschaft H*****“ (in erster Instanz) für das Verfahren über ein Hochwasserschutzprojekt zuständig gewesen, welches infolge Planänderung unter anderem im Eigentum ihrer Mutter und ihres Bruders Mag. Ludwig Ste***** stehende Grundstücke betroffen habe. Dieser habe bei einer Verhandlung Forderungen hinsichtlich eines im Verhältnis zu den übrigen Grundstücken gleichwertigen Hochwasserschutzes gestellt. In weiterer Folge habe die Angeklagte die Bearbeitung des Akts wegen Befangenheit an ihre Mitarbeiterin Monika St***** abgegeben. Diese habe den von der Angeklagten gleichwohl inhaltlich zum Teil vorbereiteten und korrigierten Bewilligungsbescheid unterfertigt. Die aufgrund des Bescheids ausgeführten Hochwasserschutzmaßnahmen hätten ‑ wie das Erstgericht unter Berufung auf ein von der Staatsanwaltschaft eingeholtes Gutachten (ON 76) feststellte ‑ „den jeweiligen Einreichprojekten als auch dem Stand der Technik“ entsprochen; Mehrkosten seien durch den Schutz des Grundstücks von Mag. Ludwig Ste***** nicht entstanden.
Gegen den Bescheid hätten mehrere Parteien „Einspruch“ (gemeint offenbar: Berufung vgl §§ 63 ff AVG idF vor BGBl I 2013/33; ON 2 S 53) erhoben. Die Angeklagte habe über Initiative eines Vertreters der Bundeswasserbauverwaltung die Rechtsmittelwerber in die Bezirkshauptmannschaft H***** „zitiert“. Nach ausdrücklicher Erörterung der Frage ihrer Befangenheit hätten mehrere Rechtsmittelwerber auf einer Teilnahme der Angeklagten an der folgenden Besprechung bestanden. Diese habe unter anderem die Konsequenzen des Rechtsmittelverfahrens, nämlich „eine Verzögerung des Vorhabens auf unbestimmte Zeit“, aufgezeigt. „Als Ergebnis der Besprechung“ seien „sämtliche Rechtsmittel zurückgezogen“ worden.
Zur subjektiven Tatseite hielt das Erstgericht fest, Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes könne „nicht allein jenes Recht sein, das den Beamten verpflichtet, seine Befugnis den Vorschriften entsprechend zu gebrauchen“. Eine Feststellung dahingehend, dass die Angeklagte „die Vereitelung eines bestimmten, von § 7 AVG verfolgten Zwecks in ihren Vorsatz aufgenommen hätte, konnte ebenso wenig getroffen werden wie die Konstatierung einer von ihr gewollten Beeinträchtigung eines (konkreten) anderen subjektiven oder staatlichen Rechts“ (US 8 f).
Die Staatsanwaltschaft bekämpft diese Negativfeststellung (zum Schädigungsvorsatz) weder nominell noch der Sache nach mit Mängelrüge, etwa indem sie (mit Bestimmtheit) Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangels Auseinandersetzung mit ‑ diesen Konstatierungen entgegenstehenden ‑ Verfahrensergebnissen in den Entscheidungsgründen aufzeigt (vgl RIS-Justiz RS0098495). Ebenso wenig macht sie logische oder empirische Begründungsfehler geltend (vgl RIS-Justiz RS0127315). Sie beschränkt sich vielmehr darauf, von (im Urteil ohnehin erörterten und großteils durch Feststellungen geklärten) Verfahrensergebnissen ausgehend Konstatierungen zu einem Vorsatz der Angeklagten auf Schädigung der „Parteien des Verfahrens“ an „ihrem Recht auf Führung und Entscheidung durch einen unbefangenen Organwalter sowie in ihrem Recht auf Behandlung von Rechtsmitteln in einem objektiven unvoreingenommenen Verfahren“ zu fordern, denen jedoch die genannte Negativfeststellung entgegensteht. Diese wird daher nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 593).
Im Übrigen entbehrt die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, Parteien eines Verwaltungsverfahrens hätten jedenfalls einen (strafrechtlich geschützten) Anspruch auf objektive Führung (bereits) des erstinstanzlichen Verfahrens der methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz (insbesondere den Verwaltungsverfahrensgesetzen). Wie in der jüngeren Rechtsprechung mit ausführlicher Begründung dargestellt (17 Os 53/14v [17 Os 54/14s]; 17 Os 15/14f, EvBl 2014/122, 835) liegt der (im Sinn des § 302 Abs 1 StGB beachtliche) Schutzzweck verwaltungsverfahrensrechtlicher Befangen-heitsvorschriften ‑ soweit nicht Organwalter von Tribunalen betroffen sind ‑ im Ausschluss eines (den Parteien oder dem Staat nachteiligen) Einflusses der Befangenheit auf die das Verfahren beendende Entscheidung (vgl RIS‑Justiz RS0130021). Einen auf Beeinträchtigung dieses Schutzzwecks gerichteten Vorsatz der Angeklagten behauptet aber auch die Beschwerdeführerin nicht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
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