European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00094.21V.1020.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte ***** P***** des Vergehens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 2 StGB (I./), des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (II./) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (III./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
I./ zwischen Anfang Juni und Ende November 2020 in B***** fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich Schmuck, Goldmünzen und Bargeld im Gesamtwert von zumindest 88.200 Euro, G***** C***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch Zueignung der Sachen unrechtmäßig zu bereichern, indem er ein Behältnis, nämlich den Tresor mit den Wertsachen, mittels eines heimlich weggenommenen und solcherart widerrechtlich erlangten Schlüssels öffnete;
II./ in wiederholten Angriffen zwischen 2015 und Dezember 2020 in M***** gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte des Arbeitsmarktservice durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die wahrheitswidrige Vorspiegelung, arbeitslos zu sein, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen und sich in einer Notlage zu befinden, zur Auszahlung von monatlichen Sozialleistungen zwischen 469,71 Euro und 1.393,33 Euro, also zu Handlungen verleitet, die das Arbeitsmarktservice in einem insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten;
III./ am 12. April 2021 in W***** den Polizeibeamten ***** H***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn durch die sinngemäße Behauptung, dieser habe seine Aussage als Beschuldigter am 22. Dezember 2020 vor der Polizeiinspektion Wi***** intentional falsch protokolliert, einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, falsch verdächtigte, wobei er wusste, dass die Verdächtigung falsch ist.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und b sowie 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.
[4] Die zu I./ des Schuldspruchs erhobene Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) erklärt nicht, weshalb die Kenntnis des Opfers G***** C***** vom Aufbewahrungsort des zweiten Tresorschlüssels oder die Umstände, dass das Geld (im Tresor) in Kuverts deponiert wurde und G***** C***** die beim Angeklagten sichergestellten Silbermünzen nicht (als ihr Eigentum) identifizieren konnte, gesondert – zumal den Feststellungen nicht entgegenstehend – erörterungsbedürftig sein sollten (RIS‑Justiz RS0098495 [insb T6], RS0098646 [insb T8]).
[5] Die Angaben des Angeklagten zur Herkunft der auf sein Konto eingezahlten Geldbeträge (ON 30 S 5 ff des Protokolls) ließ das Erstgericht entgegen der Beschwerde nicht unberücksichtigt, sondern verwarf diese als nicht plausibel (US 9 f). Zur Erörterung sämtlicher Details der Verantwortung des Angeklagten war das Erstgericht – in Befolgung des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – nicht verpflichtet (RIS‑Justiz RS0098717).
[6] Die Erwägungen in Bezug auf die dem Schuldspruch zugrunde gelegten Spuren (sowie das Fehlen von Spuren) finden sich auf US 8, jene zum Wert der gestohlenen Sachen auf US 6 f und US 8 f. Zu einer eingehenderen Auseinandersetzung mit einzelnen Details der auf das Diebsgut bezogenen Depositionen der Zeugin G***** C***** waren die Tatrichter nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0106295).
[7] Entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) steht die Feststellung, wonach der Angeklagte dem Ehepaar A***** und G***** C***** beim Verkauf eines Fahrzeugs behilflich war (US 3), zur Erwägung, die Verantwortung des Angeklagten, G***** C***** hätte ihm das gesamte Geld aus dem Tresor gezeigt und ihn sinngemäß nach einer Veranlagungsmöglichkeit gefragt, sei lebensfremd (US 7), nicht im Widerspruch (RIS‑Justiz RS0119089).
[8] Die Tatsachenrüge (Z 5a) soll nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen verhindern (RIS‑Justiz RS0117446).
[9] Mit ihrem Hinweis auf das Fehlen von Einbruchsspuren und – abgesehen von DNA-Spuren auf der Geldtasche im Tresor (US 6) – sonstigen, dem Angeklagten zuordenbaren Spuren sowie auf dessen Hilfestellung bei einem Fahrzeugverkauf unmittelbar vor dem Ableben des Gatten der G***** C***** sowie darauf, dass beim Angeklagten kein Schlüssel zum Haus der Zeugin C***** vorgefunden werden konnte und „Tatzeit und Begehung“ nicht konkretisiert werden konnten, gelingt es der Rüge nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.
[10] Soweit die Beschwerde „die Schadensfeststellung des Gerichts“ kritisiert und (bloß spekulativ) behauptet, „dass das Geld womöglich gar nicht gestohlen“ worden wäre, verlässt sie den Anfechtungsrahmen des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099674).
[11] Aus welchem Grund der Umstand, dass der Angeklagte bei der Verrichtung von Schwarzarbeit nicht betreten worden wäre, gesondert erörterungsbedürftig sein sollte, macht die zu II./ des Schuldspruchs erhobene Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht klar (vgl neuerlich RIS‑Justiz RS0098495 [insb T6], RS0098646 [insb T8]).
[12] In Bezug auf die Angaben des Angeklagten zur Herkunft der auf sein Konto eingezahlten Geldbeträge (ON 30 S 5 ff des Protokolls) kann auf die vorstehenden Ausführungen zum Schuldspruch I./ verwiesen werden.
[13] Das Vorbringen, der Angeklagte hätte während seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung eine undeutliche und zum Teil grammatikalisch falsche Ausdrucksweise „an den Tag gelegt“, weshalb die Möglichkeit, dass er sich auch bei seiner polizeilichen Vernehmung falsch ausgedrückt hätte, zu erwägen gewesen wäre, übergeht die Erörterung der widersprechenden Aussage des Zeugen ***** H***** (US 10) und orientiert sich damit nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370).
[14] Soweit die Beschwerde einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) in Bezug auf die Erwägungen des Erstgerichts zur Herkunft der „hohen Mengen an Bargeld im Haus des Angeklagten“ reklamiert, wird nicht klar, auf welche Urteilspassagen sich die Kritik bezieht (vgl aber RIS‑Justiz RS0099563 [T2]).
[15] Dies gilt auch für die Behauptung der Tatsachenrüge (Z 5a), die Festlegung, die beim Angeklagten aufgefundenen Beträge stammten „aus mehrfacher Schwarzarbeit über die Jahre hinweg“, ergäbe erhebliche Bedenken.
[16] Mit ihrer unter Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten sowie die Arbeitsmarktlage vorgebrachten Kritik an den Urteilsfeststellungen, der Angeklagte verdiente im Zeitraum von 2015 bis 2020 monatlich 2.000 Euro bis 7.000 Euro zusätzlich zu den ihm gewährten Sozialleistungen, bekämpft die Beschwerde bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts in der Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld (RIS‑Justiz RS0100555).
[17] Soweit die weitere Rüge reklamiert, eine illegale Beschäftigung des Angeklagten hätte nicht erwiesen werden können, bringt sie den Nichtigkeitsgrund der Z 5a nicht zur Darstellung (RIS‑Justiz RS0128874).
[18] Dem zu III./ des Schuldspruchs erstatteten Beschwerdevorbringen zuwider können Feststellungen (hier: zum Vorwurf der intentional falschen Protokollierung der Aussage des Angeklagten; US 5) nicht aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sein (RIS‑Justiz RS0106268 [T2]; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 281 Rz 61).
[19] Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) aus der Verantwortung des Angeklagten (US 10 f) in Bezug auf den Vorwurf der Verleumdung aufgrund eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdestandpunkt günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, verlässt sie erneut den Anfechtungsrahmen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099674).
[20] Die die Gefahr einer behördlichen Verfolgung in Abrede stellende Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, wonach der Angeklagte wiederholt wahrheitswidrig behauptete, der Polizeibeamte H***** hätte seine Aussage bei seiner Vernehmung am 22. Dezember 2020 intentional falsch protokolliert, dabei wusste, dass er diesen der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, und dies auch wollte (US 5), und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[21] Soweit die weitere Rüge (Z 9 lit b) mit Blick auf die Konstatierung „Erst nach der entsprechenden Ausdehnung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft behauptete er nunmehr, dass er den Beamten nicht beschuldigen wollte und dieser seine Aussage vielleicht nicht falsch, allerdings nicht so, wie er sie gemeint hätte, aufgeschrieben hätte.“ (US 11) die Annahme tätiger Reue (§ 297 Abs 2 StGB) einfordert, leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb der Widerruf der Verleumdung insoweit freiwillig (vgl dazu RIS‑Justiz RS0096879) erfolgt sein sollte.
[22] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstößt die aggravierende Wertung mehrerer Angriffe beim Betrug (US 13) auch in Ansehung gewerbsmäßiger Tatbegehung (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB; US 12) fallbezogen nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil der Schuldspruch II./ sechs solche Taten umfasst (US 4) und demnach jedenfalls drei derselben nicht die Strafdrohung bestimmen (RIS‑Justiz RS0091375 [T6]).
[23] Mit dem Vorbringen, dass der Erschwerungsgrund des Zusammentreffens von zwei Vergehen mit einem Verbrechen jenen der Verwirklichung mehrerer – auch nicht den Strafrahmen bestimmender – Qualifikationen (nach § 128 Abs 1 Z 5 StGB und nach § 147 Abs 2 StGB; vgl RIS‑Justiz RS0116020 [T13]) inkludiere, wird ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot ebenso wenig aufgezeigt.
[24] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[25] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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